Bei uns in London:Johannisbeer-Saft für die Queen

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Darf man die Majestät tunken? Durch den Dreck ziehen? Man darf. Schließlich geht es nur um Porträts auf Geldscheinen: Die neue Fünf-Pfund-Note muss darauf getestet werden, ob sie auch was aushält.

Von Björn Finke

Die Königin und der frühere Premier müssen einiges erdulden. Sie werden durch den Dreck gezogen. Werden untergetaucht und zusammengestaucht. An ihnen wird herumgerissen. Dem Mann, der für diese Tortur verantwortlich ist, scheint das zwischendurch selbst nicht ganz geheuer zu sein: "Darf man Ihre Majestät in Schwarze-Johannisbeer-Saft tunken?" fragt Mark Carney. Man darf. Schließlich geht es nur um Portraits auf Geldscheinen. Carney, Chef der Bank of England, stellte jetzt die neue Fünf-Pfund-Note vor, auf deren Rückseite Kriegs-Premier Winston Churchill prangt. Von der Vorderseite schaut gewohnt ausdruckslos Queen Elizabeth II.

Der Schein geht im September in Umlauf, und er ist etwas ganz Besonderes: Erstmals nutzen die britischen Währungshüter für die Noten nicht Papier, sondern Polymer, also Plastik. Die Bank of England folgt damit dem Beispiel früherer Kolonien des Königreichs wie Australien und Kanada. Plastikscheine sind schwieriger zu fälschen, haltbarer und werden nicht so schnell schmutzig. Um die Vorteile anschaulich zu machen, unterzog Notenbank-Chef Carney, selbst Kanadier, die Fünfer bei der Präsentation einem Härtetest. Schulkinder rissen an ihnen herum, Bankmitarbeiter dippten sie in Tee und eben in Johannisbeersaft. Die Scheine überstanden das gut; die Getränke perlten einfach ab und hinterließen keine Farbspuren.

Die große Leistungsschau fand im Blenheim Palace bei Oxford statt, Churchills Geburtsschloss. Der 1965 verstorbene konservative Premier war zuletzt ohnehin wieder in den Schlagzeilen. Im Königreich tobt eine hitzige Debatte darüber, ob das Land aus der Europäischen Union austreten soll, und EU-Freunde wie -Gegner behaupten, Churchill hätte beim Referendum in zwei Wochen ganz sicher in ihrem Sinne abstimmen wollen. Da war die Frage, ob Johannisbeersaft an seinem Konterfei kleben bleibt, eine erfrischende Abwechselung.

Die bisherige Fünf-Pfund-Note bildet die Sozialreformerin Elizabeth Fry ab. Als die Notenbank vor drei Jahren verkündete, Fry in der neuen Version durch Churchill zu ersetzen, kassierten die Währungshüter viel Kritik - und die perlte an ihnen nicht so leicht ab wie Fruchtsaft am Polymer-Schein. Denn nach diesem Wechsel zeigt keine Rückseite von Pfund-Noten mehr eine Frau. Dass von jeder Vorderseite die Königin blickt, besänftigte die Nörgler nicht.

Doch die Bank of England bewies Einsichtsfähigkeit: Im kommenden Jahr löst Jane Austen Charles Darwin auf dem Zehner ab. Die Schriftstellerin wird ebenfalls auf Polymer-Noten gedruckt. Da bleibt sie länger frisch.

© SZ vom 10.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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