Bei uns in London:Ein englisches Pub für China

Chinesische Investoren kaufen einen Gasthof im Nirgendwo nordwestlich von London. Als Kopiervorlage mit prominenten Gästen.

Von Björn Finke

Jetzt auch noch ein Pub: Unternehmen aus China gehören schon seit Jahren zu den wichtigsten Investoren im Vereinigten Königreich. Sie stecken Milliarden in Immobilien und Firmen. Sie besitzen die Kaufhauskette House of Fraser, das berühmte Londoner Spielzeuggeschäft Hamleys und Anteile am Flughafen London-Heathrow. Ein chinesischer Atomkonzern baut zusammen mit einem französischen Energieversorger das erste neue Kernkraftwerk seit einer Generation in England. Im Sommer kauften Chinesen die traditionsreichen Fußballklubs Aston Villa und Wolverhampton Wanderers. In diese umfangreiche Liste von Übernahmezielen reiht sich nun "The Plough" ein. "Der Pflug" ist ein Pub, ein Public House, also eine typisch britische Kneipe.

Der chinesische Investor Sinofortone soll zwei Millionen Pfund für das Gasthaus im Dorf Cadsden, nordwestlich von London, gezahlt haben. Die Chinesen wollen die Kneipe zum Vorbild nehmen für eine Kette englischer Pubs in der Volksrepublik. Solche Pubs verbreiteten sich gerade rasant in China, sagt Sinofortone-Chef Peter Zhang. Er sei "begeistert über dieses neue Abenteuer". Im Königreich stehen gut 50 000 Kneipen Thekenfreunden offen. Dass Sinofortone ausgerechnet diesen Gasthof im Nirgendwo als Kopiervorlage gekauft hat, liegt an dessen Nachbarschaft. Einen kurzen Spaziergang über die Hügel entfernt befindet sich Chequers, der Landsitz des britischen Premierministers, der gerade eine Premierministerin ist.

Darum beehrten in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig Regierungschefs die Kneipe. Theresa Mays Vorgänger David Cameron und seine Frau fanden einen Besuch im Plough 2012 so entspannend, dass sie erst bei der Rückkehr in Chequers merkten, jemanden im Gasthof vergessen zu haben: ihre damals achtjährige Tochter Nancy. Im vorigen Jahr nahm Cameron den chinesischen Präsidenten Xi Jinping mit in den Pub, um ihm die kulinarischen Verlockungen Englands nahezubringen. Die beiden tranken ein Ale, ein kohlensäurearmes Bier, und aßen Fish & Chips. Fotos davon gingen um die Welt, weswegen die Kneipe heute eine Sehenswürdigkeit für chinesische Touristengruppen ist.

Eröffnet Sinofortone demnächst reihenweise "The Plough"-Pubs in der Volksrepublik, müssen Chinesen nicht mehr um die halbe Welt fliegen, um es ihrem Präsidenten gleichzutun. Dabei ist es nicht ohne Ironie, dass englische Pubs in Fernost boomen, denn in der Heimat, in Großbritannien, sinkt ihre Zahl stetig - insgesamt um ein Sechstel in den vergangenen zwanzig Jahren. Im Königreich fehlt den Public Houses wohl einfach der Reiz des Exotischen.

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