Bankenkrise:Das Gift der Unsicherheit

Großbank Monte dei Paschi di Siena

Die älteste Bank der Welt hat sehr aktuelle Probleme: Sie kämpft ums Überleben und braucht Milliarden.

(Foto: dpa)

Investoren und Politiker blicken gebannt auf Italiens Banken - allen voran das Institut Monte dei Paschi di Siena. Es braucht dringend fünf Milliarden Euro.

Von Ulrike Sauer, Rom

Als Marco Morelli am Freitag seine herbe Abfuhr aus Frankfurt erhielt, schien das Schicksal der ältesten Bank der Welt besiegelt. Die Europäische Bankenaufsicht verweigerte dem Chef des Monte dei Paschi di Siena, der seit September im Auftrag der römischen Regierung private Retter für das sieche Geldhaus auftreiben soll, einen Aufschub von 20 Tagen für seine Mission. Das Nein der Europäischen Zentralbank löste den Absturz der Aktie aus und stieß die Tür zur Verstaatlichung der drittgrößten Bank Italiens auf. Doch nach dem Abpfiff des Frankfurter Schiedsrichters geht das Endspiel um den Monte dei Paschi (MPS) nun erst noch einmal in die Verlängerung. Morelli gibt sich nicht geschlagen. Die Krisenbank aus der Toskana muss bis Jahresende fünf Milliarden Euro einsammeln, um einer von der EZB geforderten Kapitalerhöhung nachzukommen.

Die Umsetzung des gewagten Rettungsplans wurde durch den Ausbruch der Regierungskrise in Rom nach dem Rücktritt von Matteo Renzi gestoppt. Die Rückkehr der Unsicherheit ist Gift für Investoren und schreckt potenzielle Geldgeber ab.

Der seit drei Monaten amtierende MPS-Chef wollte darum eine Verlängerung der Frist bis zum 20. Januar erwirken, um Zeit für die Klärung der politischen Lage zu gewinnen. Ohne Erfolg. Nun prescht er mit neuen Vorschlägen vor, um die Eigenkapitallücke des MPS doch noch bis zum 31. Dezember zu schließen. Die Bank begründet ihr weiteres Bemühen um eine private Lösung damit, dass sie von der EZB keinen Bescheid auf ihre Anfrage erhalten hat.

Das Himmelfahrtskommando geht also weiter. Das Vorgehen der von der Französin Danièle Nouy geleiteten Bankenaufsicht stößt in Italien auf heftige Kritik. Die Aufseher in Frankfurt haben ihre Entscheidung bisher weder offiziell bekannt gegeben noch begründet. Die Nachricht von der Ablehnung wurde am Freitag von der Nachrichtenagentur Reuters verbreitet, die sich auf Informationen eines mit der Sache betrauten Insiders beruft - und sie entfachte neue Spekulationsangriffe gegen Italiens Banken. Die EZB leitete am Wochenende ein internes Untersuchungsverfahren ein, um die undichte Stelle aufzuspüren.

Der Gewerkschaftschef der italienischen Bankangestellten, Lando Sileoni, zürnte gegen die "unverantwortliche Entscheidung der EZB". Es stünden beim Monte dei Paschi 26 000 Stellen auf dem Spiel. In großer Gefahr befindet sich nicht nur die Bank mit ihren fünf Millionen Kunden. Die skandalgebeutelte Bank aus Siena, die seit 2014 bereits acht Milliarden Euro frisches Kapital vernichtet hat, ist nur der krasse Extremfall unter den mit faulen Krediten überladenen Geldhäusern in Italien. Sie müssen in den kommenden drei Monaten insgesamt 20 Milliarden Euro auftreiben. Die Blicke richten sich nun zunächst nach London, wo Unicredit-Chef Jean-Pierre Mustier am Dienstag seine Strategie zur Stärkung des einzigen italienischen Geldkonzerns mit systemischer Bedeutung enthüllen wird. Erwartet wird von dem Franzosen, dass er das Eigenkapital der HVB-Mutter um bis zu 13 Milliarden Euro aufstocken will. Im Finanzministerium in Rom ist seit Tagen ein Gesetzesdekret zur Verstaatlichung des Monte dei Paschi fertig. "Die Lösungen liegen parat, sie müssen nur ausgeführt werden", sagte Vizeminister Enrico Zanetti. Unter dem Druck der Bankenturbulenzen wurde unterdessen am Sonntag der politischen Krise mit dem Regierungsauftrag an den scheidenden Außenminister Paolo Gentiloni ein rasches Ende bereitet. Der Verwaltungsrat von MPS war am Nachmittag zusammengetreten, um über weitere Schritte zu beraten. Bisher war es Morelli nur gelungen, 1,1 Milliarden Euro bei institutionellen Anlegern einzusammeln, die ihre nachgeordneten Anleihen in Aktien umwandelten. Nun soll 40 000 Privatanlegern, die von der römischen Börsenaufsicht von dem Angebot ausgeschlossen worden waren, eine neue Offerte unterbreitet werden. Dahinter steht ein klares Kalkül: Gelingt es, eine weitere Milliarde lockerzumachen, könnten auch neue Investoren zum Einstieg bewogen werden.

Große Chancen räumt man dem Versuch unter der Regie der US-Investmentbank JP Morgan nicht ein. Sollte die frisch vereidigte Regierung in den kommenden Tagen Plan B zur Verstaatlichung des Monte dei Paschi aus der Schublade ziehen, werden die neuen Regeln der europäischen Bankenunion zur Abwicklung angeschlagener Kreditinstitute ihrem ersten Praxistest unterzogen.

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