Bei uns in Frankfurt:Äppelwoi als Pfund

Lesezeit: 1 min

Ob sich die britischen Banker, die der Brexit nach Deutschland spült, in Frankfurt wohl fühlen werden? Immerhin eines verbindet die Briten und die Hessen: die Liebe zum Apfelwein. Nur auf einen Namen wird man sich noch einigen müssen. Cidre oder Äppelwoi?

Von Markus Zydra

Am Roßmarkt fällt der Blick auf die Bankentürme. Der Platz in der Frankfurter Innenstadt diente im 17. Jahrhundert als blutige Richtstätte. Bei einem argentinischen Sidra lässt sich aber auch trefflich über die Zukunft sinnieren. Es stehen große Veränderungen an. Mit dem EU-Austritt Großbritanniens müssen viele britische Banker nach Frankfurt ziehen. Ob sie sich hier wohlfühlen werden? Man kann in Frankfurt leben, ohne Deutsch zu sprechen. Außerdem gibt es britische Pubs. Doch Eskapismus ist meist nicht der richtige Weg zum Glück in der Fremde. Vielleicht trauen sich die Insulaner, dem "Frankfurter" näherzukommen. Der Besuch beim alljährlichen "Apfelweinfestival" am Roßmarkt böte da eine gute Gelegenheit. Dort huldigt man dieser Tage dem Nationalgetränk der Hessen. In Mundart "Ebbelwei" genannt. Die Älteren mögen sich an TV-Moderator Heinz Schenk erinnern, der es mit der Sendung "Zum Blauen Bock" bei Bembel und Äppelwoi (auch diese Schreibweise gibt es) zu bundesweiter Berühmtheit brachte. Viele spotteten damals über den Provinzialismus der Sendung, und mancher schloss in seiner Suada das Getränk mit ein. Angesichts der langen internationalen Geschichte des Äpplers darf man sagen: zu Unrecht. Schon Römer und Griechen sollen den Geschmackswert dieser Alkoholika geschätzt haben. Der Apfelwein wird um 800 nach Christus erstmals urkundlich erwähnt, weiß der Verband der Hessischen Apfelwein- und Fruchtsaft-Keltereien. Im 11. Jahrhundert sollen es die Basken gewesen sein, die nach dem Vorbild der Ölpresse die erste richtige Kelter für die Produktion des "Zagardua" einsetzten. Nach und nach sei der heutige Sagardo (baskisch) oder Sidra (spanisch) zum Hausgetränk in der Bretagne geworden, wo er heute als "Cidre" bekannt ist. Um diese Zeit soll Wilhelm der Eroberer im Zuge der normannischen Invasion den Apfelwein in Fässern von Frankreich nach England gebracht haben. Der "Cider" ist in England bis heute sehr begehrt. Diese Vorliebe ist ein nicht zu unterschätzendes Pfund für Frankfurt im Konkurrenzkampf mit Paris, Dublin und Luxemburg, die auch ganz scharf sind auf den Zuzug britischer Banken. Natürlich haben die ihren "Cidre", doch den Frankfurtern wird schon etwas einfallen, um die Briten von ihrem "Stöffche" zu überzeugen. Nach Hessen kam der Apfelwein übrigens erst im 16. Jahrhundert. Auf der Insel hat man also viel mehr Erfahrung. Hoffentlich spielen die Londoner den Vorteil nicht allzu offensiv aus. Mancher Frankfurter könnte sauer werden.

© SZ vom 18.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: