Bei uns in London:Der Schatz im Fäkaliensee

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Geld stinkt bekanntlich nicht. Für Gold gilt das auch. Allerdings finden sich erstaunliche Mengen von Gold, Silber und Platin an stark stinkenden Orten: in Abwasserkanälen und Kläranlagen.

Von Björn Finke

Geld stinkt bekanntlich nicht. Für Gold gilt das auch. Allerdings finden sich erstaunliche Mengen von Gold, Silber und Platin an stark stinkenden Orten: in Abwasserkanälen und Kläranlagen. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommen der Wasserversorger Thames Water, der für den Großraum London zuständig ist, und Hazel Prichard, eine Geologin der Universität Cardiff in Wales. Kläranlagen verbrennen den Klärschlamm, also den Dreck, den sie aus dem Schmutzwasser filtern. Thames Water und die Forscherin untersuchten nun die Asche von neun Verbrennungsanlagen auf Edelmetalle - und wurden fündig. Sie schätzen, dass die Untertanen Ihrer Majestät jedes Jahr allein Gold im Wert von umgerechnet 19 Millionen Euro ins Abwasser spülen.

Das stammt beispielsweise von goldenen Ringen und Goldzähnen. Bei jedem Zähneputzen oder Händewaschen reiben Menschen winzigste Partikel ab, die im Ausguss ihre Reise durch das unterirdische Kanalnetz antreten. Eine Reise, die zuverlässig im Klärwerk endet. Zudem enthalten Katalysatoren in Autos Platin, und Spuren davon werden in die Luft geblasen, landen auf der Straße und später im Gully.

Es geht also um Spuren, Partikel. Durchs Abwasser kullern keine Edelmetall-Nuggets. Trotzdem reichert sich im Klärschlamm so viel exquisiter Staub an, dass dessen Konzentration ähnlich hoch sei wie die von Gold im Gestein von Bergwerken, sagt Fachfrau Prichard: Es schlummert ein Schatz im Fäkaliensee. In Großbritannien hebt diesen Schatz jedoch niemand. Anders in Japan. Die Präfektur Nagano, im Nordwesten Tokios, berichtete bereits 2009 voller Stolz, dass eine ihrer Kläranlagen Gold aus Asche gewinne - und zwar 1,89 Kilogramm des Edelmetalls aus jeder Tonne Asche. Das toppt die Ausbeute vieler Minen.

Thames Water plant bislang nicht, in die Goldförderung einzusteigen. Das ist schade, denn der Konzern baut einen neuen unterirdischen Abwasserkanal entlang der Themse. Die Milliardenausgaben dafür werden auf die Rechnung der Kunden draufgeschlagen, die deswegen jedes Jahr im Durchschnitt 30 Euro mehr zahlen sollen. Da wäre es doch besser, Thames Water würde erst einmal das Gold verkaufen, das die Kunden jeden Tag ganz freiwillig in die Leitungen des Unternehmens spülen.

Und nicht nur Edelmetalle spülen die Briten ins Kanalnetz. Im Sommer machte eine Studie Schlagzeilen, derzufolge London die europäische Stadt mit den meisten Spuren von Kokain im Abwasser ist. Ausgeschieden von euphorisierten Toilettengängern. Koks und Gold: Bling-Bling in der Kloake.

© SZ vom 27.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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