Bahn: Personalvorstand Weber:"Ein Streik ist das Letzte, was wir brauchen"

Trägt die radikale Personalkürzung der vergangenen Jahre Mitschuld am Bahn-Chaos? Personalvorstand Weber über die Zukunft der Mitarbeiter - und die Vorteile eines Beschäftigungspaktes.

Daniela Kuhr

Der Mann hat erst Sport studiert, dann Jura. Ulrich Weber war Anwalt, bevor er zur Ruhrkohle ging, die später in Evonik umbenannt wurde. Evonik-Chef Werner Müller schätzte Weber offenbar. Müller war damals auch Aufsichtsratschef der Bahn und lotste ihn 2009 in deren Vorstand. Jetzt steht der 60-Jährige vor einem Tarifkonflikt mit der GDL sowie der Eisenbahngewerkschaft EVG.

Fortsetzung der Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn

Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber: "Arbeitgeber werden in Zukunft frühzeitig überlegen müssen, wo sie Mitarbeiter, die ihr Berufsleben lang physisch oder psychisch besonders beansprucht werden, im fortgeschrittenen Alter einsetzen können."

(Foto: dapd)

SZ: Herr Weber, sind Sie kürzlich Bahn gefahren?

Weber: Ja, bin ich.

SZ: Und? Gab es Probleme?

Weber: Die gab es leider. Schon allein, weil die Züge häufig sehr voll waren. Bei diesem Wetter wollten die Leute nicht mehr Auto fahren oder konnten nicht mehr fliegen. Dass viele Menschen gleichzeitig auf die Bahn umgestiegen sind, hat unsere derzeit begrenzten Kapazitäten zusätzlich angespannt.

SZ: Müssen die Fahrgäste nach dem Schnee jetzt auch noch Streiks fürchten?

Weber: Ich hoffe nicht, es wäre auch unangemessen. Dies ist keine gewöhnliche Tarifrunde. Die Themen eignen sich nicht für einen Streik.

SZ: Was meinen Sie?

Weber: Es geht den Gewerkschaften ja nicht nur um Geld, sondern vor allem um einen Flächentarifvertrag, der für die Branche annähernd gleiche Lohnstandards setzen würde. Im Grunde wollen das auch die Unternehmen selbst, allerdings mit unterschiedlichen Vorstellungen über die Höhe des Lohnniveaus.

SZ: Der SPD-Politiker Peter Struck versucht zu schlichten. Gelingt das?

Weber: Wir haben für die Zeit der Schlichtung Stillschweigen vereinbart. Ich hoffe aber, dass wir ohne weitere Beeinträchtigungen für unsere Fahrgäste zu einer Lösung kommen. Ein Streik wäre das letzte, was wir jetzt brauchen, weder für unsere Kunden noch für den Fortgang der Verhandlungen.

SZ: Ein Branchentarifvertrag würde vor allem Ihre Wettbewerber treffen, die dann die hohen DB-Löhne zahlen müssten. Ziehen Sie womöglich bei dieser Forderung mit der EVG an einem Strang, um die Konkurrenz plattzumachen?

Weber: Unsinn. Dasåå Verhältnis der Deutschen Bahn zum Wettbewerb scheint ein Dauerthema zu sein, obwohl Wettbewerb für uns seit vielen Jahren Normalität ist, gerade im Regionalverkehr. Umso wichtiger ist gleichwohl, dass wir jetzt einen neutralen Schlichter haben, der darauf achtet, dass niemand die Gespräche dominiert. Der Flächentarifvertrag ist uns aus einem anderen Grund wichtig: Fairer Wettbewerb darf nicht über Personalkosten und damit auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.

SZ: Sie reden mit den Gewerkschaften auch über die Verlängerung des Beschäftigungspakts, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. In der Wirtschaft dagegen werden Menschen zunehmend nur noch befristet eingestellt.

Weber: Der Beschäftigungspakt hat sich bewährt. Er gibt unseren Mitarbeitern die Gewissheit, dass sie bei Beschäftigungswegfall einen neuen Arbeitsplatz bei uns im Konzernverbund finden. Der betroffene Mitarbeiter muss allerdings flexibel und mobil sein. Über mögliche Wege zur Fortsetzung des Pakts werden wir mit den Gewerkschaften noch einiges zu verhandeln haben.

SZ: Was zum Beispiel?

Weber: Der Pakt muss angepasst werden an die heutigen Herausforderungen. Derzeit liegt das Durchschnittsalter unserer Belegschaft bei 45,9 Jahren. Und es wird weiter steigen wegen des demographischen Wandels und der Rente mit 67.

SZ: Sie meinen den 64-jährigen Gleisbauer, der künftig noch zwei weitere Jahre arbeiten muss?

Weber: Zum Beispiel. Nicht jeder wird dazu körperlich in der Lage sein. Arbeitgeber werden in Zukunft frühzeitig überlegen müssen, wo sie Mitarbeiter, die ihr Berufsleben lang physisch oder psychisch besonders beansprucht werden, im fortgeschrittenen Alter einsetzen können. Für den Gleisbauer bei der Bahn käme vielleicht der Dienstleistungsbereich in Frage. Dafür aber muss er rechtzeitig qualifiziert werden. Und dazu müssen nicht nur wir als Unternehmen bereit sein, sondern auch er. Es ist bislang ja leider nicht jedermanns Sache, mit 59 Jahren noch einmal etwas ganz anderes zu machen.

Die Effizienz der Stabilität

SZ: Aber warum überhaupt einen Beschäftigungspakt? Die wenigsten Menschen in Deutschland kennen so etwas.

Weber: So ein Pakt sorgt für Stabilität in einem Unternehmen, besonders in Zeiten des Wandels. Ich bin überzeugt: Wenn Mitarbeiter keine Zukunftsangst haben müssen, arbeiten sie effizienter. Das erhöht die Produktivität und ist letztlich ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Zugleich hilft uns der Pakt, uns als attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren. Neben vielen anderen Vorzügen, die wir als großer Konzern mit einer Vielfalt von Berufen zu bieten haben: für Akademiker, Facharbeiter und auch Ungelernte. Das wird im zunehmenden Wettbewerb um gute Mitarbeiter immer entscheidender.

SZ: Wobei die Bahn ja wohl kein Problem haben dürfte, sich als guter Arbeit-geber zu präsentieren. Angeblich gibt es bei Ihnen sogar einen Zuschlag für diejenigen, die am Tag vor einem Feiertag arbeiten müssen.

Weber: So einen Zuschlag gab es tatsächlich einmal für viele Feiertage, inzwi-schen aber gilt das nur noch für den 24. und den 31. Dezember - und auch nur für bestimmte Berufsgruppen.

SZ: Die Fahrgäste dürfen über die Ticketpreise dafür aufkommen.

Weber: Anders als in vielen anderen Unternehmen sind dafür unsere Mitarbeiter auch 365 Tage im Jahr für die Kunden da, feiertags wie am Wochenende. Aber natürlich müssen wir auf Ausgewogenheit achten, denn der Kunde entscheidet am Ende, was er zu zahlen bereit ist.

SZ: Die Bahn hat in 16 Jahren die Zahl der Mitarbeiter in Deutschland fast halbiert. Kann es sein, dass das zu viel war?

Weber:Nein. Unsere Ausbildungs- und Einstellungspolitik orientiert sich am Bedarf unseres Unternehmens. Ich habe auch nicht wahrgenommen, dass die Fahrgäste zuletzt über zu wenig Zugbegleiter oder Lokführer geklagt hätten. Es fehlt an Zügen, nicht an Personal.

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