Bei uns in Zürich:Fruchtbare Tage

Lea von Bidder gründete ein erfolgreiches Startup und wurde dafür ausgezeichnet - doch kaum einer spricht darüber. Der Grund: Sie verkauft Armbänder, die die Fruchtbarkeit berechnen.

Von Charlotte Theile

Die Geschichte ist eigentlich zu gut, um wahr zu sein. Eine Schweizerin, Mitte 20, gründet ein Unternehmen, das international großen Erfolg hat, mit 26 wird sie im Forbes-Magazin vorgestellt, ihr Produkt verkauft sich in den USA, in Europa, überall. An diesem Mittwoch hat sie eine Auszeichnung als interessantes Start-up der Schweiz bekommen, ein Jahr nach dem Forbes-Artikel, aber immerhin. In den Schweizer Medien, die sonst stets darauf warten, einheimische Talente und Unternehmen vorstellen zu können, kommt die junge Frau trotzdem nur ganz am Rand vor. Der Grund: Das Produkt, das sie anbietet, bringt Radio-Sprecher dazu, verschämt zu nuscheln und auch Tageszeitungen scheinen nicht eben scharf darauf, die Worte "fruchtbare Tage" auf ihre Frontseiten zu drucken.

Lea von Bidder, 27, verkauft Armbänder namens Ava, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 89 Prozent angeben, ob man sich gerade in einem der etwa fünf fruchtbaren Tage im Zyklus befindet oder nicht. Anders als bei anderen Tracking-Diensten muss man hierfür keinen großen Aufwand betreiben, keine Urin-Proben abgeben, keine Temperaturmessgeräte bedienen. Man trägt das Armband nur in der Nacht.

Die Daten, anhand derer Ava den Zyklus vorhersagt, werden auch von zahlreichen anderen Tracking-Diensten verwendet: Puls, Herzschlag, Schlafqualität und Ähnliches. Bisher richtet sich Ava in seiner Ansprache klar an Frauen, die schwanger werden wollen. Ihr Versprechen: Mit dem Armband könne die Zeit, bis es mit dem Kinderwunsch klappe, halbiert werden. Doch Lea von Bidder sagt, sie möchte mehr. Das Armband solle Frauen in sämtlichen Lebensphasen unterstützen - je genauer die Methoden werden, desto mehr kommt das Armband auch als Verhütungsmittel in Frage. Damit stünde Ava plötzlich noch ein anderer, sehr attraktiver Markt offen. Kein Wunder, dass es der Firma gelungen ist, das nötige Risikokapital für eine klinische Studie an der Universität Zürich einzusammeln, Gynäkologen, Investoren und Unternehmer zu begeistern. Bei den Kunden scheint das Produkt ebenfalls gut anzukommen. Die Schweizer Handelszeitung schreibt: "Während in den USA bereits über 10 000 Armbänder verkauft wurden, ist das Produkt seit Jahresanfang auch in Europa auf dem Markt." Dann widmet man sich wieder anderen Start-ups - und den "ausgewiesenen Kennern", die diese Liste ins Leben gerufen haben.

Gründerin Lea von Bidder, die in einer Lokalzeitung als "einsame Kämpferin für eine weiblichere Wirtschaft" beschrieben wird, hat inzwischen ein Büro im Silicon Valley. Vor einigen Monaten schrieb sie im Karrierenetzwerk Linkedin einen Gruß an ihre Heimat. Titel: "Warum Ihre Tochter wohl keine Start-up-Gründerin in der Schweiz sein wird."

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