Bayer-Übernahme von Monsanto:Darum ist der Ruf von Monsanto so schlecht

Bayer kauft den US-Konzern für einen Rekordpreis. Doch das Image von Monsanto ist mies. Das liegt an den vielen Skandalen der Firma.

Von Kathrin Werner, New York

Die Völker der Welt sind sich selten einig. Aber wenn sie auf dieses Unternehmen schauen, rufen alle: Monsanto ist böse. In 400 Städten um den Erdball protestierten die Menschen im Mai gegen den Agrarkonzern, mit Trillerpfeifen und Schildern. Auf denen stand: "Mon$anto is making us $ick". Monsanto macht uns krank. Das "s" im Firmennamen ersetzen die Demonstranten der Welt gern mit einem Dollar-Zeichen. Spitznamen oder Mon-Satan funktionieren in vielen Sprachen. Und der Sänger Neil Young, der einst das Heart of Gold suchte, singt auf seiner Welttournee davon, wie den Bauern nichts übrig bleibt, als Monsantos Saat auszubringen, "bereit für Gift, das ist, was der Konzern will."

Woher kommt der Hass, all die Angst? Was ist das für eine Firma, für die Bayer 66 Milliarden Dollar zahlt? Der neue Konzern hat in der Hand, was die Menschheit isst und was in die Erde dringt. Es ist diese Macht, die vielen Menschen Angst macht. Sie haben das Gefühl, dass diese Macht bei Monsanto in den falschen Händen ist.

Der Aufstieg des Konzerns war rasant. Und wie bei fast jedem rasanten Aufstieg gab es Opfer und Geheimnisse. Greenpeace nennt Monsantos Firmengeschichte "eine Skandalchronik, atemberaubend und lang". Nun wird sie ein Teil der deutschen Wirtschaft. Dabei war der Anfang bescheiden.

1901 gründete der Pharmaangestellte John Francis Queeny in St. Louis eine kleine Chemiefirma und gab ihr den Mädchennamen seiner Frau: Monsanto. Er bekam Startkapital von der Brause-Industrie, sein erstes Produkt war der Süßstoff Saccharin, es wurde zum Welterfolg. Später kamen Desinfektionsmittel und andere Chemikalien dazu.

Das Unternehmen wuchs und gründete 1926 sogar seine eigene Stadt nahe der Firmenzentrale. Dort schrieb der Konzern seine eigenen Umwelt- und Steuergesetze. Das Örtchen Monsanto wurde zu einer Art Müllhalde für den Monsanto-Konzern. Seit den Vierzigerjahren entwickelte das Unternehmen Pflanzengift, Agrarchemie wurde immer wichtiger und zur eigenen Konzernsparte. Später stieß Monsanto alles ab, was nichts mit Landwirtschaft zu tun hatte.

So erfand Monsanto das umstrittene Mittel Roundup Ready

Der große Durchbruch gelang mit Forschung und Zufall. Monsanto produziert seit den Siebzigerjahren das Pflanzenschutzmittel Glyphosat und vermarktet es unter dem Namen Roundup. Es war von Anfang an beliebt bei den Bauern, weil sie es schneller und leichter auf den Feldern verteilen konnten als die Chemie-Cocktails der Konkurrenten. Es sickerte so schnell ein, dass sie kurz darauf schon säen konnten. Der Nachteil: Roundup konnte nur vor der Saat verteilt werden, danach hätte es auch die jungen Pflanzen selbst zerstört, die der Bauer anbauen will, nicht nur das Unkraut.

Auf dem Gelände einer Roundup-Fabrik schwammen Reste des Mittels in einem Becken zusammen mit anderem Abwasser. In diesem Schlick fanden Monsanto-Biologen eine Bakterie, die resistent gegen Glyphosat war. Sie isolierten das Gen, das für die Resistenz zuständig war, und fügten es in andere Pflanzen ein. So entstand Roundup Ready, eine Genmanipulation, die Monsanto seit 1996 für Sojabohnen und danach für etliche Saatgüter wie Mais und Baumwolle einführte.

