Bei uns in New York:Fast fertig, wirklich jetzt

Schon in den Sechzigern spekulierten Immobilienbesitzer der Upper East Side darauf, dass die U-Bahn fertig wird. Das tun sie immer noch.

Von Kathrin Werner

Was lange währt, wird endlich, vielleicht, bald, hoffentlich, zumindest teilweise fertig. Wenn sich die Deutschen über verzögerte Milliarden-Infrastrukturprojekte lustig machen, sollten sie einen Blick über den Teich werfen. New Yorker warten schon seit gut einem Jahrhundert auf ihr eigenes Milliarden-Infrastrukturprojekt: Die U-Bahn-Linie unter der Second Avenue in Manhattan. Die Pläne für die neue Subway-Strecke für die Millionenmetropole waren schon im Jazz-Zeitalter fertig, wurden aber aufgehalten von der Großen Depression, dem Zweiten Weltkrieg, Politiker-Streitereien und der New Yorker Finanzkrise der Siebzigerjahre. Immer und immer wieder kam den Menschen an der Upper East Side der Stadt das Weltgeschehen dazwischen - da sehen die paar Jahre Verspätung eines Berliner Flughafens wie preußische Pünktlichkeit aus.

Im Dezember sollen nun, wenn alles klappt, tatsächlich die ersten drei Stationen der Second Avenue Line eröffnen. Es sei wichtig, den Bahnfahrern zu zeigen, "dass wir unsere Versprechen einhalten", sagte Thomas Prendergast, der Chef des U-Bahn-Betreibers MTA, der New York Times. "Wir sind kurz davor, fertig zu werden." Wie kurz vor fertig die MTA wirklich ist, bleibt allerdings unklar. Schließlich müssen in der Station an der 72. Straße noch die Rolltreppen fertig montiert und das Brandschutz- und Feueralarm-System getestet werden - und was das bedeuten kann, davon können die Berliner Flughafentechniker einiges erzählen. Der erste Teil der Second Avenue Line, gerade einmal drei Haltestellen, hat rund 4,4 Milliarden Dollar gekostet. Irgendwann sollen weitere drei in Harlem hinzukommen. Und noch irgendwann später eine Verbindung in den Südosten Manhattans.

Während Stadtbevölkerung und Besucherzahlen rasant gestiegen sind, ist die New Yorker U-Bahn seit den Vierzigern kaum mehr ausgebaut worden. Im vergangenen Jahr legten die Menschen 1,8 Milliarden Fahrten mit ihr zurück, alle quetschen sich in die gleichen Stationen wie vor Jahrzehnten. Vor allem an der Ostseite der Stadt sind Plattformen und Waggons zur Hauptverkehrszeit nichts für Leute mit Berührungsangst.

Jetzt hat Adi, die Tunnelbohrmaschine, Abhilfe geschaffen: Nach Jahren des Krachs bekommen die Menschen an der Upper East Side nun wohl wirklich ihre U-Bahn-Stationen, die Immobilien der Anlieger wertvoller machen sollen. Das kam sogar in der Fernsehserie "Mad Men" vor: ein New Yorker Immobilienmakler wollte der Serienfigur Peggy Olson eine Wohnung andrehen, deren Wert sich vervierfachen werde, sobald die Second Avenue Line eröffnet wird. Die Szene spielt in den Sechzigerjahren.

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