Banken:Sanfte Pleite

Banken: Als die Krise des spanischen Instituts Banco Popular klar wurde, wollten die Kunden an ihr Geld.

Als die Krise des spanischen Instituts Banco Popular klar wurde, wollten die Kunden an ihr Geld.

(Foto: Francisco Seco/AP)

Bei der Abwicklung der spanischen Banco Popular kamen neue Regeln zum Einsatz. Ein Beispiel, das Schule machen könnte.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Die letzten Stunden der spanischen Banco Popular waren dramatisch. Sparer stürmten die Bank, um ihr Geld abzuheben, während die Aufseher bei der Europäischen Zentralbank (EZB) merkten: Die Geldvorräte der Bank würden nicht reichen. Daraufhin wurde vor wenigen Tagen das erste Mal in der europäischen Geschichte ein Kreditinstitut nach EU-Recht abgewickelt. Man kann diese Maßnahme als Zeichen der Stärke interpretieren. Schwache Banken verschwinden vom Markt, ohne dass eine Finanzkrise folgt. Ein Überblick, wie die neuen Regeln funktionieren.

Was war das Besondere am Fall der spanischen Banco Popular?

Die Europäischen Bankenaufseher haben das erste Mal wirklich zugeschnappt und ein Kreditinstitut in die Abwicklung geschickt. In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Zweifel gegeben, ob sich die Kontrolleure im Ernstfall gegen die politischen Interessen durchsetzen könnten. Eine Bankenpleite ist immer ein Politikum, auch weil dann klar wird, dass oft nicht nur anonyme Fonds aus Übersee betroffen sind, sondern auch Privatkunden oder andere Banken. Letztere könnten dann ebenfalls umkippen und wie im Fall der US-Bank Lehman Brothers anno 2008 eine globale Finanzkrise auslösen. Grundsätzlich versuchen Regierungen daher alles, um eine Bankenpleite zu verhindern. So darf der EU-Dauerpatient Italien die angeschlagene italienische Bank Monte dei Paschi nun mit Steuermilliarden und dank einer Ausnahmeregelung mit mehreren Milliarden Euro retten.

Wie läuft eine Bankenabwicklung ab?

Die Bankenaufseher bei der EZB überwachen die größten 125 Kreditinstitute in Europa. Wenn eine Bank so hohe Verluste macht, dass sie die vorgeschriebenen Eigenkapitalquoten unterschreitet oder wie im Fall Banco Popular nicht mehr über genug Geld (Liquidität) verfügt, um Sparern ihre Guthaben auszuzahlen, ruft sie den Abwicklungsfall aus. Dann übernimmt die Abwicklungsbehörde SRB in Brüssel. Das Gremium, geleitet von der Deutschen Elke König, macht einen Vorschlag, wie das Geldhaus abgewickelt oder restrukturiert werden kann. Die EU-Kommission muss dem Vorschlag des SRB zustimmen. Dies geschah bei Banco Popular. Das SRB beschloss den Verkauf des Instituts an die spanische Bank Santander. Das SRB hätte auch die Liquidierung oder Gründung einer Brückenbank anordnen können.

Warum gibt es die neuen Regeln?

Die Bankenaufsicht bei der EZB und die Abwicklungsbehörde SRB sind Teil der Bankenunion, die 2012 ins Leben gerufen wurde. Grund waren die Erfahrungen aus der Finanz- und Euro-Schuldenkrise, als nationale Bankenpleiten grenzüberschreitend Schaden anrichteten. Man brauchte folglich einheitliche Aufsichts- und Abwicklungsregeln, die von den beiden europäischen Institutionen durchgesetzt werden.

Muss der Steuerzahler bei Bankenpleiten noch haften?

Das Ziel ist es, Banken künftig ohne Steuergelder zu retten oder abzuwickeln. Stattdessen sollen die Gläubiger haften, wie das bei anderen Unternehmen normalerweise auch der Fall ist (Bail-in). Gläubiger sind all diejenigen, die der Bank Kredite gegeben oder deren Anleihen gezeichnet haben. Auch Sparer geben Banken durch ihre Einlagen einen Kredit. Die Sparguthaben sind bis zu einem Höchstbetrag von 100 000 Euro je Konto rechtlich abgesichert und fließen nicht in die Verfügungsmasse ein.

Was bedeutet Bail-in im Zusammenhang mit der Abwicklung?

Bail-in übersetzt man am besten mit "Haftung". Es ist der Gegenbegriff zu Bail-out, mit dem man die Fälle bezeichnet, in denen Banken mit öffentlichen Geldern gerettet werden. Aktionäre und private Gläubiger verlieren im Fall einer Bankpleite ihr Geld. Bei der Banco Popular mussten Inhaber nachrangiger Anleihen zwei Milliarden Euro als Verlust abschreiben. Mindestens acht Prozent der Bilanzsumme der maroden Bank müssen von den Gläubigern als Verlust abgeschrieben werden.

Ist der Einsatz von Steuergeldern zur Bankenrettung ausgeschlossen?

Ob sich auch sehr große und weitverzweigte Institute wie eine Deutsche Bank ausschließlich durch Gläubigerbeteiligung abwickeln ließen, ist ungewiss. Solche Geldhäuser gelten daher nach wie vor als "too big to fail", also als zu groß, um pleitegehen zu dürfen. Experten befürchten, dass eine solche Großpleite für enorme Turbulenzen an den Finanzmärkten sorgen würde, gerade weil so viele private Gläubiger betroffen wären, die dann ihrerseits in Zahlungsschwierigkeiten kommen könnten. Besonders skurril: Diese Megabanken müssen zwar extra Kapitalpuffer bilden, sie profitieren aber auch nach wie vor von ihrer gefährlichen Größe, weil sie dadurch weniger Zinsen zahlen. Denn die Geldgeber der Bank wissen: Im schlimmsten Fall würde wohl der Staat einspringen.

Droht nun bald auch die Abwicklung der HSH Nordbank in Hamburg und Kiel?

Was sich derzeit im Norden der Republik abspielt, ist eine der heikelsten Operationen in der deutschen Finanzbranche. Bis Februar 2018 muss die Landesbank verkauft werden, andernfalls droht tatsächlich die Abwicklung. Verkäufer sind die Mehrheitseigner Hamburg und Schleswig-Holstein; jeweils gut fünf Prozent gehören den Sparkassen und einem US-Finanzinvestor. Im Extremfall könnte es auch bei der HSH sein, dass die Gläubiger auf ihr Geld verzichten müssen. Betroffen wären Sparkassen und internationale Fondsanleger, aber auch ganz normale Sparkassenkunden. Viel wahrscheinlicher ist daher, dass erneut die Steuerzahler zahlen müssen: Im Falle der HSH ist das wohl erlaubt, weil die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein zugleich auch die Eigentümer sind. Sie haften ohnehin für die Bank. Außerdem ist die HSH Mitglied im Haftungsverbund der Landesbanken und Sparkassen. Die Institute haben versprochen, sich gegenseitig aufzufangen. Auch die Sparkassen werden sich daher wohl an den Abwicklungskosten beteiligen.

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