Bertelsmann:Rosskur in Gütersloh

Bei Bertelsmann sollen offenbar bis Ende kommenden Jahres rund 10.000 Jobs wegfallen - eine Bewährungschance für Finanzchef Thomas Rabe.

Hans-Jürgen Jakobs

Als Finanzchef ist Thomas Rabe, 43, im Gütersloher Medienhaus Bertelsmann eine besondere Größe. Der einstige TV-Manager gilt als welterfahren, zahlengenau, ehrgeizig. So ehrgeizig, dass zuerst der Fernsehkonzern Pro Sieben Sat1 und dann die Handelsgruppe Haniel ihn haben wollte. Bertelsmann-Eigentümerin Liz Mohn, 67, und Aufsichtsratschef Gunter Thielen, 66, ließen ihn nicht ziehen. Der Mann wird gebraucht.

Rabe, AP

Finanzchef Thomas Rabe - fährt er bei Bertelsmann den radikalen Sparkurs?

(Foto: Foto: AP)

Derzeit zieht Rabe ein Großprojekt durch, das dem kriselnden Konzern die Zukunft sichern soll: Die Kosten müssen runter, und zwar drastisch - und die von Bürokratismus nicht freie AG muss wieder schneller werden. Bis Ende 2010 sollen rund 10.000 Jobs wegfallen, berichtet das Fachmagazin Werben & Verkaufen - das wäre fast jeder zehnte Arbeitsplatz. Es gehe nicht nur "um einen nachhaltigen Kosteneffekt", sagt Rabe, sondern auch darum, "dauerhaft an Handlungsfähigkeit und Handlungsgeschwindigkeit zu gewinnen". Anders ausgedrückt: Hier droht ein Tanker auf Grund zu laufen.

Ober-Sanierer Rabe sprach intern bei Bertelsmann im Intranet ("BeNet") über das im April angelaufene "Overhead-Projekt". Hier solle alles analysiert, dann optimiert werden: die Chefabteilungen, die Stäbe mit den Helfern, die Verwaltungseinheiten. Die Zentrale in Gütersloh und alle Divisionen sind involviert: das Fernsehgeschäft der RTL Group, das seit Langem für den Geldsegen zuständig ist, nun aber unter der Werbeflaute leidet; das Druck- und Dienstleistungsgeschäft von Arvato, das bei kleiner Rendite viel Personal erfordert; der Großverlag Gruner + Jahr (Stern, Geo, Brigitte), der sich in reifen Märkten tummelt; sowie der Buchverleger Random House, der im fernen New York um Klasse ringt.

"Die Wirtschaftskrise ist der Auslöser für dieses Projekt", erklärt Rabe frank und frei. Alle müssten ihren Beitrag leisten, das Projekt sei "ergebnisoffen". Als unternehmerischer Fitnesstrainer haben die Gütersloher, wie schon oft in der Vergangenheit, die Unternehmensberater von McKinsey geholt. Sie bekommen für ihren westfälischen Landausflug laut Rabe einen niedrigen sechsstelligen Betrag.

Die Last der Schulden

Der Zeitplan steht fest: Ende Mai sind alle Daten gesammelt, dann wird einen Monat lang ausgewertet. Anschließend ist Handeln angesagt: "Ab Spätsommer werden die Maßnahmen umgesetzt", kündigt Rabe an. Jeder Geschäftsbereich verantwortet für sich das Notwendige. "Eine zentrale Steuerung gibt es nicht", erklärt Bertelsmann offiziell. Es handele sich um ein "umfangreiches Kostensenkungsprogramm", das die Ertragskraft absichere. Und: "In einigen Bereichen kann dabei auch ein Abbau von Personal nicht ausgeschlossen werden, auch wenn dies nicht im Vordergrund steht."

Tatsächlich hat Konzernchef Hartmut Ostrowski, 51, wenig Erbauliches zu melden. Im ersten Quartal 2009 machte Bertelsmann 78 Millionen Euro Verlust; der Erlös schrumpfte um fast acht Prozent. Schon im Gesamtjahr 2008 sank der Umsatz von 18,8 Milliarden auf nur noch 16,1 Milliarden Euro, weil die Bertelsmann Music Group verkauft wurde. Die Eignerfamilie Mohn braucht Geld, um die drückenden Schulden (Ende März: 6,7 Milliarden Euro) zurückzuführen.

Ein prekärer Deal - Liz Mohn kaufte den 25-Prozent-Aktionär Albert Frère aus Furcht vor einem Börsengang aus - macht Bertelsmann nun in der Weltwirtschaftskrise zusätzlich zu schaffen. Zudem fehlt dem geradlinigen Vorstandschef Ostrowski in den Augen seiner Kritiker gesellschaftlicher Glanz, Wachstumsfantasie und Kosteneffizienz. "Mehrere hundert Millionen Euro werden eingespart", kündigte er Anfang Mai in der Frankfurter Allgemeinen an. Und versicherte auf Fragen über seinen internen Konkurrenten: "Thomas Rabe und ich arbeiten gut und professionell zusammen."

Liz Mohn wird ihre eigene Meinung dazu haben.

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