Baumarktkette:Staatsanwälte ermitteln wegen Praktiker-Pleite

Praktiker-Pleite entlastet die Baumarkt-Branche

Ein Jahr nach der Praktiker-Pleite: Das juristische Nachspiel beginnt.

(Foto: dpa)

Vor einem Jahr ging Praktiker, Deutschlands drittgrößte Baumarktkette, pleite: Tausende Mitarbeiter verloren ihre Jobs, die Gläubiger bleiben wohl auf Millionenforderungen sitzen. Nun knöpft sich die Staatsanwaltschaft fünf ehemalige Vorstände vor.

Von Kristina Läsker, Hamburg

Genau ein Jahr liegt die Pleite der Praktiker AG zurück, nun folgt das juristische Nachspiel. Nach SZ-Informationen ermitteln die Staatsanwaltschaften in Saarbrücken und in Hamburg - beides sind ehemalige Firmensitze - offiziell gegen insgesamt fünf einstige Vorstandsmitglieder der Baumarktkette, darunter zwei ehemalige Chefs. "Im Fokus steht der Verdacht der Insolvenzverschleppung", sagt Staatsanwalt Thomas Reinhardt, Sprecher der Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Die Fahnder untersuchen zudem, ob kurz vor der Pleite noch ein Beratervertrag zum Nachteil des Unternehmens und der Gläubiger abgeschlossen worden sei.

Im Zentrum der Ermittlungen stehen die früheren Praktiker-Chefs Thomas Fox und Armin Burger. Letzterer widerspricht allen Vorwürfen aufs schärfste, Thomas Fox war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Kommt der Fall vor Gericht, könnte es unangenehm werden: Insolvenzverschleppung kann mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafen geahndet werden.

Zuletzt hatten die Chefs bei Deutschlands einst drittgrößter Baumarktkette so häufig gewechselt, dass es schwierig ist, Schuldige zu benennen. Es "könne noch keine Aussage darüber getroffen werden, welcher der Beschuldigten überhaupt für eine unterlassene Insolvenzantragsstellung strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnte", sagt Staatsanwalt Reinhardt. Dafür sei entscheidend, wann genau Praktiker zahlungsunfähig war. Über diese heikle Frage soll ein Gutachten Auskunft geben, Ergebnisse erwartet die Staatsanwaltschaft Saarbrücken frühestens im Herbst.

Forderungen in dreistelliger Millionenhöhe

Am 10. Juli 2013 hatte die Praktiker AG einen Insolvenzantrag für das Inlandsgeschäft gestellt. Der börsennotierte Konzern war restlos überschuldet. Kurz darauf riss die Pleite auch die profitable Tochterfirma Max Bahr in den Abgrund. Betroffen waren gut 310 Baumärkte der auf Discount ausgerichteten Praktiker AG und der Marke Max Bahr mit ihrem höherwertigen Sortiment. Betroffen waren auch 14 500 Mitarbeiter in den Filialen und in den Zentralen in Hamburg und im saarländischen Kirkel. Das Aus hatte sich lange angebahnt: Praktiker hatte mit einer jahrelangen Rabattstrategie (Slogan: "20 Prozent auf alles"), Missmanagement und exorbitanten Beraterkosten hohe Verluste eingefahren und war trotz Finanzspritzen von Investoren nicht mehr zu sanieren.

Aus für Baumarktkette Praktiker

Mit Rabatten wollte Praktiker - im Bild eine Filiale in Hannover - Kunden locken. Vergeblich. Am Ende blieb nur der Konkurs.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Vorher hatten sich etliche Manager an der Rettung versucht. Als Erster musste Vorstandschef Wolfgang Werner im Juli 2011 aufgeben, weil die Billigstrategie nicht aufging. Danach leitete der Sanierungsexperte Fox einige Monate das Unternehmen, dann wurde er rausgeworfen. Als Interimschef rückte Aufsichtsratschef Kay Hafner nach. Auch er wurde geschasst und durch Ex-Aldi-Manager Burger ersetzt. Unter ihm ging die Firma endgültig pleite.

Profitiert haben vor allem Rivalen wie Toom, Obi, Hagebau, Bauhaus, Globus und Hornbach. Sie haben sich die attraktivsten Märkte gegriffen. Knapp 200 der 310 Pleite-Märkte wurden neu vermietet. "Marktbereinigung" heißt das im Managersprech und was so nüchtern klingen soll, hat viele Tausend Verlierer: die Menschen, die einst in den Märkten gearbeitet und nun keinen Job mehr haben. Auch die Gläubiger haben viel Geld verloren. Noch ist unklar, wie viel. Die Summe der Forderungen werde sich auf einen dreistelligen Millionenbetrag belaufen, sagt Insolvenzverwalter Christopher Seagon.

Insgesamt wird gegen fünf Vorstandsmitglieder ermittelt, darunter zwei Ex-Chefs

Der Verkauf der Märkte ist unterschiedlich gut gelaufen: Für das Hamburger Traditionshaus Max Bahr hatte es anfangs nach einer Paketlösung ausgesehen. Zwei Rivalen buhlten um die Firma: Einzelhändler Globus und ein Konsortium aus der Baumarktkette Hellwig und Ex-Max-Bahr-Chef Dirk Möhrle wollten Max Bahr als Ganzes kaufen. Doch das scheiterte jeweils am Widerstand der am Deal beteiligten Royal Bank of Scotland. Stattdessen wurde Max Bahr mit den mehr als 3600 Arbeitsplätzen zerpflückt: Fast alle der knapp einstigen 80 Max-Bahr-Märkte sind verkauft, die Hälfte ging an Baumarktbetreiber. Daneben haben auch Möbelhäuser zugelangt. So wurden gut 2800 Arbeitsplätze erhalten oder neu geschaffen, es reichte aber nicht für alle: 800 bis 1000 einstige Max-Bahr-Mitarbeiter seien leer ausgegangen, sagt Ulrich Kruse, Gesamtbetriebsratschef von Max Bahr. "Wir haben aber noch Glück gehabt, dass so viele Märkte in der Baumarktbranche untergekommen sind."

Weniger gut sieht es für die 230 Filialen von Praktiker aus. Bislang seien 120 Läden verkauft worden, sagt Seagon. Bis zur Sommerpause sollen es 150 Märkte sein. Für Mitarbeiter ist die Lage schlechter. Offiziell sind laut Insolvenzverwalter nur 900 Beschäftigte zu neuen Eigentümern gewechselt - erschreckend wenige: Praktiker beschäftigte früher, ohne Max Bahr, mehr als 10 000 Menschen in Deutschland.

Optimistischer schätzt Verdi die Situation ein. Die Gewerkschaft hatte sich für eine Transfergesellschaft starkgemacht. Vollzeitmitarbeiter konnten für maximal sechs Monate dorthin wechseln, um sich bei der Jobsuche und finanziell helfen zu lassen. Von den 14 500 einstigen Arbeitnehmern der Gruppe hätten 7800 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte das Angebot angenommen, sagt Marco Steegmann, Gewerkschaftssekretär für Handel bei Verdi. Von ihnen seien 60 Prozent vermittelt worden, das entspricht mehr als 4600 Angestellten. Es gebe aber auch viele, die keine neue Stelle bekommen hätten, betont Steegmann. "Das ist für die Betroffenen immer bitter." Das größte Pech aber hatten die Minijobber - sie machten gut ein Drittel der gesamten Belegschaft aus. Sie verloren ihren Job und durften nicht in die Transfergesellschaft.

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