Bankhaus Vatikan:Der neue Papst erbt Verluste und ein komplexes Finanzsystem

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Möglicherweise hat sich Johannes Paul II. nicht intensiv mit Finanzangelegenheiten beschäftigt. Seine Kirche tut es sehr wohl — aber im Verborgenen.

Von Ulrike Sauer

"Die Loslösung vom Geld ist beim Papst total", sagt Angelo Caloia, seit 15 Jahren Bankier des Pontifex. Wer könne sich schon einen Papst vorstellen, der eine Plastikkarte zückt? "Geld existiert für den Heiligen Vater nicht", so der weithin unbekannte, aber einflussreiche Chef der Vatikanbank IOR.

Mag sich Johannes Paul II. auch nie intensiv mit internen Finanzangelegenheiten beschäftigt haben, seine Kirche interessiert sich sehr wohl für Geld. Der Katholizismus ist nicht zufällig die einzige Weltreligion, die über eine eigene Bank verfügt - Caloias IOR, das Istituto per le Opere Religiose. Die römisch-katholische Kirche ist als älteste global organisierte und ausgerichtete Unternehmung auf materielle Mittel stark angewiesen.

Dem "Multi" mit Sitz im Vatikanstaat unterstehen heute weltweit 4649 Diözesen und 400000 Priester. Sie betreuen über eine Milliarde Gläubige in 200 Ländern der Erde. Das Konklave, das am Montag zur Wahl des Nachfolgers von Karol Wojtyla zusammentritt, trägt dem universellen Anspruch der Weltkirche stärker Rechnung denn je.

Geschätztes Vermögen: Fünf Milliarden Euro

Unter den 115 Kardinälen, die in die Sixtinische Kapelle einziehen, sind 58 Europäer. 57 Papstwähler stammen aus anderen Erdteilen. Vor 100 Jahren waren es erst zwei. Apropos Geldbedarf: Johannes Paul II. ließ zur Unterbringung der Konklave-Kardinäle für 20 Millionen Dollar die neue Herberge "Santa Marta" errichten.

Der Umgang des Vatikans mit dem Geld interessiert und irritiert von jeher, vor allem nach der IOR-Affäre zu Beginn des Pontifikats von Johannes Paul II. 1982 erreichte sie mit dem Kollaps der Mailänder Banco Ambrosiano und dem mutmaßlich gewaltsamen Tod von deren Chef Roberto Calvi unter einer Londoner Themse-Brücke seinen Höhepunkt.

Der legendäre "Bankier Gottes", IOR-Chef Kardinal Paul Marcinkus, wurde trotz seines zwielichtigen Finanzgebarens vom Papst im Amt bestätigt. Im Betrugsgeflecht zwischen Marcinkus, dem Bankrotteur Calvi und Mafia-Geldwäscher Michele Sindona aber waren mindestens 280 Millionen Dollar Kirchengelder verschwunden. Verschwunden waren im Apostolischen Palast auch die Notizen, die sich Wojtylas Vorgänger Johannes Paul I. offenbar über die beunruhigenden Zustände in der Bank gemacht hatte, bevor er nach 33 Amtstagen unter mysteriösen Umständen starb.

Seither ist viel Wasser den Tiber heruntergeflossen. Die Spuren des skandalumwitterten amerikanischen Kardinals Marcinkus sind getilgt. Sein Nachfolger Caloia - ein Laie, erfahrener Bankmanager und Ökonomieprofessor aus Mailand - sanierte die Papstbank und normalisierte sie seit 1990 zumindest ansatzweise durch ein neues Statut, mit dem internationale Geschäftsregeln hinter den neun Meter dicken Grundmauern des IOR-Turms Einzug hielten. Die Geheimniskrämerei ist in der katholischen Machtzentrale aber bis heute ungebrochen.

Die päpstlichen Banker tätigen ihre Geschäfte im Verborgenen. Das von ihnen verwaltete Vermögen wird auf fünf Milliarden Euro geschätzt, der IOR-Gewinn dem Papst "überwiesen". Geldtransfers der Bank unterliegen keinen internationalen (Geldwäsche-)Kontrollen, was den Vatikan einem Steuerparadies gleichmacht. Auch in die Aktivitäten der Vermögensverwaltung des Apostolischen Stuhls, dem operativen Finanzarm des Heiligen Vaters, wird kein Einblick gewährt.

Nicht einmal was mit dem Peterspfennig geschieht ist öffentlich. Dabei handelt es sich um den einzigen Beitrag, den die Gläubigen direkt dem Papst leisten. Unter Wojtyla versechsfachte sich die Summe auf 55,8 Millionen Dollar.

Sämtliche Hüter des Vatikangeldes, ob Kirchenmänner oder Laien, sind vom Papst ernannt und müssen ihr Mandat bald in die Hände des neuen Kirchen-Chefs legen. Die grauen Eminenzen sind jedoch die einzigen, die sich im Labyrinth der vatikanischen Finanzführung zurecht finden.

Beim Geld geht es in der katholischen Kirche - anders als in der theologischen Doktrin - dezentral zu. Selbst die Zentralverwaltung der Weltkirche, der Heilige Stuhl, legt keine konsolidierte Bilanz vor. Und Bistümer, Ortskirchen und Ordensgemeinschaften sind ohnehin finanziell vollkommen unabhängig von der römischen Führung.

Zusammen mit der undurchsichtigen Finanzsituation erbt der neue Papst ein Haushaltsloch. Nach acht Jahren solider Bilanzüberschüsse weist der Heilige Stuhl seit 2001 wieder Verluste aus. Zuletzt klaffte ein Loch von 9,6 Millionen Euro in der Kasse. Beruhigend immerhin für den Pontifex in spe: Die Millionen-Kosten, die bei der Pilgerfahrt zum Begräbnis seines Vorgängers entstanden, trägt die Stadt Rom.

© SZ vom 13.04.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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