Bei uns in Tokio:Hilfe, die Touristen kommen!

Japan ist ein beliebtes Reiseziel. Das finden viele gar nicht gut. Die Urlauber seien laut, es seien zu viele - und sie wüssten sich nicht zu benehmen. Die Japaner halten sich streng an ihre Bade-Etikette, und die Chinesen?

Von Christoph Neidhart

Kurz vor den Olympischen Spielen 2020 in Tokio wird Japan eine "Abreisesteuer" einführen. Ab April 2019 muss jeder Reisende, Japaner oder Ausländer, der das Land verlässt, tausend Yen bezahlen, etwa 7,60 Euro. Mit den 40 Milliarden Yen Einnahmen aus dieser Taxe, 300 Millionen Euro, will Tokio den Tourismus fördern.

Japan erlebt zur Zeit einen Tourismus-Boom. Bis vor zehn Jahren reisten nie mehr als acht Millionen Ausländer pro Jahr nach Japan. 2012 erklärte die Regierung zehn Millionen Besucher zum Ziel. Damit die Zahlen schnell stiegen, ordnete sie damals an, Flugzeug- und Schiffscrews seien ab sofort auch als Besucher zu zählen. Die Manipulation erwies sich als überflüssig, 2013 zählte Nippon 10,3 Millionen Besucher, 2015 fast 20 Millionen, voriges Jahr 28 Millionen. Davon sind nur wenige Prozent Europäer oder Amerikaner, die größten Anteile haben Südkorea, Taiwan und Hongkong und vor allem China.

Inzwischen beklagen sich viele Individualtouristen, die Sehenswürdigkeiten in Kyoto seien überlaufen. In der alten Kaiserstadt ist es auch schwierig geworden, Hotelzimmer zu finden. Die Infrastruktur ist nicht mitgewachsen. Andrerseits gibt es in Kyoto neuerdings viele Läden, die Kimonos für einen Tag vermieten. Die meisten jungen Frauen, die in Kyoto die traditionelle japanische Kleidung tragen, sind inzwischen chinesische Touristinnen.

Immer mehr Japaner beklagen sich über die Touristen, sie seien laut und zu viele - und wüssten sich nicht zu benehmen. In japanischen Hotels gibt meist es ein Gemeinschaftsbad, oft ein Thermalbad. Die Japaner halten sich streng an ihre Bade-Etikette, die die Chinesen wahrscheinlich gar nicht kennen. Hotels, die Reisegruppen aus China beherbergen, sind daher dazu übergegangen, das Bad am Abend eine Stunde für Chinesen zu reservieren. Nach einer kurzen Reinigung dürfen dann nur noch die anderen Gäste ins Bad.

Zur Zeit erheben mehr als 40 Entwicklungs- und Schwellenländer Abreisetaxen. Außerdem viele EU-Staaten, auch Deutschland, eine Steuer auf Flugtickets. Aber nur Japan bestimmt diese Einnahmen ganz für die Tourismusförderung. Bis 2020 will die Regierung 40 Millionen Besucher. Kyoto wird noch voller. Ungewiss ist, ob sie die Abreise-Taxe auch dann noch in die Tourismusförderung stecken will.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: