Bahn: Nach dem Datenskandal:Radikalumbau im Vorstand

Bahn-Chef Rüdiger Grube greift nach dem Datenskandal durch: Ein vierter Vorstand muss wohl gehen - und weitere Konsequenzen werden folgen.

Michael Bauchmüller und Klaus Ott

Zu wenig Transparenz und mangelnde Konsequenzen will sich der neue Bahn-Chef nicht vorwerfen lassen. Nicht in dieser Sache, nicht nach diesen Ereignissen. Rüdiger Grube wird schonungslos das Licht der Öffentlichkeit suchen an diesem Mittwoch. Und er werde, das kündigen Aufsichtsräte an, auch schonungslos aufräumen.

Deutsche Bahn, ddp

Nach dem Datenskandal ordnet Bahn-Chef Rüdiger Grube die Führung des Konzerns neu.

(Foto: Foto: ddp)

Es geht um Missstände im Staatsunternehmen. Knapp drei Monate lang haben Sonderermittler den Datenskandal bei der Bahn untersucht, haben Akten gesichtet und Mitarbeiter befragt. Zwischenergebnisse über die Kontrolle des E-Mail-Verkehrs der Belegschaft brachten Ende März Grubes Vorgänger Hartmut Mehdorn zu Fall. An diesem Mittwoch sollen der Aufsichtsrat und der Bundestag die ganze Wahrheit über den Daten- und E-Mail-Skandal bei der Bahn erfahren. Es wird ein Bericht mit Folgen werden.

Wiesheu verlässt den Vorstand

Eine Konsequenz aus dem Datenskandal ist ein großes Stühlerücken im Vorstand des Konzerns. Grube baut die Konzernspitze in Rekordtempo um. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung verlässt auch der frühere bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) den Vorstand. Wiesheu war einer der engsten Vertrauten des bisherigen Bahn-Chefs Hartmut Mehdorn, der auf Druck der Bundesregierung wegen der wiederholten Ausspähung der eigenen Belegschaft zurücktreten musste.

Der frühere CSU-Politiker Wiesheu ist bereits der insgesamt fünfte Bahnvorstand, der binnen kurzer Zeit ausgewechselt wird. Er verlässt nach SZ-Informationen Ende Mai die Bahn, zusammen mit Norbert Bensel, der im Vorstand für das Logistikgeschäft und die Gütertransporte zuständig war. Außerdem gehen die für das Personal verantwortlichen Vorstände Norbert Hansen und Margret Suckale.

Wiesheu war bei der Bahn für die Kontakte zu Bundestag und Bundesregierung, Bundesländern und auf europäischer Ebene zuständig. Er hatte im Auftrag von Mehdorn versucht, auf politischer Ebene die Privatisierung des Staatsunternehmens voranzutreiben. Zum Verantwortungsbereich von Wiesheu gehörte auch die Konzernsicherheit, die in den Datenskandal verstrickt ist. Der CSU-Politiker war Anfang 2006 von Mehdorn zur Bahn geholt worden, sein Vertrag wäre noch bis Ende 2010 gelaufen.

Feuerwehrmann für gefährdete Betriebe

Als Wirtschaftsminister in Bayern hatte sich Wiesheu großes Ansehen sowohl im Unternehmerlager als auch bei den Gewerkschaften erworben. Er setzte sich als eine Art Feuerwehrmann immer wieder für gefährdete Betriebe und die dortigen Arbeitsplätze ein. Wiesheu hatte über viele Jahre hinweg zum engsten Führungskreis der CSU gehört.

Auch der ehemalige Gewerkschaftschef Norbert Hansen wird sich nicht halten können. Seinen Vertrag als Personalchef will der Aufsichtsrat beenden, womöglich schon an diesem Mittwoch. Margret Suckale, bislang ebenfalls für das Personal zuständig, kommt einer möglichen Abberufung zuvor und wechselt zu BASF. Als nächster Vorstand soll Bensel gehen.

Die Bahn wollte die Vorgänge am Dienstag nicht bestätigen. Ein Konzernsprecher verwies auf Grubes Pressekonferenz am Mittwochmittag. Dort ist mit vielen Neuigkeiten zu rechnen, zur Datenaffäre ebenso wie zum Personal. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird sich wohl die bisherige Linie der Bahn unter dem alten Konzernchef Mehdorn, die Spähaktionen seien ohne Wissen und Billigung von Vorstandsmitgliedern vonstatten gegangen, mit dem Schlussbericht kaum noch halten lassen. Dem Vernehmen nach gibt es Hinweise darauf, dass auch einzelne Vorstände eingebunden gewesen seien.

Ein Aufsichtsrat sagte, die Bundesregierung habe Grube "freie Hand" gegeben, die Konzernspitze nach seinen Vorstellungen zu verändern. Der neue Bahn-Chef habe am Dienstag zahlreiche Einzelgespräche mit Vorstandskollegen sowie mit Managern aus der zweiten und dritten Reihe geführt und "personelle Veränderungen" angekündigt. Es werde insgesamt einen ziemlich großen Wechsel geben. Grube wolle nach dem Ende der zuletzt glücklosen und skandalträchtigen Ära Mehdorn einen "umfassenden Neuanfang". Das sei zwischen Grube und dem Chef des Aufsichtsrats, dem früheren Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, so abgesprochen.

Zahlreiche Spähaktionen

Bensel, 61, war von 2002 bis 2005 Personalvorstand der Bahn, bevor er die Sparte Logistik und Transport übernahm. In Bensels Zeit als Personalchef fallen mehrere Spähaktionen in der Belegschaft, die erst in diesem Jahr bekannt wurden und großen Unmut unter den Beschäftigten und in der Öffentlichkeit auslösten. Die Daten für diese Spähaktionen, mit denen die Bahn nach kriminellen Geschäften forschte, stammten aus der Personalverwaltung. Als "unverhältnismäßig und rechtswidrig" rügte der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix diese Spähaktionen.

Nach Angaben aus Aufsichtsratskreisen war am Dienstag noch offen, wann Bensel gehen solle, ob sofort oder erst im Verlauf der kommenden Monate. Unklar blieb auch, wie der Vertrag aufgelöst werden solle. Bei diesem Wechsel wird es wohl nicht bleiben. Alexander Kirchner, Chef der Bahngewerkschaft Transnet, geht von weiteren "personellen Veränderungen unterhalb des Vorstandes" aus. Der beurlaubte Leiter der Konzernrevision, Josef Bähr, und Sicherheitschef Jens Puls müssten wegen des Datenskandals gehen, so Kirchner. "Die sind so tief im System verstrickt, dass man da einen Neuanfang machen muss."

Offen ist, ob auch Ex-Staatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner seinen Hut nehmen muss, der sich unter Mehdorn um den Kampf gegen Betrug und Korruption gekümmert hatte und sorgsam das Image des Aufklärers pflegte. Er hatte bis zuletzt die Spähaktionen verteidigt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: