Bahn: Spitzelaffäre:"Völlig auf rechtliche Prüfung verzichtet"

Rüge vom obersten Datenschützer Berlins: Ohne Gesetzesverstöße hätte die Bahn etliche Daten nicht bekommen können.

Daniela Kuhr und Klaus Ott

Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix wirft der Deutschen Bahn vor, bei der Ausspähung der eigenen Belegschaft gegen Gesetze verstoßen zu haben. Das geht aus dem vorläufigen Abschlussbericht von Dix hervor, dessen Behörde seit mehreren Monaten den Datenskandal bei der Bahn untersucht. Der Bericht liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Deutsche Bahn, AP

Hat die Deutsche Bahn bei ihren Spitzel-Aktionen gegen Gesetze verstoßen? Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix ist davon überzeugt.

(Foto: Foto: AP)

In einem Fall ist Dix sogar auf eine Spur gestoßen, die bis in den Vorstand des Staatskonzerns führt. In diesem Fall spreche "einiges dafür", dass ein amtierendes Vorstandsmitglied in die Zusammenarbeit mit einer Kölner Detektei namens Argen involviert gewesen sei. Das gehe aus einer internen E-Mail hervor. Der Bahn-Vorstand behauptet bislang, von den Spähaktionen nichts gewusst zu haben.

Kontodaten rechtswidrig gespeichert

Argen war von der Bahn beauftragt worden, Hinweisen auf Korruption nachzugehen. In den Jahren 1999 und 2000 und offenbar auch 2002 seien mehrere Konten eines Verdächtigen bei der Sparda-Bank Frankfurt und der Frankfurter Volksbank ausgespäht worden. Dabei habe Argen Unterhaltszahlungen für die Kinder des Verdächtigen erfasst. Außerdem habe Argen ermittelt, dass der Verdächtige Arztrechnungen für seine Ehefrau und seine Tochter beglichen habe.

Dix schreibt, es sei kaum vorstellbar, dass Argen ohne Gesetzesverstöße an diese Daten gelangt sei. Die Bahn habe diese Informationen "bis heute gespeichert". Nach dem Bundesdatenschutzgesetz habe die Bahn diese Daten aber gar nicht "rechtmäßig" verarbeiten können.

Nach Erkenntnissen der Berliner Behörde hat die Bahn darüber hinaus weitere Kontodaten rechtswidrig gespeichert, die von der Network Deutschland GmbH, einer anderen Detektei, offenbar illegal besorgt worden waren. Network hat für ein Honorar von gut 800.000 Euro mehr als 40 Aufträge für das Staatsunternehmen abgewickelt. Diese Detektei ist auch in den Spitzelskandal bei der Deutschen Telekom verwickelt. Bei der Bahn hatte sich vor allem die Vorstandschef Hartmut Mehdorn unterstellte Konzernrevision darum gekümmert, die eigene Belegschaft auszuspähen.

Zweck der Screenings teilweise unklar

Dix wirft der Revision vor, dabei "völlig auf rechtliche Prüfungen verzichtet" zu haben. Das erwecke den Anschein, als ob die Konzernrevision "ihren Arbeitsbereich als rechtsfreien Raum verstanden" habe. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen haben bereits wiederholt erklärt, dass ein Staatsunternehmen sich beim Umgang mit dem Personal beispielhaft verhalten müsse. Das sei bei der Bahn nicht der Fall gewesen.

Die Bahn hatte in mehreren Verfahren die Daten ihrer Mitarbeiter daraufhin abgeglichen, ob es Übereinstimmungen mit Lieferanten gab. Keines der Screening-Verfahren habe die rechtlichen Anforderungen erfüllt, schreibt Dix. So gebe es keine Aufzeichnungen des Konzerns, "in denen vor einem Screening die Zwecke hierfür schriftlich festgelegt wurden." Teilweise sei der Zweck des Screenings bis zuletzt unklar geblieben.

Die Konzernrevision habe alle Arbeitnehmer gescreent, deren Daten sie über die Personalverwaltung in Frankfurt erhalten konnte. "Hierunter sind viele Mitarbeiter, bei denen keinerlei oder allenfalls geringe Gefahr besteht, dass sie ihre Position zu Korruptionshandlungen ausnutzen (z. B. Zugbegleiter, Fahrkartenverkäufer etc.)", heißt es in dem Bericht. "Dies ist unverhältnismäßig und damit rechtswidrig."

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