Angst vor Bankensturm in Zypern:Geheimer Milliarden-Transport nach Nikosia

Policeman stands guard in front of trucks carrying containers at the Central Bank in Nicosia

Offiziell ist der Inhalt unbekannt: Ein LKW steuert die Zentralbank an

(Foto: REUTERS)

Alarmbereitschaft in Zypern: Bei der Öffnung der Banken am Mittag sollen Sicherheitskräfte Unruhen und Übergriffe verhindern. Um den Ansturm zu bewältigen, hat die Zentralbank in einem schwer bewachten Konvoi fünf Milliarden Euro Bargeld nach Nikosia liefern lassen.

Bei der Öffnung der Banken auf Zypern am Mittag fürchten die Behörden Chaos und Unruhen. Sie riefen die Bevölkerung zur Ruhe auf. Die Sicherheitskräfte seien in Bereitschaft, sagte ein Polizeisprecher: "Wir haben alle nötigen Maßnahmen getroffen, damit die Leute geschützt werden. Wir fordern alle auf, auch selbst aufmerksamer zu sein, wenn sie die Bank verlassen."

Ein Sprecher des Genossenschaftsbanken mahnte ebenfalls Gelassenheit an: "Ich sage den Leuten: Keine Panik, keine Panik. Jeder wird das bekommen, was ihm zusteht." Die Bankangestellten appellierten an die Kunden, den Frust nicht an ihnen auszulassen. "Wir sind nicht verantwortlich", hieß es in einer Erklärung der Gewerkschaft. Auch die Bankangestellten seien "Opfer krimineller Machenschaften". In der Hauptstadt Nikosia demonstrierten etwa 1500 Menschen gegen die Auflagen des europäischen Hilfspakets.

In Zusammenhang damit steht möglicherweise auch eine Explosion in Athen: Vor dem Haus eines griechischen Reeders, der bis vor kurzem im Aufsichtsrat der Bank of Cyprus saß, detonierte am Mittwoch ein Sprengsatz. Die Polizei sei 20 Minuten vorher von einem anonymen Anrufer gewarnt worden und habe die Gegend nur wenige hundert Meter von der Akropolis weiträumig abgesperrt, hieß es aus Polizeikreisen. Niemand sei verletzt worden.

Den Angaben zufolge wurde der Sprengsatz vor dem Haus des Reeders Nikos Tsakos in einem schwarzen Rucksack deponiert. Die Tsakos-Gruppe ist eine der größten Reedereien Griechenlands. Ihr Chef war bis vor kurzem Mitglied im Aufsichtsrat der größten Bank Zyperns, der Bank of Cyprus, die von der Finanzkrise in dem Land besonders betroffen ist. Am Sonntag war vor einer Filiale der Bank of Cyprus in Limassol ein Sprengsatz explodiert.

Gravierende Einschränkungen für Bankkunden

Von 12 bis 18 Uhr Ortszeit können die Kunden erstmals seit fast zwei Wochen wieder Geld vom Konto abheben - allerdings mit gravierenden Einschränkungen, wie die Zentralbank Zyperns und das Finanzministerium in Nikosia mitteilten: Der Höchstbetrag, den man täglich pro Person und Konto bekommen kann, wird 300 Euro sein. Daueraufträge für die Zahlung von Löhnen über das Online-Bankingsystem werden wieder erlaubt. Damit sollen alle Angestellten ihre Gehälter erhalten.

Auch die Regierung bereitet sich auf den Bankensturm vor. Zentralbankchef Panikos Demetriades zufolge sind "übermenschliche Anstrengungen" nötig, um die Öffnung der Banken zu ermöglichen. Offenbar wurden große Mengen Cash nach Nikosia geliefert: Ein schwer bewachter Konvoi soll am Abend fünf Milliarden Euro Bargeld vom Flughafen Larnaka zur zyprischen Zentralbank gefahren haben, meldet die griechische Zeitung Kathimerini. Die Zeitung hat auch ein Foto des Konvois online gestellt. Spezialeinheiten und Hubschrauber hätten den Transport gesichert. Das Geld habe die Europäische Zentralbank (EZB) bereitgestellt. Fünf Milliarden Euro würden bei einer maximalen Abhebesumme von 300 Euro etwa zwei Wochen reichen, wenn alle Einwohner Zyperns das Limit täglich ausschöpfen.

Um eine Kapitalflucht aus Zypern zu vermeiden, sollen umfangreiche Einschränkungen des Zahlungsverkehrs gelten. Der Beschluss der Zentralbank sieht Grenzen für Auslandsüberweisungen sowie Auflagen für Immobilienverkäufe und für die Abwicklung von Exportgeschäften vor. Im einzelnen sollen Auslandsüberweisungen und Zahlungen mit Kreditkarten im Ausland pro Person und Bank auf 5000 Euro beschränkt werden. Für Beträge bis zu 200.000 Euro ist eine Genehmigung der Zentralbank notwendig.

Zyprer sollen zudem pro Auslandsreise maximal 1000 Euro Bargeld mit sich führen dürfen. Festgeldanlagen dürfen nicht vorzeitig gekündigt werden. Im Ausland studierende Zyprer sollen zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes pro Quartal maximal 5000 Euro aus der Heimat erhalten können.

