BASF: Jürgen Hambrecht:"Die Folgen dieser Krise sind dramatisch"

Hat die Sicherung deutscher Arbeitsplätze Vorrang? BASF-Chef Hambrecht über die Folgen des Abschwungs und die Kreditvergabe der Banken.

M. Beise u. S. Detjen

Zum Interview war Jürgen Hambrecht aus Ludwigshafen nach Frankfurt gekommen, ins Höchster Schloss. Das einstige Domizil der Mainzer Erzbischöfe gehörte bis vor zehn Jahren dem Chemiekonzern Hoechst - den es nicht mehr gibt. Konkurrent BASF dagegen ist das größte Chemieunternehmen der Welt. Hambrecht gilt als der größte Pessimist der deutschen Wirtschaft. Wo sieht er das Land heute?

Jürgen Hambrecht, dpa

BASF-Chef Jürgen Hambrecht spricht sich für die grüne Gentechnik aus: So könnten in Europa bis zu 500.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.

(Foto: Foto: dpa)

Frage: Herr Hambrecht, ist das Schlimmste der Wirtschaftskrise überstanden?

Hambrecht: Ich kann nicht sagen, wo wir genau stehen und ob wir dieses Jahr die Talsohle verlassen. Ich glaube aber, dass diese Krise etwas länger dauern wird.

Frage: Sie sind einer der größten Schwarzmaler im Land. Dabei gibt es jetzt doch einige positive Signale. Müssen Sie sich nicht korrigieren?

Hambrecht: Ich glaube nicht, dass ich mich revidieren muss. Ich bin auch kein Pessimist, sondern ein Realist. Ich erzähle, was ich sehe. Und ich sehe: Es wird in der Wirtschaft nicht wesentlich besser. Selbst wenn wir die Talsohle erreicht hätten, wäre noch nichts gewonnen. Eine verfrühte Prognose eines Aufschwungs ist durch nichts zu rechtfertigen. Die Folgen dieser Krise sind dramatisch. Wir haben in der Chemiebranche teilweise Absatzeinbrüche von 30 bis 40 Prozent. Wir mussten Anlagen abstellen. Auch da galt ich als Pessimist. Nun hält die Krise an. Geht das so weiter, wird es industrieweit Restrukturierungen und Konsequenzen für die Beschäftigung geben.

Frage: Von der aktuellen Konjunkturkrise abgesehen, steht die deutsche Industrie auch sonst unter Druck. In vielen Bereichen sind die Deutschen gar nicht mehr nennenswert vertreten. Was ist schief gelaufen?

Hambrecht: Wir haben in Deutschland eine relativ gesunde Industrie- und insbesondere Chemiestruktur. BASF ist Weltmarktführer. Es wäre übertrieben, davon zu sprechen, dass etwas schief gelaufen ist. Aber es ist auch eine Frage der Kultur und der Sichtweise: In Europa will man Risiken ausschließen. In Amerika ist das anders, da ist das Glas halbvoll und nicht halbleer. Innovationen werden da nicht als Risiko, sondern als Chance gesehen.

Frage: Welche Entwicklungen darf Deutschland nicht verschlafen?

Hambrecht: Nehmen Sie unsere Gen-Kartoffel Amflora, die nicht als Speisekartoffel, sondern der Stärkeproduktion dient, etwa für Kosmetika und Tapetenkleister. Diese Kartoffel ist umfassend geprüft. Ihr Genehmigungsprozess läuft im 14. Jahr. Dabei gibt es drei Gutachten, die Unbedenklichkeit bescheinigen. Trotzdem droht die Gefahr, dass wir diese neue Technologie in Europa nicht umsetzen können. Dabei könnten nach einer Studie des Fraunhoferinstituts bis zu 500.000 Arbeitsplätze durch die grüne Gentechnik geschaffen werden.

Frage: Was, wenn Sie weiterhin keine Genehmigungen erhalten. Werden Sie dieses Gebiet in andere Teile der Welt verlagern?

Hambrecht: Die Grundlagen für die grüne Gentechnik wurden hier in Europa und insbesondere in Deutschland erarbeitet. Lässt sich Forschung nicht in Produkte umsetzen, dann müssen wir das über kurz oder lang wirklich verlagern, beispielsweise nach Nordamerika. Nur die satte Bevölkerung im zentralen Europa, die in einem Schlaraffenland lebt, kann es sich angesichts der wachsenden Erdbevölkerung erlauben, Zweifel an der grünen Gentechnik zu haben.

Frage: Zurück zur Krise. Sie haben gesagt, die Mitarbeiter in China seien Ihnen ebenso wichtig wie die in Deutschland. Das war eine ungewöhnliche Aussage. Müssen Sie als deutscher Konzern nicht zuerst an die Mitarbeiter hierzulande denken?

Hambrecht: Zu meiner Aussage stehe ich voll und ganz. BASF ist ein transnationales Unternehmen. Wir müssen uns jeden Tag im heftigen Kampf im globalen Wettbewerb bewähren. Wir werden überall das jeweils Notwendige tun, um uns optimal zu positionieren. Dabei gibt es keine Differenzierung zwischen einem Deutschen, einem Chinesen oder einem Franzosen.

