Beruf Detektiv:In der Abstellkammer bei Aldi

Detektiv, im Fernsehen immer ein aufregender Job. In der Wirklichkeit ist es vor allem schlecht bezahltes Rumsitzen. Wolfgang Paul war Privatdetektiv und arbeitete unter anderem für den Discounter Aldi. Nun räumt er mit einem falschen Berufsbild auf.

Christoph Giesen und Max Hägler

Es ist ein Job, der an die Grenzen geht: Vor einigen Jahren hatte Detektiv Storm einmal einen Verbrecher überführt, der daraufhin im Kittchen landete. Jetzt ist der Typ entlassen worden und will sich rächen. Ein ehemaliger Knastbruder ist mit dieser Warnung in die Detektei gekommen. Während Storm auf Anweisung seines Chefs untertaucht, beginnen seine Kollegen mit der Schnüfflerarbeit, um herauszufinden, was los ist.

Observation mit allen Mitteln ist angesagt, ein GPS-Peilsender kommt unters Auto der Zielperson, ein Kollege prüft das Kennzeichen per Halterabfrage, das Zimmer wird durchsucht, die Männer finden einen leeren Gewehrkoffer. Wenig später leuchtet ein roter Punkt auf Storms Pullover auf. Der Verbrecher hat Storm gefunden. Sein Gewehr samt Laserzielfernrohr ist auf den Detektiv gerichtet. Es fällt ein Schuss.

20 Minuten dauert das alles im Fernsehen, bei der inzwischen eingestellten Detektivhatz "Lenßen und Partner". Der tolle Alltag deutscher Detektive - gedreht im Doku-Stil mit Schrottkameras und wackligen Nachtaufnahmen. Man könnte denken, wie schon beim öffentlich-rechtlichen Pendant "Ein Fall für Zwei": Was für ein aufregender und sicher lukrativer Job das ist, Detektiv zu sein.

"Quatsch", sagt einer, der selbst ein Schnüffler war: Jahrelang hat Wolfgang Paul, 45, observiert, befragt, ermittelt, überführt. Es war eine anstrengende und miserabel bezahlte Arbeit, sagt er. Derart unterbezahlt, dass ihm ein Freund, ein Steuerberater, irgendwann geraten hat: Lass das bleiben, du arbeitest dich in den Ruin. Paul hat auf ihn gehört, hat das Handwerk gewechselt. Jetzt kümmert er sich um den Innenausbau von Jachten und kann sich die Zeit nehmen, um mit einem falschen Berufsbild aufzuräumen.

25 Euro Fangprämie

Es ist Abend, bis vor wenigen Monaten wäre Paul um diese Zeit noch unterwegs gewesen, auf einer langen Fahrt nach Hause, vielleicht sogar bei einer nächtlichen Recherche, immer in der Hoffnung, dass die Arbeit reicht, um am Monatsende die Rechnungen bezahlen zu können. Der Stress ist vorbei. Paul lümmelt auf dem Sofa in einer Dachgeschosswohnung am Bodensee. Am Esstisch gegenüber sitzt seine Freundin, sie liest "50 Shades of Grey" und schweigt. Auf dem Glastisch vor der Couch bitzelt ein Spezi. Daneben hat Wolfgang Paul sein Buch gelegt. "Der Schatten", heißt es. Er hat es in den vergangenen Monaten geschrieben, ein Einblick in die Branche der Schnüffler.

"Lenßen und Partner", sagt er und deutet auf den ausgeschalteten Flachbildfernseher, "das hat gar nichts mit dem echten Alltag eines Detektivs zu tun." Der Job sei nicht spektakulär, sondern meistens stinklangweilig. Oft warte man Stunden, bis sich etwas tut. Und tolle, schnelle Autos konnte er sich auch nicht leisten.

18,50 Euro brutto zahlte ihm etwa der Discounter Aldi pro Stunde. An- und Abreise musste er selber tragen. Häufig fuhr er mehrere hundert Kilometer am Tag. Sein Revier bei Aldi erstreckte sich zwischen Füssen, Oberschwaben und der Nordschweiz.

Sechs Tage die Woche, immer in irgendeiner anderen Filiale. Stundenlang saß er dann dort vor den krisseligen Bildschirmen im Abstellraum und hielt die acht bis zwölf Kameras, die in jeder Filiale installiert sind, im Auge. Erwischte er mal einen Dieb, zahlte ihm der Discounter 25 Euro Fangprämie.

Ab und zu flatterte mal ein besser bezahlter Auftrag rein, aber auch das war nur Routinearbeit. Ein paar gehörnte Frauen nahmen ihn in Anspruch, um ihre Ehemänner zu überwachen, das ein oder andere Unternehmen beauftragte ihn damit, herauszufinden, ob ein Mitarbeiter blau macht oder tatsächlich im Bett liegt. "Meistens lungerst du dann vor dem Haus im Auto, der Motor ist natürlich aus und du sitzt und sitzt und denkst: Kommt der Depp mal endlich aus dem Haus, mir ist kalt."

Das harte Leben eines Ladendetektives

Nur einmal in seiner Karriere gab es eine Verfolgungsjagd. Er versuchte, einen Mann zu beschatten, der krankgeschrieben war, nebenher aber ein Restaurant leitete. "Der Typ fuhr immer so schnell, dass wir Mühe hatten, an ihm dran zu bleiben." Hätte ein magnetischer GPS-Empfänger wie in den Detektivsendungen nicht geholfen? "Ach, ich habe den technischen Schnickschnack ausprobiert, das Zeug ist sehr störanfällig." Also verfolgte Paul den Mann drei Tage lang, ehe er wusste, wo er nebenher arbeitete. "Bei solchen Aufträgen konnte man ordentliche Stundensätze abrechnen, auch Spesen", sagt Paul. Aber das war ein seltener Fall.

Als Ladendetektiv ist das Leben hart. "Nötig wäre eine richtige Ausbildung, wie bei der Polizei. Mit Gesetzeskunde und vor allem Sprachen. Was ich schon für Berichte gelesen habe in einem vogelwilden Deutsch", klagt Paul. Tatsächlich ist der Detektivjob völlig ungeschützt. Jeder kann sich jederzeit Detektiv nennen. Die einzige Voraussetzung: eine Sachkundeprüfung für das Bewachungsgewerbe, gemäß Paragraf 34a der Gewerbeordnung. In einer Woche kann man die Punkte lernen - und den Gewerbeschein erhalten. Und das Angebot an Privatschnüfflern wird immer größer: Die Arbeitsagenturen zahlen Arbeitslosen gerne die entsprechende Fortbildung. Mit einem Gründerzuschuss sind viele dann sogar noch billiger für die Discounter.

Vielleicht sogar so billig, dass Detektive künftig sogar angeheuert werden, um Kunden und Mitarbeiter systematisch zu überwachen, wie es einst beim Aldi-Konkurrenten Lidl? Wolfgang Paul schüttelt den Kopf: "Ich habe in meiner Zeit bei Aldi vielleicht zehn Mal versteckte Kameras installiert." Jedes Mal, sagt er, habe es einen begründeten Anfangsverdacht gegeben. "Ich hätte schon gerne eine Kamera in der Umkleidekabine gehabt, um manchen Mitarbeiter zu überführen. Aber das durfte ich nicht." Ist Aldi also besser als Lidl? "Ach was, bei Aldi hat man doch bloß nicht systematisch überwacht, weil es den Managern schlicht zu teuer war."

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