Monsanto drängte Rivalen vom Markt und erzielte traumhafte Renditen

Es war ein Erfolg für den Konzern, er war plötzlich den Wettbewerbern weit voraus. Die Bauern waren bereit, mehr Geld für die robuste Saat zu bezahlen. Nachdem der Konzern lange nur die Gentechnik an andere verkaufte, wechselte er in den Neunzigerjahren die Strategie und wurde durch Übernahmen selbst zum Saatguthersteller. Monsanto drängte kleinere Rivalen aus dem Markt und erzielte Renditen, von denen andere Chemiekonzerne nur träumten.

Dass der Gewinn zuletzt auf 2,3 Milliarden Dollar leicht sank, liegt an den derzeit schwachen Agrarpreisen. Heute wächst in den USA kaum noch eine Mais-, Soja- oder Baumwollpflanze, deren Erbgut nicht verändert wurde. Mindestens jedes dritte Maiskorn kommt aus den Laboren von Monsanto. Auch deutsche Bauern nutzen Glyphosat auf 30 bis 40 Prozent der Äcker.

Der Konzern verteidigt sich: Er forsche viel

Die EU hat im Juni die Zulassung für den Wirkstoff vorerst verlängert, den Forscher der Weltgesundheitsorganisation WHO als "wahrscheinlich krebserregend" einstuften. Andere Untersuchungen fanden dafür keine Beweise, die EU will weitere Studien abwarten.

Der Konzern sagt wieder und wieder, dass er nichts falsch mache. Roundup sei sicher. Die Bauern entschieden sich freiwillig für die Gen-Saat, daher komme die Marktmacht. Die Landwirte könnten die Welt billiger ernähren wegen der Forschung des Konzerns. 1,5 Milliarden Dollar gibt das Unternehmen im Jahr dafür aus, zehn Prozent des Umsatzes.

Verschiedene Behörden haben versucht, Monsantos Macht zu bremsen, ohne größere Erfolge. Das US-Justizministerium hat zum Beispiel von 2009 an untersucht, ob Monsanto Monopolstrukturen ausnutzt. Auslöser war eine Klage des Rivalen Dupont, der das Roundup-Ready-Gen in sein eigenes Saatgut einfügte, sich aber über den Lizenzvertrag aufregte, der ihm verbot, das Saatgut selbst weiter zu manipulieren. "Monsanto hat die illegal erlangte Monopolmacht missbraucht, um Wettbewerber zu blockieren, Innovation auszubremsen und von Bauern ungerechtfertigte Preiserhöhungen von 100 Prozent in den vergangenen Jahren abzusaugen", schrieb Dupont in den Gerichtsunterlagen. 2012 stellte das US-Justizministerium die Ermittlungen ein, ohne Begründung.

Umweltschützer werfen dem Konzern Bestechung vor

Monsanto gibt jedes Jahr mehr für Lobbyarbeit aus als alle anderen Agrarkonzerne, im vergangenen Jahr waren es laut der Analysegruppe Open Secrets 4,3 Millionen Dollar in den USA. Umweltgruppen halten Politikerbestechung für den Hauptgrund, warum kein Monsanto-Skandal je größere Konsequenzen hatte.

Zum Beispiel, als Monsanto schon 1971 wusste, dass die Dioxine in der Kühlflüssigkeit PCB zu Missbildungen bei Menschen führen können, aber aus Angst vor Klagen jahrelang Untersuchungsergebnisse fälschte. Auch Monsantos erstes genmodifiziertes Produkt, das Rinderwachstumshormon Posilac, löste einen Skandal aus. Es sollte Kühe zu höheren Milchleistungen treiben, führte bei den Tieren aber zu Fruchtbarkeitsstörungen. Monsanto hatte Untersuchungsergebnisse unterdrückt und einen Mitarbeiter der US-Zulassungsbehörde bestochen.

Außerdem produzierte der Konzern das Entlaubungsgift Agent Orange, das die USA im Vietnamkrieg einsetzten. Monsanto entschädigte zwar US-Soldaten, vietnamesische Opfer aber nicht. Ein US-Gericht wies eine Sammelklage 2005 ab, da der Einsatz von Agent Orange "keine chemische Kriegsführung" und darum kein Verstoß gegen internationales Recht gewesen sei. Der Einsatz von Agent Orange war freilich nicht allein die Entscheidung und Schuld des Konzerns. Er trug aber zum Mon-Satan-Image bei. Um diesen Ruf loszuwerden, könnte Bayer nun den Markennamen Monsanto verschwinden lassen. Aber die Geschichte des Konzerns bleibt.

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