Bahn-Tarifstreit:DGB-Chef ruft zur Ordnung

Reiner Hoffmann

Hat von dem Streit zwischen Lokführergewerkschaft und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG die Nase voll: Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds DGB Reiner Hoffmann.

(Foto: dpa)

Schluss mit der Schlammschlacht: Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, ärgert sich über das "Gebaren" der GDL. In einem Brief, der der SZ vorliegt, fordert er den Beamtenbund-Chef dazu auf, mäßigend auf die Lokführergewerkschaft einzuwirken.

Von Michael Bauchmüller und Thomas Öchsner, Berlin

Der neue Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Reiner Hoffmann, ist ein Mann, der seine Worte vorsichtig abwägt. Schnell loszupoltern ist seine Sache nicht. Normalerweise mischen sich DGB-Vorsitzende auch nicht ins Tarifgeschäft von Einzelgewerkschaften ein, erst recht nicht in der Öffentlichkeit. Was die Schlammschlacht der beiden Eisenbahner-Gewerkschaften angeht, hat Hoffmann jetzt aber sichtlich genug. Der DGB-Chef hat einen Brief geschrieben, und der hat es in sich.

In dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, ruft er den Vorsitzenden des Deutschen Beamtenbundes (DBB), Klaus Dauderstädt, in ungewöhnlich deutlicher Form dazu auf, die Lokomotivführergewerkschaft GDL an die Leine zu nehmen. Darüber kann auch das "Lieber Klaus", das Hoffmann in der Anrede handschriftlich hinzugefügt hat, nicht hinwegtäuschen. Dazu muss man wissen, dass Hoffmann Partei ist: Die Eisenbahner-Gewerkschaft EVG gehört zu seinem Reich, dem DGB. Ihr Kontrahent, die GDL, ist Mitglied im Beamtenbund.

Hoffmann spricht in seinem Schreiben von einem "Imageschaden" für die Gewerkschaften und kritisiert: "Der aggressive Abgrenzungs- und Konfliktkurs der GDL ist (...) nicht vereinbar mit einer solidarischen Interessenvertretung aller Arbeitnehmer." Die GDL verweigere sich allen Kooperationsangeboten der EVG und wolle "ohne Rücksicht auf öffentliche Ansehensverluste der deutschen Gewerkschaften in ihrer Gesamtheit die eigene Einflusssphäre ausbauen". Nötig sei in den gegenwärtigen Tarifverhandlungen stattdessen "ein konstruktives Miteinander". Dies sei der einzige Weg, "um auch den Interessen von Millionen von Bahnkunden gerecht zu werden".

Hoffmann fordert deshalb Dauderstädt auf, mit "deiner kritischen Haltung zum Gebaren der GDL" nicht länger hinter dem Berg zu halten. "Sollen weitere Reputationsschäden für die Gewerkschaften abgewendet werden, so ist es meines Erachtens höchste Zeit, dass Du diese passive Grundhaltung aufgibst und mäßigend auf die GDL einwirkst." Ein ziemlicher Affront, so unter Gewerkschaftskollegen.

Ein Behinderten-Vergleich hat die Konflikte weiter verschärft

GDL und EVG kämpfen derzeit um die Vormacht bei der Bahn. Die GDL verhandelte bislang für die 20 000 Lokführer, die EVG für die übrigen 140 000 Bahn-Mitarbeiter. Die Lokomotivführer-Gewerkschaft will dies künftig auch für die 17 000 Zugbegleiter und Rangierführer übernehmen, die EVG will für die gesamte Bahn-Belegschaft zuständig sein. Nach dem ersten Warnstreik der Lokführergewerkschaft GDL am Montag hatten Zehntausende Berufspendler und Fernreisende vergeblich auf Züge gewartet. Diesen Samstagmorgen wollen die Lokführer erneut streiken.

Seit Tagen gärt außerdem zwischen den beiden Rivalen ein Streit um eine verbale Entgleisung von GDL-Chef Claus Weselsky. Dieser hatte gesagt: "Wenn sich zwei Kranke miteinander ins Bett legen und ein Kind zeugen, da kommt von Beginn an was Behindertes raus." Er entschuldigte sich später dafür. Das war der EVG nicht genug, was wiederum die GDL ärgert. "Die EVG versucht, diesen Fehler permanent hochzufahren, um seine Person zu beschädigen", sagt Norbert Quitter, stellvertretender Chef der GDL.

Hoffmann fürchtet eine Stärkung der Arbeitgeberseite

Hoffmann spricht den missglückten Behinderten-Vergleich nicht direkt an. Ihm geht es bei seinem Vorstoß um etwas anderes, die geplante Regelung der Tarifeinheit. Die Bundesregierung will dafür sorgen, dass wieder stärker das Prinzip gilt: ein Betrieb, ein Tarifvertrag. Dann wäre nur die Mehrheitsgewerkschaft für Tarifverträge zuständig. Der Einfluss kleinerer Berufsverbände wie die der Lokführer oder Piloten würde schwinden.

Der ehemalige Verfassungsrichter Udo Di Fabio hält dies in einem Gutachten, das die Ärztegewerkschaft Marburger Bund in Auftrag gegeben hat, für verfassungswidrig. Dies würde die im Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften beschneiden, argumentiert er.

Trotzdem will die Bundesregierung demnächst die angepeilten Vorgaben präzisieren. Hoffmann fürchtet, dass das Vorgehen der GDL die Arbeitgeberseite stärkt, "die in dem Tarifeinheitsgesetz in erster Linie einen Hebel zur Vereinheitlichung der Friedenspflicht sieht". Sprich, er hat Angst vor indirekten Eingriffen ins Streikrecht.

Es sieht nicht so aus, als könnte der DGB-Chef die GDL bändigen. Beamtenbund-Chef Dauderstädt lehnte das bereits rundweg ab. Auch die GDL lässt sich nicht irritieren. "Herr Hoffmann soll sich mal lieber um seine eigenen Gewerkschaften kümmern", sagt GDL-Vizechef Norbert Quitter. Gewerkschaften seien tarifpolitisch eigenständig, auch innerhalb des Beamtenbundes. "Herr Hoffmann sollte das wissen."

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