Benzinpreis:High Noon an der Zapfsäule

Länder wie Österreich kontrollieren die Benzinpreise. Das begeistert deutsche Politiker - und stößt auf den Widerstand von Mineralölverband und ADAC. Ein Überblick über die Modelle, die es der Bundesregierung angetan haben.

Corinna Nohn

Tanken ist in Deutschland ein taktisches Manöver. Das war schon klar, bevor das Bundeskartellamt rügte, dass die großen Mineralölkonzerne ein Oligopol bilden. Jeder Autofahrer hat seine eigene Theorie, an welchen Tagen der Sprit besonders teuer ist, und jeder freut sich, wenn er kurz vor einer Preiserhöhung vollgetankt hat. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) geht sogar davon aus, dass deutsche Autofahrer ständig damit befasst sind, zur rechten Zeit an der richtigen Zapfsäule vorzufahren. Jedenfalls möchte er nicht, dass die Verbraucher "alle fünf Minuten auf den Benzinpreis gucken müssen", wie er dem Handelsblatt erklärte. Deshalb werde die Regierung nun "intensiv diskutieren", den Mineralölkonzernen zu untersagen, ihre Preise täglich mehrfach zu ändern. Zuvor hatte sich bereits Peter Ramsauer (CSU) dafür ausgesprochen, dass die Ölkonzerne den Sprit nur noch einmal täglich verteuern dürfen und das 24 Stunden vorher ankündigen müssen. Der Verkehrsminister nannte Australien als Vorbild.

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In Österreich und Westaustralien darf der Benzinpreis, einmal bekanntgegeben, für 24 Stunden nicht steigen. Jetzt wird auch in Deutschland über diese Modelle diskutiert.

(Foto: ddp)

Das Modell Australien

Eigentlich geht es um das "westaustralische Modell". Denn die Idee, die Regelung aufs ganze Land zu übertragen, scheiterte. Im Bundesstaat Westaustralien, wo knapp 2,3 Millionen Leute und damit in etwa so viele wie in Sachsen-Anhalt leben, gilt seit 2001: Tankstellen müssen eine Verteuerung bis 14 Uhr des Vortags angekündigt haben und den Preis von sechs Uhr morgens an 24 Stunden beibehalten. Um den Wettbewerb zu fördern, dürfen Tankstellen ihr Benzin von zwei verschiedenen Großhändlern beziehen. Der Senat blockierte die Ausweitung der 24-Stunden-Regel auf das ganze Land, weil er den Erfolg anzweifelte und die Gegebenheiten in dem riesigen Staat unterschiedlich sind. Auf manchen einsamen Straßen kann ein Autofahrer froh sein, wenn er überhaupt eine Tankstelle findet. Und dort ist es einfach teurer, Benzin bereitzustellen.

Das Modell Österreich

Auch in Österreich müht sich die Politik, die Spritpreise zu kontrollieren. Seit dem 1. Januar 2011 dürfen Tankstellenbetreiber dort nur einmal täglich, und zwar um zwölf Uhr, die Preise hochsetzen. Nun, so die Befürworter, könnten sich die Verbraucher nachmittags darauf verlassen, dass der Preis erst mal nicht mehr steigt - fallen darf er jederzeit. Tatsächlich habe die Regel aber dazu geführt, dass viele Autofahrer "um fünf vor zwölf zur Tankstelle fahren", sagt Jürgen Albrecht, Kraftstoffmarktexperte des ADAC. "Dort wird nun diskutiert, wie jemand zu behandeln ist, der zwar um 11.50 Uhr auf den Hof gefahren ist, aber wegen des großen Andrangs erst nach der Preiserhöhung tanken kann." Das Kartellamt hatte das Modell in seinem Zwischenbericht zum Kraftstoffmarkt für Deutschland verworfen.

Das Modell Luxemburg

In Luxemburg sind die Steuern auf den Sprit niedriger als in den Nachbarländern. Entsprechend tankt hier jeder, der das Land durchquert oder knapp hinter den Grenzen zu Deutschland oder Frankreich lebt. Das wiederum verleitet dazu, Benzin teurer zu verkaufen als nötig - die Nettopreise an luxemburgischen Tankstellen sind vergleichsweise hoch. Deswegen hat die Regierung einen komplizierten Schlüssel entwickelt, der die Preisspanne für die Anbieter vorgibt; in die Berechnung fließen etwa die Mineralölpreise an den Börsen und die Preisentwicklung in der Vergangenheit ein.

Das Modell Deutschland?

Der Mineralölverband und der ADAC sind sich ausnahmsweise einig: Keines dieser Modelle eigne sich für Deutschland. Beide verweisen lieber auf die hohen steuerlichen Abgaben, die etwa 60 Prozent des Benzinpreises ausmachen. "Wir haben Verständnis für den Ärger der Kunden über schwankende Preise. Aber Wettbewerb und schwankende Preise sind untrennbar miteinander verbunden", sagt Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV). Die Politik müsse sich entscheiden zwischen stabilen Preisen oder niedrigen Preisen.

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