Banken in Not:Nur 48 Stunden

Die Bundesregierung schafft die Voraussetzungen für eine rasche Schließung maroder Banken. Künftig sollen die Eigentümer, die Gläubiger und notfalls auch die Großkunden des Finanzinstituts zur Kasse gebeten werden.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Marode Banken sollen künftig binnen eines Wochenendes umgebaut oder sogar abgewickelt werden können. Das ist das Ziel eines Gesetzentwurfes, den das Bundeskabinett an diesem Mittwoch beschließen will. Er ist das letzte Glied in einer Kette von Reformen, die dafür sorgen soll, dass Finanzinstitute, die in Schieflage geraten, nicht länger mit staatlichen Hauruck-Aktionen und auf Kosten der Steuerzahler aufgefangen werden müssen.

An Stelle der Bürger sollen künftig die Eigentümer, die Gläubiger und notfalls auch die Großkunden des Instituts zur Kasse gebeten werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind bereits geschaffen, auch die Frage, welche Gremien über die Umstrukturierung entscheiden, ist geklärt. Noch offen war dagegen, wie ein solcher Umbau binnen 48 Stunden praktisch vollzogen werden kann. Der Beschluss muss meist an einem einzigen Wochenende gefasst und umgesetzt werden, da anderenfalls Marktturbulenzen und ein Ansturm der Bürger auf ihre Konten drohen.

Um sicherzustellen, dass die Abwicklungsbehörde die Aktionäre und Gläubiger rasch zur Beteiligung an einer Kapitalerhöhung zwingen kann, müssen die Institute ihr Eigen- und Fremdkapital so strukturieren, dass sich die entsprechenden Wertpapiere im Handstreich umwandeln lassen. Beim Verkauf von komplizierten Finanzprodukten, so genannten Derivaten, muss das Institut zudem schriftlich festlegen, dass die Käufer der Papiere im Krisenfall mindestens 48 Stunden lang darauf verzichten, ihre Forderungen fällig zu stellen. Damit will die Bundesregierung verhindern, dass durch die Schieflage einer einzigen Bank eine Lawine ins Rollen kommt, die auch in eigentlich gesunden Bereichen des Weltfinanzsystems Schäden anrichtet. Der neuen europäischen Abwicklungsbehörde wird mit dem Gesetzentwurf zudem das Recht eingeräumt, Besitzer unbesicherter Bankanleihen im Vergleich zu den Eigentümern hochkomplexer Derivate finanziell stärker heranzuziehen, wenn das aus Praktikabilitätsgründen oder aufgrund von möglichen Ansteckungsgefahren notwendig erscheint. Die Anleihebesitzer rücken dafür in der sogenannten Haftungskaskade wie auch in der Insolvenzrangordnung eine Stufe nach vorn. Nach bisherigem Recht hätte die Behörde den vorrangigen Schuldnern ihren Schaden ersetzen müssen. Das Geld dafür wäre aus dem neuen europäischen Abwicklungsfonds gekommen, den die Banken bis zum Jahr 2024 mit 55 Milliarden befüllen sollen.

Mit der gesetzlichen Neuregelung erteilt die Bundesregierung zudem der Forderung der deutschen Kreditwirtschaft eine Absage, die Einnahmen aus der bisherigen nationalen Bankenabgabe auf die Zahlungen der Institute an den neuen EU-Topf anzurechnen. Vielmehr will Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Geld in der Aufbauphase des europäischen Fonds als Notfallreserve für Schieflagen deutscher Institute vorhalten. Insgesamt haben die deutschen Banken bisher 2,3 Milliarden Euro in den nationalen Abwicklungsfonds eingezahlt.

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