Für die Großanleger der zyprischen Laiki Bank sind noch gewaltigere Schritte vorgesehen: Bis zu 80 Prozent ihres Geldes auf den Konten der Bank sollen sie verlieren. Damit hat Finanzminister Michalis Sarris in einem Interview erstmals eine Zahl genannt, wie viel sich der Staat von den Kontoinhabern der Pleitebank holt: "Realistischerweise wird sehr wenig zurückgegeben - der Betrag könnte 20 Prozent sein." Die Laiki Bank wird abgewickelt, vielleicht bekommen die Großanleger aus ihrer Restmasse in ein paar Jahren noch Geld zurück. Einen Teil des Geschäfts der Laiki übernimmt die Bank of Cyprus, die griechischen Filialen hat die Piräus Bank aus Griechenland gekauft.

Großanleger der ebenfalls angeschlagenen Bank of Cyprus werden laut Sarris "etwa 40 Prozent" verlieren. Das vereinbarte Rettungspaket sieht vor, dass Einlagen oberhalb der EU-weiten Sicherungsgrenze von 100.000 Euro an der Banken-Sanierung beteiligt werden.

Aus Zypern ist Geld verschwunden - nur wie?

Die Geldgeber-Troika aus Internationalem Währungsfonds, EZB und EU-Kommission sowie die Regierung des Inselstaates hatten früher am Tag beschlossen, die Vorstände der Bank of Cyprus und der Laiki Bank zu entlassen. Dies teilte eine Sprecherin der Zentralbank mit. Mit der Entlassung der Vorstände der beiden Banken solle ihre Sanierung erleichtert werden, hieß es.

Informationen über einen Rücktritt von Zentralbank-Chef Demetriades wurden indes aus offiziellen Quellen nicht bestätigt. Der oberste Notenbanker des Landes gerät immer stärker unter Druck. Er steht wegen verdächtiger Kapitalabflüsse in der Kritik: Anleger in Zypern sollen vor der Bankenschließung möglicherweise im großen Stil Geld abgezogen haben. Der zyprische Parlamentspräsident Giannakis Omirou will den Verdacht prüfen, wonach es ungewöhnlich hohe Überweisungen ins Ausland sowie größere Bargeld-Abhebungen gegeben haben soll. Er forderte eine Liste mit Überweisungen der vergangenen Wochen an.

Der Geldabfluss vor der Bankenschließung soll nach Informationen aus der zyprischen Notenbank bei der EZB aufgefallen sein: Zyprische Banken forderten demnach viel mehr Geld an als ihre Kunden sich von Geldautomaten holten. Der zyprische Parlamentspräsident will auch prüfen, ob hohe Beamte ihr Geld ins Ausland geschafft haben, die von der bevorstehenden Entscheidung zur Schließung der Banken am 16. März wussten. Zyprische Medien berichteten ohne Quellenangabe, es seien "Unmengen" von Geld abgehoben worden.

Den Notenbankern, allen voran Demetriades, wird vorgeworfen, die Kontrollen zu lasch gestaltet zu haben. Vor dem Büro des Zentralbankchefs forderten am Dienstag wütende Bankangestellte, die um ihre Arbeitsplätze bangen, Demetriades' Rücktritt. Das lehnt dieser ab - und eine Kündigung ist ausgeschlossen, da sein Posten durch die Verfassung geschützt ist.

Steinmeier sieht in Zypern kein Modell für künftige Krisen

Die EU-Kommission bemühte sich, die Rettung Zyperns unter Einbeziehung von Großsparern und Gläubigern als Modell für die Zukunft auszuschließen. "Der Fall Zypern ist einzigartig, und zwar aus vielerlei Gründen", sagte die Sprecherin von Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Sie reagierte damit auf Äußerungen von Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Dieser hatte am Vortag erklärt, die Beteiligung von Kontoinhabern an der Bankenrettung Zyperns könne als Modell für künftige Hilfsprogramme gelten, wollte das aber nach heftiger Kritik aber nicht so gemeint haben.

Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier sieht im Rettungsplan für Zypern kein Modell für künftige Krisenfälle. "Der Zypern-Plan ist richtig, muss aber ein Einzelfall bleiben", sagte Steinmeier der Deutschen Presse-Agentur. "Das jetzt vorliegende Maßnahmenpaket stellt sicher, dass die beiden größten Banken des Landes ihre teilweisen dubiosen Geschäftsmodelle aufgeben müssen."

Ob es für Zypern auch eine andere Lösung gegeben hätte? "Ehrlich gesagt: Ich weiß es auch nicht", sagte der zyprische Außenminister Ioannis Kasoulidis in einem Interview mit der FAZ. Ihm zufolge habe Zypern in den vergangenen Tagen erwägt, aus der Euro-Zone auszuscheiden. "Das war eine Möglichkeit, die wir zeitweilig ernsthaft in Betracht ziehen mussten", sagte er. Das Thema Euro-Austritt gilt eigentlich als diplomatisches Tabu, das von keinem Politiker offen angesprochen wird.

Die Ratingagentur Fitch hat Zypern gedroht, seine Kreditwürdigkeit erneut herabzusetzen. Das bisherige Rating "B" werde wegen des angeschlagenen Bankensektors unter verschärfte Beobachtung gestellt, teilte die Ratingagentur mit. Fitch bewertet Zypern damit aber weiter weniger negativ als Standard & Poor's ("CCC") und Moody's ("Caa3"). Vor allem das gesperrte zyprische Bankensystem sei für die Entscheidung verantwortlich, schreibt Fitch. Ob es tatsächlich zu einer Herabstufung komme, hänge von den Einzelheiten des vereinbarten Rettungsprogramms ab. Entscheidend sei auch die Bereitschaft der zyprischen Behörden zur Umsetzung von Reformen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: