Coronavirus:Auf der Suche nach Kredit

Mitarbeiter der MAN Turbo AG beim Fraesen von Kleinteilen Berlin Deutschland A worker of MAN Tur

Ein MAN-Mitarbeiter beim Fräsen von Kleinteilen. Unternehmen brauchen zunehmend Hilfe, wenn sie ihre Produktion oder ihr Geschäft einstellen müssen.

(Foto: Thomas Trutschel/imago/photothek)

Bei Tausenden Firmen wird das Geld knapp. Der Bund will helfen und stellt Milliarden bereit. Doch wie funktioniert das nun?

Von Cerstin Gammelin, Harald Freiberger, Henrike Rossbach und Meike Schreiber

Es gibt Wirtschaftskrisen, da bilden sich Schlangen vor den Arbeitsämtern, so wie 1929. Ein andermal bilden sie sich vor den Geldautomaten, so wie 2008. Die aktuelle Corona-Krise zeichnet sich dadurch aus, dass es Schlangen dort gibt, wo man sie bisher nicht kannte: vor den Büros der Firmenkundenberater in den Banken.

Das öffentliche Leben steht still. Das bedeutet für Tausende kleine und große Unternehmen, dass sie keine Einnahmen mehr haben, während die Kosten weiterlaufen. Das Geld wird knapp. Und wo gehen Unternehmen hin, wenn sie Kredit brauchen? Zum Berater ihrer Bank - übrigens auch dann, wenn sie die staatliche Hilfe beanspruchen wollen, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz "unbegrenzt" zugesagt hat.

Denn in Deutschland gilt das "Hausbankprinzip": Die Bank des Unternehmens prüft die Bonität und leitet dann die öffentliche Förderung durch. Das heißt: Der Firmenkundenberater der Bank ist die Stelle, wo derzeit alles zusammenläuft - und wo es sehr eng wird.

Die Deutsche Bank berichtet, dass sich die Anfragen der Unternehmen seit Freitag verdoppelt haben. Sie baut jetzt eigene Teams auf, um Unternehmen zu bewerten und zu beraten, wie das geht mit einem Kredit der bundeseigenen Förderbank KfW. Deren Chef Günther Bräunig spricht von einer "gewaltigen Herausforderung", es gelte jetzt der Antragsflut Herr zu werden, die täglich anschwillt. Und all das unter erschwerten Bedingungen, das heißt immer mehr Mitarbeitern im Home-Office.

Zugleich häufen sich die Berichte, dass die Hilfe vor Ort noch nicht funktioniert. "Wir tun hier, was wir können, um die vielen kleinen Unternehmen zu unterstützen", sagt beispielsweise der Heilbronner IHK-Geschäftsführer Stefan Gölz, "aber das ist kaum zu schaffen." Schon die Beantragung des Kurzarbeitergeldes sei problematisch. Die Agenturen für Arbeit seien kaum zu erreichen, viele Banken nicht auf die Situation eingestellt. "Trotz staatlicher Unterstützungen, die bei Weitem nicht ausreichen, werden viele kleine und mittlere Unternehmen auf der Strecke bleiben."

Was mache ich, wenn meine Filiale geschlossen hat?

In den sozialen Netzwerken klagen schon einige Unternehmer, dass sie keinen Termin bekommen, weil die Filiale geschlossen oder überlastet ist. So hat die Hypo-Vereinsbank jede dritte Niederlassung dichtgemacht. Im Zweifelsfall sollten Betroffene in der Zentrale nachfragen, wie sie ihren Berater erreichen können. Viele Kreditinstitute stocken ihre Firmenkunden-Teams auf, weil die Zahl der Anfragen täglich exponentiell steigt. An der Hausbank aber kommt niemand vorbei, wenn es um einen Förderkredit des Bundes über die KfW oder einer der landeseigenen Förderbanken geht. Die Bank prüft die Bonität des Kreditnehmers, beurteilt seine Pläne und entscheidet, ob sie das Vorhaben begleitet.

Wie lange dauert es vom Antrag bis zur Auszahlung des Kredits?

Die von der Bundesregierung angekündigten KfW-Notkredite richten sich an deutlich mehr Unternehmen als bislang üblich und können ab kommendem Montag beantragt werden. "Realistisch ist, dass die ersten Gelder in zwei bis drei Wochen fließen", sagte ein KfW-Sprecher. Die Hausbanken müssten die Anträge schnell weiterleiten, damit die KfW sie abschließend prüfen könne. Man könne "die Kredite nicht einfach so rausblasen". Ähnlich ist es bei den landeseigenen Förderbanken. Darüber hinaus gibt es direkte Hilfen durch die Landesregierungen. In Bayern sollen ab diesem Mittwoch unter anderem Freiberufler, Selbständige, kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern bei ihrer Bezirksregierung Anträge auf Soforthilfen stellen können. Zwischen 5000 und 30 000 Euro sollen dann fließen, offenbar aus Landesmitteln. Größere Unternehmen sollen sich an die LfA Förderbank Bayern wenden, für die die Landesregierung den Bürgschaftsrahmen erweitert hat.

Vergeben die Banken jetzt wirklich im großen Stil Kredite?

Die Banken stecken in einem Dilemma: Es gab auch vor der Ausbreitung des Coronavirus schon angeschlagene Unternehmen mit schlechter Bonität, die kaum oder nur zu sehr hohen Zinsen Kredit bekamen. In der Gastronomie etwa verfügten 16 Prozent der kleinen Unternehmen über eine schlechte Bonität, zeigen Zahlen des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW. Ihre Situation wird sich in den nächsten Wochen und Monaten verschlimmern. Normalerweise müssten Banken dann die Konditionen für den Kredit verschärfen, jedenfalls keinesfalls Zahlungen stunden. Gleichzeitig sollen sie aber nun großzügiger Kredit vergeben, um die ökonomischen Folgen des Coronavirus einzudämmen. Eine entscheidende Frage ist deshalb, wer dafür haftet, wenn Kredite künftig ausfallen.

