Wohnungsbau:Jetzt nicht die Problemviertel von morgen schaffen

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Über 329 neue Wohnungen entstehen an den Pasinger Arcaden in München. (Foto: Stephan Rumpf)

Jeder Neubau entscheidet darüber, ob eine Stadt oder ein Dorf öffentlich belebte Orte werden oder menschenleere Steinwüsten. Eine neue große Koalition braucht eine Vision, was für Gebäude Menschen wirklich brauchen.

Kommentar von Laura Weißmüller

Bezahlbares Wohnen sei die soziale Frage des 21. Jahrhunderts, sagt Natascha Kohnen, bayerische SPD-Politikerin und Chef-Unterhändlerin für den Wohnungsbereich bei den Koalitionsverhandlungen. Am Sonntag präsentierten SPD und Union ein vier Milliarden Euro schweres Paket, das den sozialen und privaten Wohnungsbau anschieben soll. Nur: Das reicht nicht, um die Wohnkrise, die auch eine der Gestaltung ist, zu lindern - im Gegenteil, es könnte sie sogar verschärfen.

Fatal ist die Annahme der Politiker, die Situation zu verbessern, indem man den Bau von Eigenheimen unterstützt, etwa durch ein "Baukindergeld" für Familien. Dem liegt die Hoffnung zugrunde, dass der Markt es richten werde, wenn er nur gestärkt wird. Das wird er aber nicht. Dies haben die vergangenen zehn Jahre gezeigt, in denen die Immobilienpreise in den Städten immer neue Rekorde erzielten und die Mieten explodierten.

Es fehlt eine Qualitätsdebatte

Und was ist mit den zwei Milliarden Euro, die für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen sind? Natürlich ist es gut, dass der Bund sich weiter am öffentlichen Wohnungsbau beteiligt, alles andere wäre angesichts der Wohnungsnot in deutschen Städten verantwortungslos. Aber es braucht mehr als dieses halbherzige Bekenntnis.

Wenn eine neue große Koalition wirklich soziale Verantwortung in der Wohnfrage übernehmen will, dann muss sie die Vision besitzen, dass der Staat - besser als die Privaten - bauen kann, was die Menschen wirklich brauchen: Gute Wohnungen mit garantiert langfristig günstigen Mieten. Genauso wichtig ist es, Gebäude zu entwerfen, die im Sinne des Gemeinwohls errichtet und betreut werden.

Wohnen hat nicht nur etwas mit den eigenen vier Wänden zu tun, sondern auch mit dem Leben vor der Haustür. Jeder Neubau entscheidet, was für ein Stück Stadt oder welches Dorf um ihn herum entsteht, ob Erdgeschoss, Bürgersteig und Vorplatz zu öffentlich belebten Orten werden oder zu menschenleeren Steinwüsten, ob sich ein lebendiges Viertel entwickelt oder die Häuser nur um seelenlose Plätze herum drapiert werden.

Es fehlt eine Qualitätsdebatte. Wie sollen sie aussehen, all die neuen Häuser? Es geht nicht um Details wie die Fassadenfarbe oder Dachform, sondern darum, welche Architektur und welche Wohnformen nötig sind, damit die Gesellschaft zueinander findet. So viel Weit- und Umsicht ist in einer Zeit der Umbrüche viel verlangt. Doch wer jetzt nur möglichst schnell neue Wohnsilos hochzieht, dürfte dabei sein, die Ghettos von morgen zu schaffen.

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