Bei uns in New York:Finanzminister ausverkauft

Die Broadway-Show über Alexander Hamilton ist ein riesiger Hit. Im normalen Verkauf sind keine Tickets mehr zu kriegen. Doch nicht nur das - um ihn herum ist eine Branche entstanden.

Von Kathrin Werner

Es gibt ein paar Sätze, die jeder in New York ab und zu sagt: "Tauben sind fliegende Ratten" ist so einer, oder "Die Mieten sind verdammt hoch", oder "Hast du den Typ in die U-Bahn pinkeln gesehen?" Jetzt ist noch ein Satz dazugekommen:

"Ich! Muss! Unbedingt! Hamilton! Sehen!"

Die Broadway-Show über Alexander Hamilton, den ersten Finanzminister der USA, ist ein riesiger Hit und im Moment im normalen Ticketverkauf bis Januar komplett ausverkauft. Wer zum Beispiel für diesen Freitag eine Eintrittskarte kaufen will, muss auf dem Sekundärmarkt zwischen 875 Dollar - dann sitzt man ganz, ganz hinten - und 3375 Dollar bezahlen, plus Gebühren. Es gibt eine Online-Lotterie, die für zehn Dollar Tickets für denselben Abend vergibt - aber das ist ziemlich hoffnungslos. Hamilton ist das "Hot Ticket" der Stadt.

Und weil New York nicht nur die Stadt der Hypes ist, sondern auch sehr geschäftstüchtig, ist um Hamilton herum eine richtige kleine Branche entstanden. Da sind natürlich die Weiterverkäufer auf den Online-Kleinanzeigendiensten Ebay und Craigslist. Viele von ihnen sind Betrüger; fast jeden Tag weist das Theater Menschen ab, die unwissentlich gefälschte Tickets gekauft haben. Und dann gibt es noch die Industrie der professionellen Schlangesteher. Jeden Tag gibt der Musical-Betreiber eine kleine Anzahl Tickets an Menschen ab, die bereit waren, sich vor dem Richard-Rodgers-Theater anzustellen, an dessen Fassade der Spruch "Das aufregendste Musical des Jahrzehnts" fast ein wenig höhnisch auf die Wartenden hinableuchtet. Stunden- oder sogar tagelang lungern sie da herum. Es gibt sogar ein Unternehmen, das Schlangesteher vermittelt und für sie kassiert, es heißt Same Ole Line Dudes.

Um die Hamilton-Ticketindustrie ein wenig zu bremsen, hat die Show jetzt die Regeln geändert. Man darf keine Klappstühle, Schlafsäcke und Zelte mehr vor dem Theatereingang aufbauen. Und man muss direkt zur Show gehen, wenn man ein Ticket bekommen hat. "Wir wollen dafür sorgen, dass derjenige, der die Ausdauer hat, auch der Profiteur der Warteschlange ist", sagt Jeffrey Seller, der Chef-Produzent der Show. "Aber diese Camps müssen aufhören, sie sind inzwischen eine richtige öffentliche Belästigung geworden." Aber es wäre nicht New York, wenn niemand eine geschäftstüchtige Idee hätte, um auch das zu umgehen.

Same Ole Line Dudes lässt noch immer Leute vor dem Theater Schlange stehen, sie müssen allerdings mit den Kunden in die Show. Wenn zwei Leute das Musical sehen wollen, müssen sie also vier Tickets kaufen und die Wartezeit bezahlen: 1729 Dollar.

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