Bei uns in Frankfurt:Chinesisches Shopping

Die Banken-Stadt am Main ist bei chinesischen Touristen besonders beliebt. Der kolportierte Grund für dieses Interesse ist eher zufälliger denn schmeichelhafter Natur.

Von Markus Zydra

Der Bürgersteig in der Berliner Straße ist nicht überbreit. Aber zwei kräftige Männer kommen dort gut aneinander vorbei. Doch an diesem Sommertag kam niemand mehr durch. Etwa 30 Einkaufstüten standen im Weg, semiprofessionell bis in Hüfthöhe gestapelt. Ein rundlicher Mann in legerer Sommerkleidung stand dort Wache, die anderen waren weitershoppen. Er kam aus China. Die ersten deutschen Touristen in Italien in den Sechzigerjahren erkannte man am dicken Fotoapparat vor der Brust, die Chinesen erkennt man am Berg aus Einkaufstüten - Porzellan, Elektrogeräte, Schmuck und Uhren sind beliebt. Die Berliner Straße ist ihr Startpunkt. Die Paulskirche liegt direkt gegenüber, die Geschäfte sind nah. Kleingruppen aus zehn bis 15 Menschen schwärmen von dort aus.

Die Mainmetropole ist unter Chinesen besonders beliebt. Der kolportierte Grund dieses gesteigerten Interesses ist eher zufälliger denn schmeichelhafter Natur. Wenn Chinas Wetterfrösche im staatlichen Fernsehen die Aussichten für die ganze Welt präsentieren, so erzählt man sich, sei Frankfurt als einzige deutsche Stadt auf der Europa-Karte eingezeichnet. Auch die Tatsache, dass Frankfurt den größten Flughafen des Landes hat, trägt dazu bei, dass sich die Zahl der Übernachtungen von Chinesen am Main in den vergangenen zehn Jahren fast verdreifacht hat. Das Plus in den ersten fünf Monaten 2016 betrug 18 Prozent. Chinesische Stadtführer sprechen häufig durch kleine Megafone, wenn sie die Geschichte der Stadt referieren. Da muss mancher Café-Gast am Römer mithören, obwohl er das nicht will. Auch durch die Kleinmarkthalle drängt sich mittags immer mal eine Gruppe chinesischer Touristen. Um die Beliebtheit der Markthalle einzugrenzen, hat man dort ein Drehverbot für asiatische TV-Teams verfügt. Man möchte nicht noch mehr Touristen aus Fernost anlocken. Die gucken nur und kaufen nix, heißt es.

Tatsächlich essen Touristen aus China auch in Frankfurt gerne beim Chinesen. Ein wenig stehen sie auch unter Beobachtung. Das liegt daran, dass Chinas Politiker ein Handbuch mit Verhaltensregeln veröffentlicht haben. Man hatte zu Hause den Eindruck gewonnen, dass einige Chinesen im Ausland nicht immer die beste Visitenkarte hinterlassen. Ein Tipp war: Man solle in Deutschland mit dem Finger nur nach Hunden schnippen, nicht nach Menschen. Der Mann in der Berliner Straße schnippte nicht. Er brüllte in sein Handy, den Gesprächspartner auf laut gestellt. Kurz darauf kam der Kleinlaster, um die Einkaufstüten zu verstauen.

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