Bahn-Chef Mehdorn in Erklärungsnot:Fünf Tage für 119 Fragen

Informationspolitik nach Gutsherrenart: Bis vor kurzem tat die Bahn alle Ausforschungsvorwürfe als "blühenden Unsinn" ab - nun muss sich Konzernchef Mehdorn vor dem Aufsichtsrat und dem Bundestag erklären.

Klaus Ott

Eigentlich wollte sich der frühere Bundeswirtschaftsminister Werner Müller in diesen Tagen in der Schweiz erholen. Doch der langjährige Manager aus der Energiebranche kann seinen Aufenthalt bei den Eidgenossen nicht so richtig genießen. Müller leitet den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn (DB), und in dieser Funktion erhält er täglich neue, schlechte Nachrichten aus dem Staatsunternehmen.

Mehdorn in Erklärungsnot

Hartmut Mehdorn in Erklärungsnot: Politiker fordern vom Bahn-Chef eine Entschuldigung für die Spitzel-Affäre.

(Foto: Foto: ddp)

Von der Schweiz aus muss sich der Ex-Minister mit dem Datenskandal befassen, dem Konzernchef Hartmut Mehdorn nicht Herr wird. Am Dienstag äußerte sich der Aufsichtsratsvorsitzende nach vielen Telefonaten mit den Hauptakteuren erstmals öffentlich.

Müller sprach von einem "ernsten Thema", das vom Kontrollgremium alsbald bei einer Sondersitzung behandeln werde. Ein solches Treffen haben die Bahngewerkschaften gefordert, die knapp die Hälfte der 20 Aufsichtsräte stellen. Müller fügte hinzu, das Gremium werde jetzt "vollständige Klarheit in dieser Angelegenheit herbeiführen". Und man werde Regeln schaffen, die "eine Wiederholung dieser Vorgänge ausschließen".

Überall nur Unmut

Mit den Vorgängen sind auch die beiden Datenabgleiche bei einem Großteil der 240.000 Mitarbeiter gemeint, mit denen die Bahn nach kriminellen Geschäften von Beschäftigten mit Lieferanten des Unternehmens forschte. Die Spähaktionen sorgen nahezu überall für Unmut: in der Belegschaft, bei den Gewerkschaften, im Bundestag, und anderswo.

Für völlige Klarheit hätte Mehdorn schon längst selbst sorgen können, Zeit genug hatte er ja. Vor acht Monaten schon war die Zusammenarbeit mit der Privatdetektei Network bekannt geworden, die unter anderem zu dem ersten der beiden Datenabgleiche führte. Doch bis vor kurzem tat die Bahn alle Vorwürfe, man habe Mitarbeiter auf fragwürdige, wenn nicht gar unzulässige Art und Weise ausgeforscht, als "blühenden Unsinn" ab. Ihren Höhepunkt erreichte diese Beschwichtigungspolitik am Montag voriger Woche, als Konzernchef Mehdorn Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee schrieb, es gebe "keine neuen Erkenntnisse". Der Sachverhalt sei seit Sommer 2008 bekannt.

Wenige Tage vor Mehdorns Schreiben vom 26. Januar an Tiefensee hatte die Bahn behauptet, sie agiere "beispielhaft im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität und Korruption". Wenige Tage nach dem Brief gab die Bahn in Bundestag und Aufsichtsrat nach und nach die Spähaktionen zu. Der Bahnvorstand will davon vorher nichts gewusst haben. Sollte dem so sein, dann stellte sich die nächste unangenehme Frage für Mehdorn: Weiß der Vorstandschef nicht, was in seinem Konzern vor sich geht? Zu Mehdorns Schreiben an Tiefensee nimmt die Bahn nicht Stellung. "Wir äußern uns nicht zu internen Briefwechseln", sagte ein Sprecher.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Welche Kernfragen am kommenden Mittwoch erläutert werden sollen.

Fünf Tage für 119 Fragen

Antworten am kommenden Mittwoch

Erst jetzt, unter dem Druck von Regierung und Bundestag, von Aufsichtsrat, Belegschaft und Gewerkschaften, wird aufgeklärt. 119 Fragen hat der Verkehrsausschuss des Bundestags der Bahn übermittelt, mit der Maßgabe, bei der nächsten Sitzung am kommenden Mittwoch zu antworten. Die Kernfragen lauten: Wer hat wann welche Datenabgleiche und sonstige Nachforschungen in Auftrag gegeben und wer hat wann davon erfahren? Die Abgeordneten wollen auch wissen, wie viele Leute bei den jeweiligen Projekten insgesamt ausgeforscht wurden und um welche Personenkreise es sich gehandelt hat: Führungskräfte, Betriebsräte, Ehepartner von Angestellten, und so fort. Alles soll ausgeleuchtet werden.

Der FDP-Abgeordnete Horst Friedrich hat bereits geargwöhnt, die Bahn wolle die Fragen nicht beantworten unter Hinweis auf die von Mehdorn eingeschaltete Berliner Staatsanwaltschaft. Friedrich sah dieses Vorgehen als Trick. Sobald ein Staatsanwalt ermittelt, haben Beschuldigte das Recht, die Aussage zu verweigern. Das solle die "politische Aufarbeitung des Skandals" im Bundestag verhindern, befürchtete Friedrich.

Die Bahn nährte solche Spekulationen, indem sie nicht dazu Stellung nahm, ob man die vielen Fragen des Verkehrsausschusses beantworten werde. In diesem Punkt hat Aufsichtsratschef Müller jetzt für Klarheit gesorgt. Müller erklärte, er habe Mehdorn gebeten, die Antworten auf die Fragen des Parlaments dem Aufsichtsrat "vorab", das hieße kommenden Dienstag, zur Verfügung zu stellen. Müller: "Das hat Mehdorn zugesagt." Die Bahn antwortet also, dem Aufsichtsrat wie auch dem Bundestag.

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