Bahn-Datenskandal:Ein neuer Fall für zwei

Sie ziehen an einem Strang: Die Ex-Minister Herta Däubler-Gmelin und Gerhart Baum sollen neben dem Datenskandal der Telekom nun den bei der Bahn aufklären.

Hans Leyendecker

Auch in der Welt der Juristerei gibt es Rollenspiele, aber dass eine ehemalige Bundesjustizministerin und ein ehemaliger Bundesinnenminister gemeinsam in einem Verfahren auftreten, ist sehr ungewöhnlich: Seit im Frühsommer 2008 der Telekom-Skandal publik wurde, gibt es das neue Anwalts-Duo Herta Däubler-Gmelin, 65, und Gerhart Baum, 76.

Bahn-Datenskandal Ein neuer Fall für zwei

Musste nach 22 Jahren Bundestag weichen - Gerhart Baum.

(Foto: Foto: AP)

Gemeinsam machen sie Druck

Beide haben ihr Mandat von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat bekommen. Sie formulieren Strafanzeigen, sichten Akten des Konzerns, konferieren mit Staatsanwaltschaft und Unternehmensleitung - die beiden Alten machen Druck. "Gemeinsam" betonen sie nimmermüde.

Sie geben sich wie Synchronschwimmer, formulieren sogar ähnlich. Die "Bespitzelungskultur" müsse enthüllt werden, sagt Baum. Die "Allmachtphantasien" der Konzernsicherheit müssten aufgezeigt werden, sagt Däubler-Gmelin. Wenn der eine redet, bastelt der andere an der neuen Strategie und signalisiert zugleich der Kollegin/dem Kollegen allergrößte Zustimmung.

Das Gedränge der Aufklärer

Das Duo, das im Telekom-Komplex fünfzig Mandanten vertritt, bekam an diesem Mittwoch ein weiteres Mandat bei einem prominenten Staatsunternehmen - diesmal vom Aufsichtsrat der Deutschen Bahn (DB), auf Vorschlag der Arbeitnehmervertreter. Däubler-Gmelin/Baum sollen helfen, die dortige Datenaffäre aufzuklären, in der in den vergangenen Jahren immer wieder große Teile der Belegschaft überprüft worden waren.

Es gibt dort mittlerweile ein Gedränge von Beratern und Aufklärern: Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt auf Initiative der Bahn, die selbst auch Untersuchungen anstellt; die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG soll den Fall aufarbeiten, eine Berliner Kanzlei wurde eingeschaltet und Bahnchef Hartmut Mehdorn wird seit Jahren von dem Frankfurter Anwalt Hanns Feigen beraten. Und nun eben auch Däubler-Gmelin und Baum. Ein neuer Fall für zwei.

Ergänzen sich sehr gut

Baum ist Partner der Düsseldorfer Kanzlei Baum-Reiter & Kollegen, Däubler-Gmelin beratende Anwältin der 1975 als Sozietät gegründeten Kanzlei Schneider Schwegler. Die Schwäbin, sagen Beobachter, fahre eine Antenne aus, um sich auf Gesprächspartner einzustellen. Er sei Spezialist für die politische Einordnung von Sachverhalten.

Es war ein langer Weg, bis sie zusammenfanden. 1972 wurde Willy Brandt als Kanzler wiedergewählt und der Freidemokrat Baum und die Sozialdemokratin Däubler-Gmelin kamen in den Bundestag. Baum wurde gleich Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, die damals 29 Jahre junge Däubler-Gmelin startete die Ochsentour im Parlament.

Auf der nächsten Seite lesen Sie mehr über die Höhen und Tiefen der Karrieren von Baum und Däubler-Gmelin.

Ein neuer Fall für zwei

Anerkennung von der Kollegin

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Herta Däubler-Gmelin musste nach ihren Äußerungen über den ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush ihren Posten räumen.

(Foto: Foto: dpa)

1980 wurde sie Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, da war er schon zwei Jahre Bundesinnenminister. Er kämpfte für den Datenschutz, trat gegen den Überwachungsstaat an, lockerte den Radikalenerlass. 1982 wechselte die FDP gegen seinen Widerstand von der SPD zur Union. Er blieb, anders als andere, FDP-Mitglied. "Seine sozialliberale Richtung hat mir immer imponiert", sagt Däubler-Gmelin.

Nach der Wende gab es bei ihm Brüche, Deformationen. Abstimmungen wurden für ihn zu Desastern. Die Freidemokraten hegten die Wirtschaftsklientel und für den liberalen Baum war eigentlich kein Platz mehr. 1994 musste er nach 22 Jahren Bundestag weichen.

Gegen die Angstmacher in Berlin

Herta Däubler-Gmelin, die Spitzenjuristin mit der berühmten "Schwertgosch" hatte da noch ihre ganz große politische Zeit vor sich: Als sie 1998 das Bundesjustizministerium übernahm, verwandelte sie das Haus in eine Reformwerkstatt und legte sich auch heftig mit dem damaligen Innenminister Otto Schily an. Wegen einer unglücklichen Äußerung über den sehr unglücklichen George W. Bush durfte sie das Amt nicht behalten.

Baum war nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag wieder Anwalt geworden. Er vertrat die Opfer des Ramstein-Unglücks, die Angehörigen der Concorde-Katastrophe und auch ehemalige russische Zwangsarbeiter. Durch erfolgreiche Verfassungsbeschwerden, die er gemeinsam mit alten Weggefährten wie Burkhard Hirsch verfasste, bot er den Angstmachern in Berlin Paroli.

Ehrenamtliches Engagement

Däubler-Gmelin, die schon 1974 als Rechtsanwältin zugelassen worden war, rannte bald nach ihrem Sturz wieder los. Sie leitet den Menschenrechtsausschuss des Bundestages, wurde Spezialistin für den Rechtsstaatsdialog mit China und Russland, sie hat eine Honorarprofessur in Berlin, eine beratende Professur in Shanghai und kümmert sich um die Hospizbewegung.

Öffentlich fiel sie Anfang 2007 als Schlichterin im Tarifkonflikt der Fluglotsen auf. Es gibt im Leben der beiden manche Parallele. Beide haben sich früh für Menschenrechte eingesetzt. Als Baum UN-Sonderbeauftragter für die Menschenrechte im Sudan war, tourte er allein durch die Welt, und das ging ihm aufs Gemüt. "Zusammen geht vieles besser", sagt er.

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