Bauunternehmerin:"Das ist moderner Menschenhandel"

Eine Unternehmerin erklärt, wie das System der Sub-Sub-Ketten funktioniert.

Interview von Gianna Niewel

Elisabeth Renner, 61, leitet gemeinsam mit ihrem Mann Michael die Münchner Baufirma Renner: einen Familienbetrieb, 80 Festangestellte, sechs Lehrlinge. Seit Jahren kämpft sie gegen Schwarzarbeit in der Branche. Von der Politik fühlt sie sich dabei im Stich gelassen.

SZ: Frau Renner, Sie bekommen laufend billigste Arbeitskräfte angeboten, etwa Maurer oder Eisenflechter. Das muss Sie als Bauunternehmerin doch freuen?

Elisabeth Renner: Von wegen. Das ist moderner Menschenhandel, was da passiert.

Inwiefern?

Es gibt zwei Gruppen von Firmen: Die einen arbeiten, wie es sein sollte. Die melden ihre Mitarbeiter an und versichern sie, zahlen Sozialabgaben und den Mindestlohn. Und es gibt die anderen, die dieses Geld lieber in die eigene Tasche wirtschaften. Das funktioniert besonders gut, wenn man die Aufträge immer weitervergibt.

An Subunternehmer?

Genau. Die Konzerne haben ja kaum noch Festangestellte, außer vielleicht Techniker und Poliere. Ansonsten werden viele Aufträge an Subunternehmer weitergereicht, und die reichen die noch mal weiter. Das führt zu diesen wirren Sub-Sub-Ketten, die niemand mehr durchschauen kann. Schwarzarbeit und Scheinselbständigkeit sind da Tür und Tor geöffnet.

Und der Ehrliche ist der Dumme?

Ich bin es leid, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass sich niemand dafür interessiert. Ich habe allein an Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner 14 Briefe geschrieben und noch einmal ich weiß nicht wie viele an die Münchner Oberbürgermeister.

Die müssen Ihnen doch helfen.

Ach wo, nichts kommt zurück. Oder erst nach Monaten.

Wie das denn?

Uns wird vorgehalten, dass wir die ewig Gestrigen seien. So würde man heute nun einmal arbeiten. Das enttäuscht.

Wie viele öffentlich ausgeschriebene Aufträge haben Sie dieses Jahr bekommen?

Gar keine, wir bewerben uns nicht mehr. Bei Aufträgen der Stadt München ohnehin nicht. Es macht keinen Sinn, für den Papierkorb zu kalkulieren. Bei einem neuen Wohnkomplex der städtischen Gesellschaft GWG lag das billigste Angebot bei dreieinhalb Millionen und das teuerste bei sechseinhalb Millionen Euro. Die Preise für Zement und Ziegelsteine sind ja ähnlich, da ist klar, wo gespart wird: beim Personal. Das billigste Angebot kam zum Zug.

Die Stadt München muss eben sparen.

Falsch gedacht, die Firma ging pleite. Was klar war, bei dem Preis. Oberbürgermeister Dieter Reiter hat damals die Bedenken abgewiegelt. Jetzt stockt der Bau, und der Auftrag muss wohl neu ausgeschrieben werden. Was das kostet!

Sie nehmen aber auch Subunternehmen.

Ja, um die eigenen Arbeitsplätze zu subventionieren. Wir haben 80 Festangestellte und bilden sechs Lehrlinge aus. Mit den Mitarbeitern allein bekämen wir keine Aufträge, weil die Lohnstunden zu teuer sind.

Was versuchen Sie besser zu machen?

Wir schreiben in unseren Verträgen vor, dass die Subunternehmer die Aufträge nicht noch einmal weitergeben dürfen.

Wie kontrollieren Sie Ihre Arbeiter?

Ich lasse mir die vorgeschriebenen Unterlagen zeigen. Aber ich bin weder Polizei noch Zoll, ich bin da auf die Auskunft der Berufsgenossenschaft oder der Sozialkassen angewiesen. Weil wenn irgendetwas unrechtmäßig läuft, etwa die Arbeiter nicht versichert sind, haften wir als Auftraggeber.

Was wünschen Sie sich?

Fairen Wettbewerb. Die Tricksereien schaden allen. Den ehrlichen Firmen, den Sozialkassen. Und wenn die Arbeiter in Rente gehen wollen, heißt es: "Tja, für Sie ist nie was einbezahlt worden."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: