Bayer:Monsanto verteufeln? Das ist zu einfach

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Kaum ein Konzern auf dieser Welt ist verhasster als Monsanto. (Foto: REUTERS)

Bayer plant die Übernahme des wohl unbeliebtesten Konzerns der Welt. Das ist riskant - und eine große Chance.

Kommentar von Karl-Heinz Büschemann

Ausgerechnet Monsanto. Der Bayer-Konzern, eines der größten deutschen Unternehmen, will den US-Konkurrenten übernehmen: den Anbieter von genverändertem Saatgut und von umstrittenen Pflanzenschutzmitteln mit Glyphosat; den Konzern, der in vielen Ländern wegen seiner rigorosen Lobby-Praxis erbitterte Feinde hat. Das wird jede Menge Ärger geben. Wohl nur wenige Unternehmen haben einen so schlechten Ruf wie die Firma aus St. Louis im US-Bundesstaat Missouri.

Der Bayer-Plan ist im doppelten Sinn mutig. Sollte es den Leverkusenern gelingen, das Unternehmen zu kaufen, bekommen sie ein wirtschaftliches Problem. Monsanto ist teuer, die Übernahme könnte Bayer 60 Milliarden Dollar kosten, wie Fachleute schätzen. Viele Aktionäre halten das Vorhaben für eine Nummer zu groß; die Bayer-Aktie ist schon gefallen.

Mit der Übernahme macht sich Bayer auch zum Ziel von Aktivisten der globalen Umweltschützerszene. Der Erfinder des Aspirins, dem es als Pharma- und Pflanzenschutzkonzern zuletzt gelungen war, an der Börse fast unbemerkt zum zeitweilig wertvollsten deutschen Unternehmen zu werden, wird wieder in den Fokus der Kritiker rücken. So wie zu den Zeiten, als Bayer ein Chemiekonzern war, bei dem es gelegentlich knallte und stank. Bayer macht sich mit dem Monsanto-Plan zum Politikum. Kaum ein Thema ist in Deutschland emotional so besetzt wie das der Landwirtschaft und der Ernährung. Doch das Management setzt ein Zeichen, mit der geplanten Übernahme bekennt es sich zu einer umstrittenen Technologie.

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Von Bastian Brinkmann

Die Branche spielt Monopoly

Das Kalkül von Bayer ist nüchtern: Die Leverkusener wollen dabei sein und mitverdienen, wenn die Produkte erzeugt werden, die eine moderne Landwirtschaft braucht. Der weltweite Bedarf nach Saatgut und Unkrautvernichtern wird im gleichen Maße zunehmen wie die Bevölkerung wächst. Die Zahl der Erdbewohner wird bis 2050 voraussichtlich von heute sieben Milliarden auf zehn Milliarden Menschen steigen. Die Ackerflächen wachsen aber nicht mit. Der Klimawandel sorgt ebenfalls für Bedarf an neuen Pflanzen und Saaten, und diese Industrie sagt: Ohne die genetische Veränderung von Saatgut ist das nicht zu machen. Das ist für die Leverkusener ein Grund, mit Monsanto den Weltmarktführer auf diesem Gebiet zu kaufen.

Wie hoch die Erwartungen in diesem Markt sind, zeigt sich gerade in einem wilden Monopolyspiel der Branche. Pausenlos gibt es Versuche, Konkurrenten aufzukaufen, um im Wettbewerb Vorteile zu erlangen. Gerade wurde der Schweizer Agrarchemiekonzern Syngenta nach China verkauft. Das Geschäft mit Saatgut und Agrarchemie hat längst eine ähnliche geostrategische Bedeutung wie einst das mit dem Erdöl.

Vieles, was ihre Kritiker der industrialisierten Landwirtschaft vorwerfen, ist berechtigt. Es ist gefährlich, wenn sich Konzerne Patente auf Pflanzen geben lassen, die hohe Preise für lange Zeit garantieren. Es ist dubios, wenn Monsanto einen Unkrautvernichter anbietet und als einziger Anbieter das Saatgut gleich mitliefern kann, das diesem Mittel standhält.

Deutsche Pharma-Konzerne erzeugen ihre genveränderten Arzneien im Ausland

Aber deswegen ist die moderne Landwirtschaft nicht grundsätzlich falsch. Die in Deutschland verbreitete Vorstellung, die Erzeugung von Lebensmitteln für alle Menschen lasse sich mit den kleinbäuerlichen Mitteln des 19. Jahrhunderts erreichen, mag romantisch sein - haltbar ist sie nicht. Es ist zu einfach, sich darauf zu beschränken, Monsanto als eine gewaltige Lebensmittelvergiftungsmaschine zu verteufeln. Die Welt muss Strategien entwickeln, wie eine stetig steigende Bevölkerung ernährt werden kann.

Deutschland lässt genveränderte Lebensmittel nicht zu. Die unerbittlichen Kritiker der Genveränderung bei Pflanzen sollten sich aber vor Augen führen, dass es in diesem Land schon einmal eine Welle des Widerstands gegen Gentechnologie gab. Es war die Kritik an der sogenannten roten Gentechnik für medizinische Zwecke. Die Kritik ist heute verstummt. Es hat sich herumgesprochen, dass durch Genveränderung erzeugte Medikamente Menschenleben retten. Aber diese Industrie ist inzwischen aus Deutschland abgewandert. Sie ist verjagt worden. Deutsche Pharma-Konzerne erzeugen ihre genveränderten modernen Arzneien gegen Krebs oder Diabetes deshalb weitgehend im Ausland.

Der Plan von Bayer auf dem Feld der "grünen" Gentechnik bietet eine Chance. Er wird die Debatte über Sinn und Unsinn der Genmanipulation von Pflanzen neu beleben. Das ist gut und kann dazu führen, dass die Diskussion versachlicht wird. Sollte Bayer dies erreichen, wäre nicht nur dem Unternehmen geholfen, sondern auch dem Land.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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