Was garantiert der Bund?

Der Bund geht für die Hausbanken bei der Kreditvergabe über die KfW verstärkt ins Risiko. Er übernimmt bis zu 80 Prozent des Haftungsrisikos für Betriebsmittelkredite bis zu einer Höhe von 200 Millionen Euro. Ein Teil des Risikos, 20 Prozent, liegt damit immer noch bei den Banken. Der Bundesverband deutscher Banken beklagt bereits, der Bund solle zuweilen auch 100 Prozent übernehmen. "Der Bund muss mehr Risiken schultern", fordert er. Banken müssen in die Lage versetzt werden, bestehende Kredite zu stunden, zu restrukturieren oder zu erweitern und brauchten dafür entsprechende Unterstützung.

Welche Zinsen muss man bezahlen?

Jede Bank legt den Zinssatz für jeden Firmenkunden individuell fest. Solange die Kreditinstitute nicht von der Haftung freigestellt sind, dürften sie die Zinsen nicht entscheidend senken. Hinzu kommt: Die Durchleitung der Förderkredite ist eine freiwillige Leistung, bei der es bisher schon gelegentlich hakte: Banken boten solventen Kunden lieber einen eigenen Kredit an, solchen mit schlechter Bonität auch keinen Förderkredit. Es gibt deshalb ein Restrisiko, dass es doch zu einer Kreditklemme kommt. "Wir wissen, dass sie über reichlich Kapital verfügen, um alle Kredite zu vergeben, und zwar mehr, als erforderlich ist", sagt Mark Holman, Portfoliomanager bei Twenty Four Asset Management. "Was wir nicht wissen, ist, wie ihre Risikobereitschaft aussieht." Wenn also ein zuvor gesundes Unternehmen plötzlich einen massiven Ertragsschock hat und vorübergehend zahlungsunfähig wird und dann seine Bank um einen Kredit bittet, wird die Bank den Kredit gewähren, und zwar zu einem Zinssatz, den die Behörden gerne hätten? Die Behörden versprechen jetzt schnell riesige Hilfspakete, aber wie finden diese ihren Weg zu den Menschen, die Hilfe brauchen? Kritiker sagen auch, durch das Hausbankprinzip könnten Banken einen Teil des Risikos auf den Bund abwälzen, etwa wenn sie ohnehin schon Kredit vergeben haben.

Im Effekt wäre das ein weitereres Bankenrettungsprogramm. Welche Risiken trägt der Bund? Für den Bundeshaushalt ergeben sich zunächst keine zusätzlichen Belastungen. Diese entstehen erst, wenn tatsächlich Kredite in großem Stil ausfallen oder der Bund das Kreditvolumen der KfW erhöhen muss. Beides ist derzeit (noch) nicht der Fall. Für die Haftungsgarantien ist keine extra Vorsorge im Bundeshaushalt getroffen, aber im Haushalt steht der KfW ein Garantierahmen von rund 460 Milliarden Euro zur Verfügung. Dieser Rahmen kann jetzt um bis zu 93 Milliarden Euro erhöht werden. Bund, Bundesbank und Finanzaufsicht haben sich am Mittwoch vorsorglich auf Maßnahmen verständigt, um die Auswirkungen des absehbaren Einbruchs der Wirtschaft auf den Finanzsektor abzufedern. Weil Angebot und Nachfrage zugleich wegbrechen, werden Banken deutliche Kreditausfälle zu verkraften haben. Die Banken dürfen vom 1. April an den sogenannten antizyklischen Kapitalpuffer auf null setzen. Sie müssen also weniger Eigenkapital vorhalten. Das erlaubt es den Banken, zusätzliche Kredite im niedrigen einstelligen Billionen-Euro-Bereich zu vergeben.

Welche Maßnahmen gibt es noch, um Unternehmen zu entlasten?

Die Firmen können Kurzarbeit beantragen; die Bundesagentur für Arbeit übernimmt dann die Sozialversicherungsbeiträge für die entfallene Arbeitszeit und zahlt den Beschäftigten 60 Prozent des weggefallenen Nettogehalts, bei Eltern mit Kindern 67 Prozent. In einigen Branchen gelten zudem tarifliche Regelungen, die Betriebe zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes verpflichten. Arbeitgeber und Gewerkschaften haben am Mittwoch bei Gesprächen im Arbeitsministerium vereinbart, Lösungen zur Schließung der Lücke für mehr Beschäftigte als bisher zu finden. Noch gibt es aber keine Einigung. Für kleine Unternehmen, denen die Kredite der Förderbank KfW eher nichts bringen, soll es zudem einen bundesweiten Notfallfonds geben, an dem das Bundesfinanzministerium arbeitet.

Mit diesen Mitteln sollen die Firmen Durststrecken überwinden und ihre Fixkosten, zum Beispiel die Miete für einen Laden, weiter zahlen können. Soloselbständige, denen Aufträge wegbrechen, sollen unter anderem unbürokratisch Grundsicherung beantragen können, auch als aufstockende Sozialleistung.

Zur SZ-Startseite
COVID-19 - EINSCHRÄNKUNGEN DES ALLTAGS IN JENA 17/03/2020 - Jena: Das Kartoffelhaus Nr. 1 in Jena weißt mit einem Schil

Konsum
:Wie jeder lokalen Geschäften helfen kann

Die Läden geschlossen, die Menschen daheim - wie kauft man nun ein, ohne jemanden anzustecken? Und wie kann man Künstler unterstützen?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: