Batavia:Praxistest bestanden

Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

Die Blockchain-Plattform Batavia soll den Warenhandel künftig günstiger und rascher abwickeln. Für Unternehmen hat dies viele Vorteile.

Von Christiane Kaiser-Neubauer

Die Handelsfinanzierung ist durch die Vielzahl beteiligter Akteure entlang der Lieferkette eines der komplexesten Bankgeschäfte im Mittelstand. Technologischer Fortschritt in diesem Bereich kann wichtige Impulse für Unternehmen bringen. Wie das Finanzierungsgeschäft einer Exportlieferung auf Basis einer dezentralen Datenkette, der sogenannten Blockchain, künftig laufen kann, haben Experten der Commerzbank-Entwicklungstochter Main Incubator kürzlich getestet.

Batavia heißt die Finanzierungsplattform, über die der grenzüberschreitende Handel künftig abgewickelt werden soll. "Wir haben mit einem Exporteur und einem Kunden als kleinste Einheit begonnen und über Batavia ein Handelsfinanzierungsgeschäft geschlossen", sagt Nikolaus Giesbert, Bereichsvorstand Rohstoffe und Handelsfinanzierung der Commerzbank. Beteiligte Unternehmen seien Audi als Lieferant, ein Importeur Audis als Käufer sowie neben der Commerzbank die Caixa Bank als Finanzierer. Im Vorjahr ist die Commerzbank der - vom IT-Konzern IBM und der Schweizer UBS gestarteten - Initiative zum Aufbau des globalen Netzwerkes beigetreten. Nachdem die Praxistests bei Kunden wie Audi erfolgreich gelaufen sind, arbeitet Main Incubator seit Anfang April an einer marktreifen Lösung.

Vielen kleinen Firmen fehlt der Zugang zu Handelsfinanzierungen

"Die Handels- und Exportfinanzierung ist sehr aufwendig und arbeitsintensiv, und es fällt viel Papierkram an. Eine Automatisierung dieser Prozesse würde für Unternehmen definitiv Erleichterungen und weniger Kosten bedeuten", sagt Gabriele Vetter, Referatsleiterin Handelsfinanzierung der IHK München. Vielen kleinen Unternehmen fehle überhaupt der Zugang zu Handelsfinanzierungen. Die Abwicklung einer Exportlieferung dauert üblicherweise selbst in Europa bis zu zwei Wochen. Wer beispielsweise ein abstraktes Zahlungsversprechen (Akkreditiv) über die Bank aktiviert, muss bereits mit einer Woche Bearbeitungszeit rechnen. Nach der Lieferung fallen für die Prüfung aller vom Exporteur eingereichten Dokumente wie Liefervertrag, Rechnung und Transportpapiere noch einmal ein paar Tage an.

Mit Batavia, das auf der Distributed Ledger Technology basiert, verlegen die Finanzinstitute alle mit der Geschäftsabwicklung verbundenen Leistungen auf die Datenkette. "Wir haben das auf der Plattform für alle vier Teilnehmer klar verfolgbar in 48 Stunden geschafft", sagt Main-Incubator-Geschäftsführer Michael Spitz. Betrieben bringt das zudem weniger Administrationsaufwand und raschere Zahlungseingänge. Ein wesentlicher Vorteil der Batavia-Plattform - besonders in Verbindung mit Exportgeschäften in Drittländer oder bei Erstgeschäften - ist die hohe Transparenz. Durch die Blockchain-Technologie verfügen alle Beteiligten weltweit in Echtzeit über denselben Informationsstand. "Ein Container mit deutschen Produkten für China wird an allen Verladestellen entlang der Lieferkette, also in den Häfen Rotterdam und Singapur, und auf allen Flughäfen gescannt. In der Datenkette wird ein digitaler Zwilling abgebildet, womit der Prozess für alle sichtbar abläuft", erklärt Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Center der Frankfurt School of Finance.

Wie bei einer privaten DHL-Lieferung können Exporteur, Importeur, Banken sowie Logistikdienstleister die Zustellung beobachten. Entsprechend den Lieferschritten bekommt der Exporteur automatisch Raten des Verkaufspreises überwiesen. Mithilfe von Smart Contracts, das sind Computerprotokolle, die Verträge abbilden und abwickeln, werden Waren- und Geldfluss auf der Plattform direkt verbunden. Dies ermöglicht eine höhere Vertragssicherheit für alle Beteiligten, Datenmanipulation sei ausgeschlossen.

Ausgehend von den ersten Pilotgeschäften integrieren die Blockchain-Experten der Commerzbank in den kommenden Monaten sukzessive Zoll, Frächter, Logistik und Inspektionsagenturen in den elektronischen Prozess. Nach erfolgreichem Abschluss soll der Zugang zur Plattform, die in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern wie der Bank of Montreal und der österreichischen Erste Group entsteht, allen Firmen frei zur Verfügung stehen. "Es wird eine Transaktionsgebühr geben, die alleine durch die Zeitersparnis und die Digitalisierung der Vorgänge deutlich günstiger ist als die nun anfallenden Kosten eines Handelsgeschäftes", sagt Giesbert.

Die Bank plant, immer mehr Kunden an Batavia heranzuführen. Erst, wenn nachhaltig und stabil ein größeres Transaktionsvolumen abgewickelt werden kann, werde sie der breiten Masse zugänglich gemacht. "Das System ist mit einer Banküberweisung im Online-Banking vergleichbar. Unternehmen werden sich über eine Weboberfläche, auf der sie sich für die Blockchain authentifizieren müssen, in das System einbinden können", sagt Spitz. Eine entsprechende IT-Anbindung an die Plattform ist aufgrund ihrer Standardisierung für Unternehmen ohne großen Aufwand möglich. "Die Eintrittshürden auf IT-Seite sind denkbar gering, da Blockchain eine Software mit offenem Quellcode ist. Hat die Geschäftsführung sich für diese Technologie entschieden, braucht es ein Budget für IT-Infrastruktur und das Personal", sagt Sandner. Trotz des großen Potenzials von Batavia ist die Markteinführung noch ungewiss. Denn in der Branche rittern noch andere Konsortien um den neuen Standard für die Handelsfinanzierung, im Rennen ist die Deutsche Bank mit der Plattform "We.trade" und sechs Geldhäusern wie Société Générale und Unicredit.

Batavia hat mit Marco Polo, einem weiteren Projekt des Main Incubator, zudem hauseigene Konkurrenz. Welcher Industriestandard sich durchsetzt, wird sich laut Bankvorstand Gisbert in den nächsten 24 bis 36 Monaten entscheiden. Treiber des technologischen Wandels sind hierzulande Start-ups und Konzerne wie Audi, Bosch, Daimler und Deutsche Bahn. "Derzeit legen wir unseren Schwerpunkt bei Blockchain-Anwendungen auf den Distributionsprozess und dessen finanzielle Abwicklung. In Zukunft werden wir das Einsatzgebiet auf weitere Schritte in der Prozesskette ausweiten", sagt Alexander Dietlmeier, Leiter Group Treasury bei Audi.

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