Baurecht:Der Kampf um das Puten-Privileg

Geflügelhaltung - Putenzucht

Der Streit um eine Putenmastanlage am Rand der Eiffel könnte bald auch in Berlin für viel Ärger sorgen - in der Bundesregierung.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Bundesbau- und Umweltministerin Barbara Hendricks will die Privilegien von Landwirten im Baurecht zurückstutzen.
  • Damit provoziert sie Krach mit ihrem Kabinettskollegen, Landwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU.
  • Beide Ressorts streiten wegen diesem und anderen Themen bereits seit Monaten.

Von Michael Bauchmüller, Kristiana Ludwig, Berlin

Das Baugesetzbuch hat Hans-Peter Schick gleich auf dem Schreibtisch liegen, lange schon. Es enthält eine Passage, die ihn quält. Schick ist Bürgermeister von Mechernich, ein 27 000-Einwohner-Städtchen am Rande der Eifel. Ein Bauer will in der Gegend eine Putenmastanlage bauen, zigtausende Hennen sollen darin aufwachsen. "200 Meter von einer Ortslage entfernt", sagt der Bürgermeister, ein CDU-Mann. "Und wir können nichts dagegen tun." Jedenfalls nicht, ohne dass es in der Bundesregierung ordentlich rumst.

Schon vor fünf Jahren wurde eine Bürgerinitiative gegründet, sie heißt "Putenfabrik nein danke". Das Thema wurde zum Politikum, der ganze Stadtrat stellte sich gegen die Mastanlage. Bebauungspläne wurden geändert, Vorrangzonen ausgewiesen. Wäre die Geflügelzucht eine, sagen wir, Chemiefabrik, hätte das klappen können. Nicht aber bei einem landwirtschaftlichen Betrieb.

Landwirte genießen beim Bauen Privilegien

Dafür wiederum sorgt die Passage im Baugesetzbuch, sie heißt "Bauen im Außenbereich". Schick nimmt den Gesetzestext zur Hand, er liest Zeile für Zeile vor. Demnach ist außerhalb von Siedlungen ein Vorhaben nur dann zulässig, wenn es - Ziffer 1 - "einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient". Juristen nennen das die "landwirtschaftliche Privilegierung", und genau darauf beruft sich auch der betroffene Putenmäster. Er hat Klage eingereicht, das Oberverwaltungsgericht Münster prüft sie gerade. "Das Verfahren hat Präzedenzwirkung", glaubt Bürgermeister Schick. "Aber einfacher wäre es natürlich, wenn es auf Bundesebene zu einer Änderung des Baugesetzbuches kommt."

Zufälligerweise ist das auch die Idee der zuständigen Bundesbauministerin. Am Dienstag ist Barbara Hendricks eigens nach Mechernich gereist, um den Bürgermeister zu treffen. "Die Kommunen brauchen mehr Möglichkeiten, solche Anlagen zu steuern", sagt die SPD-Ministerin. So sollten große Mastanlagen nur noch dann zugelassen werden, wenn die Gemeinde einen entsprechenden Bebauungsplan erlässt - sie müsste also dem Vorhaben erst den Weg bereiten.

Umwelt- und Landwirtschaftsministerium liegen seit Monaten im Clinch

Auf drei Seiten legt das Umweltministerium seine Pläne für die Landwirtschaft vor, sie sind voller Verschärfungen. Umweltprüfungen sollen sich nicht mehr so leicht umgehen lassen. Was Ställe an Staub, Ammoniak und üblen Gerüchen in die Umwelt entlassen, soll strengeren Regeln unterworfen werden. Die Vorgaben für die Ausbringung von Jauche, Dünger oder Mist sollen strenger werden, der Verlust von Weideland soll eingegrenzt werden. Was Hendricks nach Mechernich mitbringt, ist mehr als nur eine Lösung für das Problem in Antweiler: Es ist ein Frontalangriff auf ihren Kabinettskollegen Christian Schmidt von der CSU, den zuständigen Minister und Schutzpatron der Landwirte im Bundeskabinett.

Die beiden Ressorts befehden sich seit Monaten. Erst stritten sie über die Zulassung von Genpflanzen, später über die Genehmigung des umstrittenen Pflanzengifts Glyphosat. Als Hendricks ihren Entwurf eines Klimaschutzplans vorlegte, reagierte das Kanzleramt deshalb erst einmal reserviert: Viele ihrer Vorschläge böten "Potenzial für politisch kontroverse Diskussionen", heißt es in einem internen Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Beamten listen dort auf, was für Streit sorgen könnte und deshalb überdacht werden sollte. In einem Großteil der Punkte geht es um Tierhaltung und Öko-Landbau, um Moorböden und Wald - also um Landwirtschaft.

Ihren Schlagabtausch liefern sich die beiden Minister längst in aller Öffentlichkeit. In Interviews beschuldigen sie die jeweils andere Seite, sie übertrete Grenzen des eigenen Ressorts. "Das ist doch kein Überministerium", sagte Christian Schmidt der SZ im Mai. Und als Barbara Hendricks Anfang Juli dem Klima zuliebe einen Verzicht auf Fleisch vorgeschlagen hatte, keilte der Agrarminister in der Bild zurück: "Mal wieder macht die Kollegin Hendricks die Landwirtschaft zum alleinigen Sündenbock." Eine Reaktion, mit der die Umweltministerin bereits gerechnet haben dürfte.

Schmidt und die Landwirtschaft sind dankbare Gegner

Für Hendricks ist Schmidt ein dankbarer, fast alternativloser Gegner. Sie könnte sich auch mit Sigmar Gabriel zoffen, dem Wirtschaftsminister. Nur ist der dummerweise Parteifreund und -chef. Als CSU-Mann eignet sich Schmidt dagegen trefflich für Angriffe, zumal er qua Amt die Interessen der Bauern vertreten muss. Nicht von ungefähr ist Hendricks auch nicht auf eine Einladung hin nach Mechernich gekommen: Das Ministerium selbst hat die Initiative ergriffen - der Fall ist einfach zu gut geeignet für den Öko-Aufschlag gegen die Bauernlobby.

Keine Frage: Der Deutsche Bauernverband lehnt den Vorstoß der Ministerin rundweg ab. Das Baugesetzbuch ermögliche den Betrieben überhaupt ihre Existenz, heißt es dort. Neue Umweltauflagen würden die Kosten der Landwirte in die Höhe treiben und gefährdeten gerade kleine und mittlere Höfe. Solche Auflagen erfüllten dann nur noch die ganz großen Masttieranlagen - und das dürfte Ministerin Hendricks schließlich auch nicht wollen.

Diesen Mittwoch will Hendricks die Bombe in Berlin platzen lassen, doch ganz offensichtlich will sich ihr Kabinettskollege diesmal nicht provozieren lassen. Beim Baurecht wolle der Minister für "einen intelligenten Interessenausgleich" zwischen Landwirten und Anwohnern sorgen: "Wir werden uns den Entwurf in Ruhe ansehen und uns als Bundeslandwirtschaftsministerium einbringen", sagt sein Sprecher. Mal sehen, wie lange er das durchhält.

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