Bankrott-Prozess gegen Anton Schlecker:Erste Signale

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Eine drohende Insolvenz von Schlecker war lange kein Thema, behaupten auch die Wirtschaftsprüfer. (Foto: Torsten Silz/dapd)

Am dritten Verhandlungstag geht es um die Bilanzierungs-Praxis der Familie, die Wirtschaftsprüfer werden ins Kreuzverhör genommen. Erstmals zeigt sich der Richter skeptisch.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Am dritten Tag des Bankrott-Prozesses können Anton, Lars, Meike und Christa Schlecker im Sitzungssaal 1 des Landgerichts Stuttgart wieder das tun, was ihnen am meisten liegt. Schweigen. Am Montag nehmen die drei Berufsrichter und zwei Staatsanwälte jene zwei Wirtschaftsprüfer ins Kreuzverhör, die der Drogerie-Kette Schlecker bis zuletzt attestiert hatten, dass die Jahresabschlüsse korrekt seien und eine Fortführung der Geschäfte wahrscheinlich sei. Doch die Firma brach im Januar 2012 zusammen. Anton Schlecker meldete Insolvenz an, mehr als 20 000 Menschen verloren ihren Job und die Gläubiger blieben auf bis zu einer Milliarde Euro an Forderungen sitzen.

Seit zwei Wochen stehen Schlecker und seine Kinder vor Gericht, ihnen wird vorgeworfen, vor der Pleite viel Geld zur Seite geschafft und damit den Gläubigern entzogen zu haben. Die Wirtschaftsprüfer sind angeklagt, weil sie rechtswidrige Jahresabschlüsse mit ihren Unterschriften durchgewunken haben sollen.

Lars und Meike, die Kinder des Angeklagten, sind auch Gläubiger, die Geld zurückfordern

Der Sitzungssaal ist am dritten Verhandlungstag nur noch halb gefüllt und die Schleckers stehen diesmal nicht im Mittelpunkt des Geschehens. Kein Blitzlichtgewitter, keine lästigen Fragen nach dem verbliebenen Privatvermögen. So sitzen sie neben ihren Anwälten, lauschen und zeigen mitunter sogar ein Lächeln. Gleichwohl verläuft der Tag für sie eher durchwachsen. Denn neben den zwei Staatsanwälten zeigt auch der Vorsitzende Richter erstmals deutlich, dass er die Bilanzierung der Unternehmer-Familie und ihrer zwei Wirtschaftsprüfer nicht wirklich als rechtskonform erachtet. Andererseits macht Martis dem Hauptangeklagten kurz vor Ende der Sitzung sogar ein bisschen Hoffnung.

In der Verhandlung geht es diesmal vor allem um zwei Darlehen der Firma LDG (Logistik- und Dienstleistungs-Gesellschaft) an Anton Schlecker. Die LDG gehört auf dem Papier den Schlecker-Kindern Lars und Meike und wickelte für Schlecker den Transport aller Waren ab. In den Jahren 2008 und 2009 gewährte die LDG dem Privatmann Anton Schlecker insgesamt 50 Millionen Euro Kredit. Mit diesem Geld stopfte Schlecker die Verluste seines taumelnden Unternehmens. Die Firma verbuchte dieses Geld in der Bilanz als Eigenkapital - und nicht als Fremdkapital. Für die Staatsanwaltschaft ist das ein klarer Fall von Bilanzfälschung - die die Wirtschaftsprüfer nicht hätten akzeptieren dürfen. Die Prüfer hingegen bezeichnen diese Art der Bilanzierung als rechtmäßig. Ihnen war zwar bewusst, dass der Chef einen Kredit aufgenommen hatte, um die Liquidität seiner Firma per Einlage zu sichern. Dennoch seien sie davon ausgegangen, dass er weitere Verluste und auch die Kredite aus seinem Privatvermögen bezahlen könne.

Der Vorsitzende Richter Roderich Martis kann das nicht nachvollziehen. Für ihn war die Überschuldung damals schon erkennbar - aus heutiger Perspektive wohlgemerkt. Die Prüfer dagegen beteuern: "Eine Insolvenz war damals für uns nie ein Thema." Noch zum 31. 12. 2010 erteilten die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young dem Unternehmen den "uneingeschränkten Bestätigungsvermerk" - wenn auch mit einem Hinweis auf Risiken, die den Fortbestand der Firma gefährden könnten.

Für das Jahr 2011 wurden die Bücher nicht mehr geprüft, die Insolvenz platzte dazwischen. Heute, fünf Jahre später, ergibt sich eine kuriose Konstellation: Einerseits sitzen Lars und Meike Schlecker auf der Anklagebank wegen des Verdachts auf Bankrott. Andererseits stehen sie auch auf der Liste der größten Gläubiger, die noch Geld von Anton Schlecker fordern. Einerseits stellt Tochter Meike ihrem Vater ihren Porsche zur Verfügung. Andererseits hat sie mit ihrem Bruder eine Forderung von 68 Millionen Euro gegen ihn angemeldet. Diese Summe besteht aus dem 50-Millionen-Kredit plus einer offenen Logistik-Rechnung über 18 Millionen Euro.

Richter Martis will eine weitere Begebenheit nicht in den Kopf: Ernst & Young prüfte auch die Bilanzen des Tochter-Unternehmens LDG. "Sehen Sie keinen Anlass für eine Wertberichtigung, wenn ein 50 Millionen Kredit an eine Privatperson vergeben wurde?", fragt Martis. Nein, sagt der Prüfer. Ein Mitarbeiter Schleckers habe per E-Mail bestätigt, sein Chef könne die Kredite jederzeit aus seinem Privatvermögen bezahlen. Weitere Recherchen gab es offenbar nicht.

Am Ende rückt Richter Martis doch noch den Hauptangeklagten in den Fokus: "Bislang ist nicht recht erkennbar, dass Herr Schlecker Kenntnis von diesen Vorgängen hatte", sagt er in Richtung Staatsanwälte. Staatsanwalt Thomas Böttger widerspricht: Schließlich habe Schlecker die Jahresabschlüsse unterschrieben. Irgendwann wollen die Schleckers Fragen beantworten, kündigen ihre Anwälte an. Wann genau, sagen sie nicht.

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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