Bahn in Not:Erweitern? Von wegen!

Der Bahn fehlt Geld für das Schienennetz. Jetzt will sie Millionen von Neubauvorhaben abziehen, um das Netz zu sanieren.

Michael Bauchmüller

Das Netz der Deutschen Bahn und seine Finanzierung ist eine Welt für sich. Da gibt es Weichen, Brücken, Stellwerke, die mit den Jahren marode werden und nach Sanierung rufen - das "Bestandsnetz".

Bahn in Not: Deutsche Bahn: "Völlig unterfinanzierte" Bauvorhaben

Deutsche Bahn: "Völlig unterfinanzierte" Bauvorhaben

(Foto: Foto: dpa)

Da gibt es Milliardenprojekte, die neu gebaut werden, oft über viele Jahre hinweg - sie stehen im "Bedarfsplan". Für beides zahlt der Bund in diesem Jahr knapp 3,5 Milliarden Euro.

Glaubt man der Bahn, dann reicht das Geld für die Sanierung hinten und vorne nicht. Beim Rapport im Verkehrsministerium schlug Volker Kefer, Vorstand der DB Netz, schon im Sommer Alarm: Bei der Sanierung habe die Bahn mehr Projekte als Geld. Der Konzern laufe Gefahr, "dass der Bedarf an Mitteln für Investitionen in das Bestandsnetz zum Ende des Jahres deutlich überschritten werde", hält das Ministerium in einem Protokoll fest.

Deshalb wolle die Bahn 175 Millionen Euro vom Neubautopf in den Sanierungstopf umschichten. Schließlich würden nicht alle Neubaumittel abgerufen. "Wie in den vorangegangenen Jahren", so hält der Gesprächsvermerk des Ministeriums fest, setze die Bahn auf "einen flexiblen Ausgleich" zwischen den beiden Etats. Dies würde verhindern, dass Mittel schlicht verfallen, wie es in der Vergangenheit gelegentlich vorkam.

"Völlig unterfinanziert"

Ganz so einfach sollte es aber in diesem Jahr offenbar nicht gehen. "Es ist schwer vermittelbar", so beschwerten sich Beamte des Verkehrsministeriums in einem internen Vermerk, "dass es der DB AG wiederum nicht gelingt (oder nicht gelingen will), die Mittel für den Bedarfsplan vollständig umzusetzen".

Dieser Umstand an sich wiederum ist bemerkenswert, hatte doch erst vorige Woche ausgerechnet der Netzbeirat der Bahn beklagt, für den Aus- und Neubau stehe nicht genügend Geld zur Verfügung. "Völlig unterfinanziert" seien die dringend nötigen Bauvorhaben, warnte Beirats-Chef Wolf Gorka.

Ursprünglich sollte die Bahn dieses Jahr 988 Millionen Euro in neue Strecken stecken. Zumindest bis zum Sommer war sie auf gutem Wege. Bis auf einen "Rest von rund 3,8 Millionen Euro", schrieben Beamte des Verkehrsministeriums im Juli, sei die Verwendung dieser Mittel mit dem Bund vereinbart. "Auch ein geringerer Betrag als 175 Millionen Euro", so schlossen die Beamten, "könnte zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinesfalls dem Bestandsnetz zur Verfügung gestellt werden" - schon technisch nicht.

Unklar bleibt, woher die 175 Millionen Euro kommen sollen. Die Bahn konnte das auf Anfrage nicht darlegen, wie sie überhaupt zur ganzen Causa schweigt. "Zu solchen Vorgängen nehmen wir keine Stellung", heißt es bei DB Netz.

Das Verkehrsministerium stimmte dem Deal schlussendlich dennoch zu. 175 Millionen Euro, beschied Staatssekretär Matthias von Randow, könnten noch dieses Jahr dem Bestandsnetz zufließen. Allerdings, so heißt es nun im Verkehrsministerium, nur unter Auflagen.

Demnach muss die Bahn das Geld "binnen zwei Jahren zurückzahlen". Einstweilen gelte aber: "Was verbaut werden kann, muss verbaut werden", so ein Sprecher. Eine Zustimmung der Bundestags-Haushälter sei nicht nötig.

Heikel ist die Sache dennoch. Der Bund gibt mittlerweile jährlich 2,5 Milliarden Euro für die Instandhaltung des Schienennetzes, die Bahn legt 500 Millionen Euro drauf. Mit diesen drei Milliarden, so ist vereinbart, muss die Netzsparte ihre Gleise pflegen, Brücken erneuern, Stellwerke sanieren. Bund und Bahn planen dazu eine fixe Finanzierungsvereinbarung.

Sie würde die 2,5 Milliarden Euro des Bundes auf Jahre hin festschreiben, mit einem Haken: Verschieben lässt sich dann nichts mehr - die Bahn muss damit auskommen. Intern deutet sie schon an, dass die auf Dauer knapp werden. Allein steigende Baukosten verursachten Mehrkosten von 900 Millionen Euro jährlich. Woher nehmen? Soll die Bahn nicht Strecken stillegen, müsste sie bald mehr für die Trassen verlangen. Es sei denn, der Bund hilft wieder mal aus.

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