Banco Popular:Gefährlich ansteckend

A cleaner sweeps the floor as she walks past an illuminated sign at Spain's Santander headquarters in Boadilla del Monte outside Madrid

Eine Reinigungskraft vor der illuminierten Wand am Hauptgebäude der spanischen Bank Santander, die die Banco Popular übernommen hat.

(Foto: Sergio Perez/Reuters)

Die Geschichte der Banco Popular spiegelt den Weg in die spanische Krise wider. Sie steht beispielhaft für den Niedergang.

Von Thomas Urban, Madrid

Das Verschwinden der sechstgrößten spanischen Bank hat die Madrider Börse unberührt gelassen. Als am Mittwochvormittag die Blitzübernahme der vom Zusammenbruch bedrohten Banco Popular durch den Branchenriesen Santander verkündet wurde, sackte zwar der Leitindex Ibex-35 kräftig ab, doch erreichte er zum Börsenschluss wieder das Niveau vom Tagesbeginn. Am Donnerstag zeigte die Kurve weiter deutlich nach oben. Damit bestätigte sich die gute Konjunkturstimmung. Das Wirtschaftsministerium erwartet zum Jahresende ein Wachstum von etwa drei Prozent, womit Spanien erneut in der Spitzengruppe der Eurozone wäre.

Doch die Anleger sollten nach Meinung der Madrider Wirtschaftspresse auch skeptisch sein. Denn der Absturz der Banco Popular zeigt, dass das Platzen der Immobilienblase, das vor neun Jahren die gesamte Volkswirtschaft in Schieflage gebracht hat, noch nicht bewältigt ist. Denn die "Bank für kleine Leute", wie sich das Geldhaus anpries, hatte zuletzt faule Kredite von fast 38 Milliarden Euro, mehr als ein Drittel der Gesamtbilanz.

Auch andere Banken werden noch Milliarden abschreiben müssen. Dabei wurde ein Großteil der faulen Kredite und der nicht verkauften Liegenschaften längst der im Krisenjahr 2012 gegründeten spanischen Bad Bank (Sareb) übereignet, um den Bankensektor zu stabilisieren. Doch das Geschäft der Sareb läuft überaus mühsam an. Etwa 40 Milliarden Euro sollten die übernommenen Häuser und Kreditpakete wert sein, die sie nun anbietet. Doch weniger als ein Fünftel davon konnte sie bislang veräußern, zu niedrigeren Preisen als kalkuliert. Seit ihrer Gründung schreibt sie jährlich dreistellige Millionenverluste. Zu den 48 Milliarden Euro, die die Rettung des spanischen Bankensektors den Steuerzahler gekostet hat, dürfte noch eine erkleckliche Summe hinzukommen.

Die Geschichte der Banco Popular, einst die profitabelste Bank in der EU, spiegelt beispielhaft den Weg in die spanische Krise wider. Der rote Faden dabei: Die Manager verloren ihre Stammkunden aus den unteren und mittleren Einkommensschichten aus dem Blick, weil sie sich zur internationalen Hochfinanz berufen fühlten. Sie ließen sich anstecken von der Stimmung in der gesamten Branche, die eine grobfährlässige Wirtschafts- und Finanzpolitik in Madrid zusätzlich anfachte.

Der erste Fehler: Die 1996 ins Amt gekommene konservative Regierung unter José María Aznar setzte zur Überwindung der schweren Rezession, die sie vom sozialistischen Langzeitpremier Felipe González geerbt hatte, einseitig auf die Baubranche als Konjunkturlokomotive. Innerhalb weniger Jahre wurden fast alle Küstengebiete zugebaut - und es entstanden korrupte Netzwerke. Aznars Superminister für Wirtschaft und Finanzen, Rodrigo Rato, wurde in der internationalen Presse gefeiert und 2004 sogar zum Chef des Internationalen Währungsfonds berufen.

Sein Nachfolger in Madrid, der Sozialist Pedro Solbes, zuvor EU-Währungskommissar, beging den zweiten Fehler: Da er auch die sozial schwächeren Schichten, also die Stammwähler seiner Partei, vom Bauboom profitieren lassen wollte, wurden Hypothekenkredite steuerlich begünstigt. Innerhalb von drei Jahren vervierfachte sich ihr Gesamtvolumen, auch weil die Banken aggressive Werbung dafür betrieben - die Banco Popular, die Sparkasse dieser Kundengruppe, an vorderster Front.

Ihren Anteil an der Überhitzung des spanischen Bausektors hatte auch die EU. Denn sie finanzierte die Hälfte vieler Infrastrukturprojekte, von Provinzflughäfen bis zu örtlichen Polizeiposten. Es gehört zu den bislang kaum aufgearbeiteten Kapiteln der spanischen Krise, wie sehr bei vielen Kostenvoranschlägen grotesk übertrieben wurde. Wie flächendeckend die Korruption war, zeigen die heutigen Prozesse gegen Politiker vor allem aus der konservativen Volkspartei (PP) von Premierminister Mariano Rajoy, aber auch gegen Sozialisten (PSOE) besonders in ihren Hochburgen in Andalusien.

Zu den Opfern der Immobilienkrise gehören neben den unteren Einkommensgruppen auch Tausende von Bankangestellten: Sie wurden entlassen, weil ihre Filialen schließen mussten. Diese bittere Erfahrung wird wohl nun auch das Gros der Popular-Angestellten nach der Übernahme durch Santander machen. Dagegen gehören die Bankdirektoren nicht zu den Verlierern. Auf die Zahl der Kunden umgerechnet gibt es in Spanien unter ihnen nach wie vor doppelt so viele Einkommensmillionäre wie in der Bundesrepublik. Nur eine ganz kleine Gruppe stand wegen Verfehlungen aus der Zeit des großen Booms vor Gericht, darunter der einstige Superminister Rodrigo Rato, der später an der Sanierung der angeschlagenen Gruppe Bankia scheiterte. Im Februar wurde er zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Aber keineswegs wegen seiner Fehler im Amt, sondern weil er eine "schwarze Kreditkarte" privat genutzt hatte. Die Karte hatte er als Aufsichtsratsmitglied vom Direktor einer Madrider Sparkasse bekommen, die Ausgaben wurden als "Computerfehler" verbucht - zu Lasten der Kunden.

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