BenQ:Abschied von der Zukunft

Selten wurde eine weltumspannende Marke so schnell ruiniert wie die Handy-Sparte von Siemens.

Nina Bovensiepen, Sebastian Heiser und Ulrich Schäfer

Als Heinrich von Pierer noch Vorstandschef von Siemens war, führte er Journalisten gern die neuesten Handy-Kreationen seines Konzerns vor: Mit denen werde er künftig seinen Enkeln Fotos vom Großvater schicken.

BenQ: Stopschild vor der Produktionshalle des Handyherstellers BenQ in Kamp-Lintfort.

Stopschild vor der Produktionshalle des Handyherstellers BenQ in Kamp-Lintfort.

(Foto: Foto: AP)

Als Klaus Kleinfeld Pierers Amt übernahm, versenkte er spätabends ein Gerät der Konkurrenz im Wasserglas: Mit denen, sollte das wohl heißen, werden wir schon fertig. Und als dann vor einem Jahr der taiwanesische Konkurrent BenQ die Handy-Sparte von Siemens übernahm, glaubten alle Beteiligten immer noch an eine rosige Zukunft: ,,Wir werden'', versicherte BenQ-Vizepräsident Jerry Wang, ,,auch noch in fünf Jahren in Deutschland Handys herstellen.''

Nach nur einem Jahr ist damit nun Schluss. BenQ Mobile ist in Deutschland pleite. 3000 Mitarbeiter müssen um ihren Job fürchten. Und nicht nur bei den Beschäftigten ist die Aufregung deshalb groß. Denn selten zuvor hat sich ein deutscher Konzern so abrupt aus einer Zukunftstechnologie verabschiedet wie der Siemens-Konzern.

Ungläubigkeit

Auch Gewerkschafter und Politiker mochten nicht glauben, dass von der riesigen Handy-Sparte des Siemens-Konzerns und dessen Produktion in Deutschland nun endgültig nichts mehr übrig bleiben soll.

,,Die bevorstehende Insolvenz von BenQ ist Folge des eklatanten Versagens des Managements'', schimpfte der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer. Ein Unternehmen wie Siemens müsse sich ,,darüber im Klaren sein, dass es die Verantwortung für die Arbeitsplätze, aber auch für die Handyproduktion nicht einfach durch einen Verkauf abgeben kann'', meint der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend.

Und Fritz Kuhn, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, meint: ,,Für mich stellt sich die Frage, ob der Siemens-Vorstand beim Verkauf der Handy-Sparte diese Entwicklung hätte sehen müssen und ob man das gründlich genug geprüft hat.''

Der Grüne kann daher auch nicht verstehen, dass ausgerechnet Kleinfeld und seine Vorstandskollegen einen Gehaltsaufschlag von dreißig Prozent erhalten sollen: ,,Das finde ich unappetitlich. Die Insolvenz von BenQ und die Gehaltserhöhung im Siemens-Vorstand passen nicht zusammen, das ist unanständig.''

"Das riecht nach Selbstbedienungsladen"

Ähnlich sieht das der SPD-Bundestagsabgeordnete Ottmar Schreiner: ,,Das riecht wirklich nach Selbstbedienungsladen. Einer, der von dem Gehaltsplus profitiert, war selber mal für die Siemens-Handys verantwortlich: Rudi Lamprecht hatte als Chef einst über den ,,Wachstumskurs'' von Siemens Mobile geschwärmt. Noch im Jahr 2000 träumte er davon, jährlich nicht bloß elf Millionen, sondern 60 Millionen Handys zu verkaufen.

Abschied von der Zukunft

Fünf Jahre später, als BenQ übernahm, waren es nicht einmal die Hälfte. Während Nokia und Motorola fast die Hälfte des Markts beherrschten, kam Siemens nur auf einen Anteil von acht Prozent, zuletzt dann sogar nur auf 5,5 Prozent.

BenQ: Marktanteile der größten Hersteller.

Marktanteile der größten Hersteller.

(Foto: Grafik: SZ)

Siemens war es nicht gelungen, in einem einstigen Kerngeschäft, der Telekommunikation, den Wandel vom staatlichen Hoflieferanten zum modernen Konzern zu vollziehen: Die Handys von Siemens ließen sich schlechter bedienen als die von Nokia oder Motorola, auch ihr Design traf lange Zeit nicht den Geschmack der Kunden.

Zu teuer

Schon 2001 begann Siemens deshalb damit, einen Partner zu suchen. Der amerikanische Konkurrent Motorola winkte gleich mehrmals ab; andere Interessenten zogen sich zurück, weil ihnen die Fertigung in den deutschen Werken zu teuer war.

Seinen Beschäftigten in Bocholt und Kamp-Lintfort mutete Siemens derweil einiges zu: Sie erklärten sich vor zwei Jahren bereit, ihre Wochenarbeitszeit von 35 auf 40 Stunden zu erhöhen, damit die Jobs in Deutschland bleiben.

Als sich die Krise der Handysparte Anfang 2005 verschärfte, fand Kleinfeld schließlich doch noch einen Käufer in Fernost: BenQ in Taiwan, eine Ausgründung aus dem Acer-Konzern.

Sogar noch draufgezahlt

Siemens zahlte für die Trennung damals sogar noch drauf; der neue Eigentümer erhielt eine Mitgift von 250 Millionen Euro. Doch auch die reichte am Ende nicht aus.

Der Düsseldorfer Arbeitsminister Karl-Josef Laumann sprach denn auch von ,,einem schlechter Tag für Nordrhein-Westfalen''. Die Arbeiter in Bocholt und Kamp-Lintfort hätten erhebliche Zugeständnisse gemacht, um ihre Arbeitsplätze zu erhalten. ,,Die Verbitterung der Angestellten'', so Laumann, ,,kann ich verstehen.''

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