Frage: Werden Sie Leute entlassen?

Hambrecht: Wir haben am Standort Ludwigshafen, dem größten Chemiestandort der Welt, bisher keine betriebsbedingten Kündigungen vorgenommen. Das ist auch durch unsere Standortvereinbarung ausgeschlossen. Mehr als 70 Anlagen weltweit haben wir im vergangenen November abgestellt. Das ist eine größere Sache. Und jetzt müssen wir an mehreren Standorten kurzarbeiten lassen.

Frage: Und wenn das nicht reicht?

Hambrecht: Dann müssen wir andere Schritte ergreifen wie jetzt in diesen Tagen die endgültige Schließung einer Polystyrol-Anlage. Die betroffenen Mitarbeiter erhalten andere Jobs im Unternehmen.

"Es gibt eine Kreditklemme!"

Frage: Wie wirkt sich die Krise auf Ihre Strategie aus? Liegen Ihnen Ihre Zukäufe der letzten Jahre im Magen?

Hambrecht: Die Krise beschädigt diese Projekte nicht. Und sie ändert auch die Strategie nicht. Die Degussa-Bauchemie und die US-Firma Engelhard sind längst integriert in die BASF. Nun gehört auch Ciba dazu und muss integriert und restrukturiert werden. Es ist leider unvermeidlich, dass dabei Arbeitsplätze abgebaut werden müssen. Trotzdem ist unsere Strategie richtig: Wir setzen noch stärker auf Innovationen, brauchen noch mehr kundennahe Produkte und bauen auf Wachstumsfelder. Dazu gehört auch die Bio- und Gentechnologie.

Frage: Sie zählen zu den schärfsten Kritikern der restriktiven Kreditvergabe durch die Banken. Mögen Sie das mittlerweile korrigieren?

Hambrecht: An meiner Kritik an den Banken hat sich nicht sehr viel verändert. BASF hat keine Finanzierungsprobleme, aber unsere Kunden haben sie. Für kleine und mittlere Unternehmen ist es außerordentlich schwierig, Kredite zu bekommen.

Frage: Die Finanzindustrie schwört, es gebe keine Kreditklemme.

Hambrecht: Es gibt eine Kreditklemme! Ich halte es für bedenklich, dass über diesen Tatbestand gestritten wird.

Frage: Streit gibt es öffentlich auch über macht- und geldgierige Manager. Was muss sich ändern?

Hambrecht: Gut, wie immer gibt es Ausreißer. Es gibt Spieler und Leute, die sich selbst überschätzen. Vieles kam zusammen. Aber: 99 Prozent der deutschen Manager machen einen hervorragenden Job und kümmern sich um ihre Mitarbeiter und ihr Unternehmen. Eine pauschale Schelte und Gesetze speziell für Manager sind nicht angebracht.

Frage: Aber es gibt doch eine Schieflage: gigantische Gehälter und Bonuszahlungen auf der einen und Entlassungen auf der anderen Seite.

Hambrecht: Es gibt Fälle, die sind nicht tolerabel. Da stimme ich Ihnen zu. Aber nehmen Sie die Boni bei Führungskräften der BASF, die nach einem rückwirkenden System gezahlt werden, also 2009 für 2008. Ich bin gespannt, was gesagt wird im kommenden Jahr, wenn diese Zahlungen für 2009 im Schnitt auf bis zu ein Drittel zurückgehen. Viele Unternehmen handeln da sehr verantwortlich und fair.

Frage: Gelten Ihre Aussagen auch für Banken?

Hambrecht: Was dort an vielen Stellen abgelaufen ist, entspricht nicht meinem Selbstverständnis einer fairen Entlohnung. Aber das ist der Markt. Er hat es eine gewisse Zeit zugelassen. Die Zockerei in den Banken war teils exaltiert und hat zu vielen Fehlentwicklungen geführt. Die Konsequenzen erleben wir alle.

Frage: Der Staat greift derzeit stark in die Wirtschaft ein. Ist das gut?

Hambrecht: Wenn wir den Weg zu einer gelenkten Marktwirtschaft beschreiten, wäre das bedenklich. Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Aber es macht schon Sinn, dem einen oder anderen Unternehmen mit Krediten zu helfen. Der Staat muss sich ja nicht an diesen Firmen beteiligen.

Frage: Es ist Wahlkampfzeit. Die CDU verspricht Steuersenkungen. Glauben Sie Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Hambrecht: An der Stelle glaube ich der Politik. Steuersenkungen sind sinnvoll, insbesondere bei den Leistungsträgern. Der Progressionsbauch muss weg. Und auch das eine oder andere in der Unternehmensbesteuerung wie etwa die Zinsschranke sollte noch einmal überprüft werden. Also ich bin für Steuersenkungen.

Diese Druckfassung ist eine gekürzte und bearbeitete Version. Das Spitzengespräch wird im O-Ton ausgestrahlt an diesem Mittwoch um 19.15 Uhr im Deutschlandfunk. Die Audio-Fassung findet sich im Internet unter www.sz-audio.de/wirtschaft.

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