Bernard Madoff:Ende einer Schneeball-Schlacht

Vermögensverwalter, Prominente und Banken fielen auf Bernard Madoff herein. Erst allmählich kommt Licht in den Fall.

N. Piper, New York

Die Firma Bernard L. Madoff Investment Securities LLC war vornehm und diskret. Die Selbstdarstellung im Internet begann mit den Worten: "Hier steht der Name des Eigentümers an der Tür." Dieser Eigentümer, Bernard Madoff eben, habe ein persönliches Interesse daran, "die hohen ethischen Standards zu sichern, die die Firma immer ausgezeichnet haben".

Madoff, AP

Brachte etliche Anleger um Milliarden: Bernard Madoff.

(Foto: Foto: AP)

Am Freitag wurde Madoffs Internet-Seite abgeschaltet und unter www.madoff.com findet sich heute nur noch die dürre Mitteilung eines Richters aus Manhattan, dass er einen Konkursverwalter für die Firma eingesetzt hat. Zuvor hatten Beamte der Bundespolizei FBI den 70-jährigen Madoff in seiner Wohnung verhaftet. "Es war alles eine große Lüge," bekannte er ohne Umschweife.

Nach den bisherigen Erkenntnissen organisierte der bis Donnerstag hoch angesehene Mann den größten Anlagebetrug der Geschichte. Er selbst beziffert den Schaden auf 50 Milliarden Dollar. Madoff sammelte das Geld der Anleger ein und versprach ihnen hohe, gleichbleibende Renditen. In Wirklichkeit betrieb er ein gigantisches Schneeball-System: Er nahm das Geld neuer Investoren, um damit die Schein-Gewinne anderer zu bezahlen. Das System brach zusammen, als zu viele Anleger ihr Geld zurück haben wollten - insgesamt sieben Milliarden Dollar.

Die Folgen werden weit größer sein, als ursprünglich vermutet. Zu den Kunden Madoffs gehörten nicht nur prominente Privatleute, sondern Banken und Fondsmanager auf der ganzen Welt. Betroffen sind zum Beispiel drei namhafte Hedgefonds: Fairfield Greenwich, Tremont Capital und Maxam Capital. Alle sind sogenannte "Fonds von Hedgefonds", also Fonds, die das Geld ihrer Anleger in andere Hedgefonds investieren. Allein Maxam meldete einen Verlust von 280 Millionen Dollar durch den Betrug.

Nur auf Einladung

"Wegen Madoff wird der Druck auf die gesamte Hedgefonds-Branche zunehmen," sagt George Canellos, Partner der New Yorker Kanzlei Milbank. "Ich rechne mit einer Welle von Rückzahlungsforderungen weil das Vertrauen in die Integrität der Fonds-Manager insgesamt gelitten hat." Wenn Anleger ihr Geld zurückfordern, sind die Fonds gezwungen, Vermögenswerte zu verkaufen, dies dürfte die Aktienkurse an der Wall Street auf absehbare Zeit weiter belasten. Zu den Geschädigten von Madoff gehören außerdem so unterschiedliche Anleger wie die französische Bank BNP Paribas, eine gemeinnützige Stiftung aus Florida, der frühere Eigentümer der Football-Mannschaft der Philadelphia Eagles, Norman Braman, und Fred Wilpon, Eigentümer der New York Mets, einem bekannten Baseball-Team. Wilpon war außerdem Verwaltungsratschef von GMAC, der Finanztochter von General Motors.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die Masche des Betrügers.

Ende einer Schneeball-Schlacht

Bernard Madoffs Masche war seine Vornehmheit. Er betrieb auf der einen Seite eine normale Finanzfirma, die sich einen Namen als "Market Maker" gemacht hatte, also als Vermittler zwischen Käufern und Verkäufern großer Aktienpakete. Er wirkte beim Aufbau der Computerbörse Nasdaq mit und leitete viele Jahre dessen Verwaltungsrat. Dass er nebenher auch als Vermögensverwalter tätig war, wussten die meisten nicht. Als Anleger wurde man nur "auf Einladung" akzeptiert, Madoff sprach seine Klienten am Rande von Wohltätigkeitsveranstaltungen und in Country Clubs an. Außerdem brachte er viele andere Geldverwalter dazu, ihm ihr Geld anzuvertrauen. Viele dieser Firmen müssen jetzt ihrerseits mit Klagen ihrer Kunden rechnen.

Vieles an dem Fall ist bisher noch unklar. Zum Beispiel die Frage, wie viele der Milliarden Madoff tatsächlich investiert hat und wie viel er stattdessen einfach für sich abzweigte. Madoff besitzt unter anderem eine Wohnung an Manhattans vornehmer Upper Eastside, ein Haus in Roslyn im Bundesstaat New York und ein großes Anwesen auf Long Island. Rätselhaft ist auch, warum Madoff sein Schneeball-System so lange ungestört betreiben konnte.

Frühe Hinweise

Die Börsenaufsicht SEC untersuchte dessen Firma zwar im Jahre 2005, fand aber außer drei Bagatellen, in denen Aktienaufträge nicht zu dem für den Kunden besten Preis ausgeführt wurden, nichts Anstößiges. Dabei hatte es schon früh Warnungen gegeben. Harry Markopolos, ein Anlageexperte, der früher für einen Konkurrenten von Madoff arbeitete, zeigte 1999 Madoff bei der Börsenaufsicht SEC an. Er hatte dessen angebliche Anlagestrategie nachgerechnet und kam zu dem Ergebnis, dass dessen Renditen unmöglich real sein konnten. "Madoff Securities ist das größte Schneeball-System der Welt," schrieb Markopolos damals an die SEC. Er war stutzig geworden, weil Madoff behauptete, mit Investitionen in den Standard & Poor's Index Renditen von acht bis zehn Prozent zu erzielen, auch in Zeiten, in denen der Index im Keller war.

Offenbar verstand es Madoff meisterhaft, Menschen zu blenden, auch Politiker. Zwischen 2000 und 2008 spendete er 100.000 Dollar an die Demokratische Partei und 23.000 Dollar an einzelne Kandidaten, darunter an den für die Finanzmärkte zuständigen New Yorker Senator Charles Schumer. Der frühere Chef der SEC, Arthur Levitt, berief Madoff 2000 als Berater für Fragen des Computerhandels an den Börsen. Jetzt äußerte sich Levitt völlig entsetzt im Sender Bloomberg TV. Er habe "die Rollläden heruntergelassen" was Madoffs Geschäfte betrifft. "Ich kannte ihn seit 35 Jahren und ich bin absolut überrascht."

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