Bei uns in Hamburg:Helden in Unterhosen

Lesezeit: 1 min

Wir haben dem norddeutschen Mann bisher unrecht getan. Er galt uns bisher als wortkarg und grummelig, aber er hat doch Charme. In Wahrheit ist er sogar ein ganzer Kerl. Denn: Er kauft sich seine Unterhosen selbst.

Von Angelika Slavik

Wir müssen an dieser Stelle bekennen, das wir dem norddeutschen Mann bisher Unrecht getan haben. Der norddeutsche Mann war in unserer Wahrnehmung bisher ein Wesen von, nun ja, überschaubarem Charme. Wortkarg und grummelig, nicht gerade einer für die großen, melodramatischen Gesten. Ja, mitunter wünschten wir uns, der norddeutsche Mann könnte ein wenig mehr sein wie die Italiener. Ein bisschen mehr Ciao-Bella-ich-zeig-dir-meine-Sammlung-verspiegelter-Sonnenbrillen-und-dann-fahren-wir-auf-meiner-Vespa-in-den-Sonnenuntergang und ein bisschen weniger Noch'n-Bier?.

Tatsächlich haben wir uns täuschen lassen, denn der Norddeutsche, besonders der Hamburger, ist in Wahrheit ein ganzer Kerl. Denn: Er kauft sich seine Unterhosen selbst. Donnerwetter, möchte man jetzt ausrufen, was für ein Mann! Uninformierte mögen nun argumentieren, das sei keine große Leistung, aber da wollen wir doch auf eine Studie verweisen, die das Modeunternehmen Heypaula veröffentlicht hat. Demnach kaufen 73 Prozent der Hamburger Männer ihre Klamotten selbst, was einen hierzulande unerreichten Spitzenwert darstellt. Nur die Berliner kommen mit 72 Prozent noch auf ein ähnliches Level an Selbständigkeit. Der Rest überlässt die gewichtige Frage "Mit Eingriff oder ohne?" offenbar den Frauen ihres Vertrauens.

Besonders verbreitet ist diese Form der Arbeitsteilung in Brandenburg, wo nur jeder zweite Mann selbst einkaufen geht. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil der deutsche Mann, so er sich denn in die Niederungen des Konsums wagt, durchaus weiß, was er tut: Immerhin ist die Retourenquote beim Onlineshopping bei Männerartikeln, die von Männern bestellt werden, dramatisch niedriger als bei jenen, die von Frauen gekauft werden. Gut, vielleicht ist das Studiendesign hier auch ein wenig lückenhaft: Möglicherweise finden die Herren die Sache mit den Retouren auch bloß zu mühsam, lassen die zu klein gekauften Unterhosen hinten im Schrank verstauben und ziehen weiter die alten an. So'n kleines Loch stört doch nicht, oder?

So oder so, wir betrachten den norddeutschen Mann fortan mit anderen Augen. Und den italienischen auch. Dessen Einkaufsgewohnheiten wurden in der Studie zwar nicht erfasst, aber uns ist wieder eingefallen, wo der Durchschnittsitaliener seine schicke Vespa abstellt: zu Hause bei Mutti, die seine Klamotten vielleicht nicht kauft, aber wäscht und bügelt. Da kriegt so ein Bier mit einem schweigsamen Nordlicht doch auf einmal einen völlig neuen Reiz.

© SZ vom 06.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: