Bahnindustrie:Bombardier streicht 2200 Stellen in Deutschland

Bombardier Transportation in Henningsdorf

Das Gelände von Bombardier in Henningsdorf

(Foto: dpa)

Der angeschlagene Bombardier-Konzern offenbart die Krise der ganzen Bahnindustrie. Die deutschen Standorte sollen dennoch erhalten bleiben - jedenfalls vorerst.

Von Markus Balser, Berlin

Wie ernst es um die Jobs in Deutschland steht, hatte sich schon vor ein einiger Zeit angedeutet. Als sich Bombardier Transportation, der größte Bahnindustriekonzern der Welt, im Dezember 2015 völlig überraschend von seinem Präsidenten Lutz Bertling trennte, wurde klar, dass hinter den Kulissen ein Machtkampf tobte.

Es geht um ein gewaltiges Firmenmonopoly. Gespielt wird es in der kanadischen Bombardier-Zentrale. Das angeschlagene Familienunternehmen, dessen Zuggeschäft von Deutschland und der Zentrale in Berlin gesteuert wird, braucht dringend Geld für seine Flugzeugsparte - und will vor allem im Bahngeschäft sparen.

Bis 2020 sollen die Stellen abgebaut sein. Zunächst trifft es 700 Leiharbeiter

Am Donnerstag wurde für die Mitarbeiter in Deutschland das ganze Ausmaß der Folgen klar. Nach Gesprächen zwischen Management und Aufsichtsrat wurde klar: Die Kanadier streichen in Deutschland bis zu 2200 der 8500 Jobs. Das sagte der Aufsichtsratschef von Bombardier Transportation, Wolfgang Tölsner. Bis 2020 sollen die Stellen abgebaut sein. Zunächst trifft es 700 Leiharbeiter.

In Deutschland entwickelt und baut Bombardier Züge, Straßenbahnen und Lokomotiven. Das Unternehmen liefert unter anderem U-Bahnen für die Streckennetze in Berlin und Hamburg. Größter Standort ist mit 2000 Beschäftigten Hennigsdorf bei Berlin. Weitere Fabriken und Geschäftsbereiche gibt es in Görlitz, Bautzen, Braunschweig, Kassel, Mannheim und Siegen. "Alle Standorte sollten erhalten bleiben", sagte Deutschland-Chef Michael Fohrer. Die Werke sollten sich aber künftig stärker spezialisieren, etwa auf die Digitalisierung der Bahntechnik.

Das kanadische Mutterunternehmen war durch eine aus dem Ruder gelaufene Flugzeugentwicklung in Schwierigkeiten geraten. Vergangenes Jahr hatte Bombardier erklärt, man werde weltweit 7500 Stellen streichen. 5000 davon sollten in der Bahntechnik wegfallen, die ihren Schwerpunkt in Deutschland hat. Der Sanierungskurs hatte auch die Bundesregierung auf den Plan gerufen. Ex- Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte sich eingeschaltet und die Bedeutung der Industriearbeitsplätze für Deutschland betont.

Die Sanierung von Bombardier in Deutschland hatte Spekulationen über eine mögliche Fusion mit der Bahnsparte von Siemens entfacht. Entsprechende Gespräche liefen weiter, heißt es in der Branche. Möglich sei etwa die Gründung zweier Gemeinschaftsunternehmen für den Zugbau und die Streckentechnik. Bombardier wollte sich dazu am Donnerstag nicht äußern. Experten glauben, dass ein "europäischer Champion" nach dem Vorbild des Flugzeugbauers Airbus nötig ist, um gegen die neue Konkurrenz aus Fernost zu bestehen.

Westliche Zughersteller, darunter auch Siemens und Alstom, sind seit der Fusion der beiden großen chinesischen Anbieter CNR und CSR verunsichert. Der Zusammenschluss erhöhe auch in Europa und Nordamerika den Druck auf Fusionen, heißt es weiter. Zumal immer mehr Unternehmen um weniger Aufträge buhlen. In Deutschland sei der Wettbewerb besonders stark, auch weil sich die Kunden zunehmend nach Lieferanten in Osteuropa und Asien umsähen, heißt es bei Bombardier. Die Branche leide zudem unter einer Auftragsflaute, insbesondere im Bereich der schnellen Fernzüge. Nach einem Boom in den vergangenen zehn Jahren bestellen die Bahnbetreiber derzeit kaum noch neue Hochgeschwindigkeitszüge.

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