Bernie Ecclestone im Visier der Münchner Justiz:Der Herr des Schlangennests

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Bernie Ecclestone hat die Rennszene fest im Griff. Das bekam auch der jetzt angeklagte Ex-Banker Gribkowsky zu spüren: Die Formel 1 sei ein "Schlangennest", Ecclestone spiele alle gegeneinander aus, sagte er vor Gericht. Die Münchner Justiz wird für den Formel-1-Boss zunehmend unbequem - und könnte ihn bald von seinem Thron stürzen.

Elmar Brümmer, Klaus Ott und Nicolas Richter

Er sei "bloody busy", pflegt Bernie Ecclestone zu sagen, wenn er viel um die Ohren hat. Verdammt schwer beschäftigt. In diesen Wochen ist der Boss der Formel 1 besonders "bloody busy". Der Brite will alle Teams langfristig an sein Motorsport-Spektakel binden. Ferrari, Red Bull und andere haben bereits zugesagt, aber einige Unterschriften stehen noch aus, darunter von Mercedes. Die Zahl der Rennen soll steigen, das brächte noch mehr Profit. Und dann ist da noch der geplante Börsengang der Formula One Group, die den Rennzirkus einträglich vermarktet; im Fernsehen, bei Sponsoren, und so weiter. Dass der inzwischen 81-jährige Ecclestone keine Lust hat, zusätzliche Termine einzuschieben, ist verständlich. Er muss sich ja ums große Ganze kümmern, um sein Lebenswerk sozusagen.

Formel-1-Boss Bernie Ecclestone könnte durch die Ermittlungen der Münchner Behörden in Schwierigkeiten geraten. (Foto: Getty Images)

Das Letzte, was der kleine Mann mit der großen Nickelbrille derzeit braucht, wie er selbst sagt, ist ein Termin bei der Münchner Justiz. Viel lieber kommt Ecclestone nächsten Monat zum Hockenheimring, zum Großen Preis von Deutschland. Dass er dort sein wird, gilt als sicher. Ecclestone droht kein Haftbefehl, nachdem der frühere Spitzenbanker Gerhard Gribkowsky vor Gericht gestanden hat, er sei vom Formel-1-Chef mit 44 Millionen Dollar geschmiert worden. Der Brite, gegen den wegen Bestechung ermittelt wird, ist immer angereist, wenn Münchner Richter und Staatsanwälte ihn sprechen wollten. Das werde weiter so sein, versichert Ecclestones Anwalt Sven Thomas. "Mein Mandant hat in diesem Verfahren von der ersten Minute an jederzeit zur Verfügung gestanden und wird das selbstverständlich wieder tun."

Notfalls fährt der Rennsport-Boss erneut nach München, wenn auch widerwillig, um sich neuen Fragen zu stellen, und um seine Version zu bekräftigen: Er sei von Gribkowsky erpresst worden. Wenn Ecclestone deutschen Boden betritt, werden also, da keine Fluchtgefahr vorliegt, keine Handschellen klicken. Und in der Formel-1-Gemeinde, die dieser Tage in Spanien weilt, wo in Valencia das nächste Rennen stattfindet, muss sich der mächtigste Mann des Rennsports derzeit erst recht vor nichts und niemandem fürchten. Ein paar abfällige Bemerkungen des Bosses über den Ex-Banker genügen, um für Ruhe zu sorgen. Gribkowsky sei ein "armer Junge", der seit 18 Monate im Gefängnis sitze und alles erzählt hätte, um sich vor einer langen, langen Haftstrafe zu schützen, sagt Ecclestone.

Der Impresario, wie er auch genannt wird, hat die Rennszene fest im Griff. Wie damals, als Bayerns Landesbank nach der Pleite ihres Kreditkunden Leo Kirch plötzlich dessen Formel-1-Anteile im Portfolio hatte und ihren Vorstand Gribkowsky in diese Welt entsandte. Und der Banker schnell merkte, dass dort ganz andere, eigene Spielregeln galten. Bernies Regeln. Die Formel 1 sei ein "Schlangennest", erzählte Gribkowsky bei seinem Geständnis. Alles laufe auf Bernie zu, er kenne alle Fallgruben, und er spiele alle gegeneinander aus. Und das mit einfachsten Mitteln. Ecclestone genüge ein Büro und ein Handy. Und eine Aktentasche, "kleiner als die des Staatsanwalts", sagte der Ex-Banker bei seinem Geständnis mit Blick auf den ihm gegenüber sitzenden Ankläger.

"Unglaubliche Fähigkeit, Geld zu generieren"

Zwei Aktenschränke fehlen noch, voll mit Verträgen, mit denen Ecclestone ein Firmengeflecht rund um den Rennsport aufgebaut habe. Verträge, die Bernie offenbar nach Belieben hin- und herschieben könne, zum eigenen Vorteil, wie Gribkowsky schilderte. Ecclestone besitze eine "unglaubliche Fähigkeit, Geld zu generieren". Und zu kassieren. "Bei denen, die da im Kreise fahren", bei den Teams, von Ferrari bis Mercedes, komme nur der kleinere Teil des Geld an. "Der Rest bleibt woanders."

Wie schafft der Brite das nur? Indem er Vertraute an den entscheidenden Stellen platziert. Indem er Leute ausschickt, die gezielt Informationen streuen und sammeln. Irgendwann war sogar Gribkowsky einer dieser "Laufburschen" geworden, wie das Gericht anmerkte. Manchmal genügen ganz einfache Mittel, um Macht zu demonstrieren. Als Gribkowsky mit Ecclestone noch im Clinch lag, war bei einem Rennen plötzlich der Pass gesperrt, der dem Banker Zutritt zum innersten Zirkel gewährt. Dorthin, wo auch das legendäre Wohnmobil steht, in dem der Formel-1-Boss Hof hält. Wer da fehlt, ist abgeschnitten von allem, bekommt nichts mehr mit. Diesen Pass zu haben, oder nicht zu haben, sei der Unterschied zwischen Himmel und Hölle.

Gribkowsky erzählt das mit Bewunderung für Ecclestone, über dessen Methoden man streiten könne, dessen "beachtliche Lebensleistung" aber Respekt verdiene. Respekt haben sie alle vor Bernie; in der Formel 1. Die einzigen, die ihm in nächster Zeit wirklich gefährlich werden können, sind Münchner Staatsanwälte und Richter. Das Ermittlungsverfahren gegen den Briten fällt mitten in die Verhandlungen über einen neuen Concorde-Vertrag, der die Geldverteilung in der Formel 1 regelt. Nicht nur Mercedes fühlt sich benachteiligt. Auch andere Teams beklagen zu niedrige Erlöse. Manche bemängeln auch, dass kein Nachfolger für den 81-Jährigen in Sicht sei. Doch einen offenen Aufstand wagt niemand.

Nicht einmal jetzt, da der bereits vertagte Börsengang der Formula One Group, der drei Milliarden Dollar bringen soll, noch weiter verschoben werden könnte. Investoren mögen keine offenen Fälle bei der Justiz. Doch erst eine Anklage und ein Urteil gegen Ecclestone könnten zu seinem Rücktritt führen. Der Brite beteuert aber seine Unschuld ("Ich habe nichts zu verbergen") und will noch ein paar Jahre Formel-1-Chef bleiben. Trotz seines Alters. "Ich habe derzeit nicht die Absicht zu sterben", hat Ecclestone vor der neuen Rennsaison verkündet. (Sport)

© SZ vom 22.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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