Bei uns in Rio:Selbst die Bohne ist in der Krise

Nicht nur Fußball, Regierung und Wirtschaft geht es schlecht. Auch die Bohnen werden in Brasilien immer teurer - weil stattdessen Soja angebaut und exportiert wird. Schlimm findet der Agrarminister das nicht.

Von Boris Herrmann

Das Krisenland Brasilien muss sich schon mit genügend Sorgen herumplagen, und es hat gerade noch gefehlt, dass jetzt auch noch das Ibrafe Alarm schlägt. Hinter diesem Kürzel (oder sollte man besser sagen: Längsel?) verbirgt sich eine höchst respektable Institution: das Brasilianische Institut für Bohnen und Hülsenfrüchte.

Die Bewohner des größten Landes Südamerikas mögen im Ruf stehen, ein Volk der Fußballer, der Sambatänzer und der Caipirinhatrinker zu sein. Zunächst einmal sind sie ein Volk der Bohnenesser. In einer Gesellschaft, die zunehmend mit Fettleibigkeit, aber mancherorts auch immer noch mit Unterernährung zu kämpfen hat, gelten Bohnen traditionell als der Vitaminlieferant. Wer in Rio de Janeiro ein Kind zur Welt bringt, bekommt schon im Kreißsaal einen Leitfaden für artgerechte Erziehung ausgehändigt. Einer der Ratschläge der Behörden lautet: "Mindestens fünf Mal pro Woche Bohnen füttern!"

Die meisten Erwachsenen liegen ohnehin deutlich über der empfohlenen Wochenration. Sieben von zehn Brasilianern haben repräsentativen Erhebungen zufolge ihre geliebten schwarzen Feijão täglich auf dem Teller. Zumal sie damit einen köstlichen Eintopf namens Feijoada zuzubereiten wissen. Nachdem aber bereits die Erdölwirtschaft, das Gesundheitswesen, die Polizei, die Fußballnationalelf sowie die Staatspräsidentin in die Krise gerutscht sind, droht jetzt auch noch beim Nationalgericht Ungemach. Nicht auch noch die Bohne, meint man die Brasilianer kollektiv rufen zu hören.

Die neuesten Zahlen des Ibrafe sind schockierend. Demnach ist der Durchschnittspreis für einen Sack Bohnen in diesem Jahr um 33 Prozent gestiegen. In vielen Supermärkten des Landes wurde vor Kurzem die magische Schwelle von zehn Reais (2,70 Euro) pro Kilopackung durchbrochen. Nach Meinung führender Bohnenexperten ist das vor allem einem Paradigmenwechsel in der brasilianischen Agrarindustrie zuzuschreiben. Zuletzt lag der landesweite Jahreskonsum bei rund 3,4 Millionen Tonnen Bohnen, die größtenteils auf heimischen Böden angebaut wurden. In diesem Jahr werden aber jüngsten Hochrechnungen höchstens 2,8 Millionen Tonnen geerntet. Die brasilianischen Landwirte haben die Anbauflächen drastisch reduziert und verlegen sich zunehmend auf Export von Soja - vor allem nach China. Weil der brasilianische Real schwächelt, Soja auf dem Weltmarkt aber in US-Dollar gehandelt wird, lassen sich damit deutlich bessere Geschäfte machen als mit der Bohnenproduktion für die heimischen Küchen. Es ist in diesem Zusammenhang vielleicht nicht unerheblich, dass der Interimspräsident Michel Temer einen gewissen Blairo Maggi zu seinem Interims-Landwirtschaftsminister ernannt hat, Spitzname: der Sojabaron. Maggi schlägt zur Bekämpfung der Bohnenkrise übrigens den Import von Bohnen aus China vor.

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