Bahn-Aufsichtsratschef Müller:Nüchtern und pragmatisch

Kein leichter Job: Bahn-Chefkontrolleur Müller darf Konzernchef Mehdorn bei der Aufklärung des Daten-Skandals nicht entwischen lassen - die Angaben des obersten Eisenbahners erhält er vorab.

Nico Fried

Werner Müller hat Erfahrung mit Leuten, die in der Patsche sitzen. Im März 2001, als er noch Bundeswirtschaftsminister war, half Müller seinem Kabinettskollegen Jürgen Trittin. Der hatte sich einen saudummen Nazi-Vergleich erlaubt, dem ein Antrag der schwarz-gelben Opposition auf Entlassung folgte. In einer legendären Rede, in der er Trittins Fehler nicht entschuldigte, dessen Kritiker aber überzeugend der Selbstgerechtigkeit zieh, stellte sich Müller an die Seite des Umweltministers. Er habe manchen Streit mit dem eigenwilligen Kollegen, so Müller, aber am Ende sei der auch sehr verlässlich.

Bahn-Aufsichtsrat Nüchtern und pragmatisch dpa

Die Spekulationen, Werner Müller könne selbst zum neuen Chef der Bahn gemacht werden, wies er als "nicht einmal schlau, sondern doof" zurück.

(Foto: Foto: dpa)

Mit Hartmut Mehdorn gut kooperiert

Jetzt, im Februar 2009, heißt der Delinquent Hartmut Mehdorn, Vorstandschef der Bahn und öffentliche Reizfigur; wieder so ein Dickkopf und Heißsporn, aber eben auch kein schlechter Manager und einer, mit dem Müller gut kooperiert hat. Die Fälle liegen ganz anders und doch gibt es Ähnlichkeiten: Wie Trittin damals muss auch Mehdorn heute in der Affäre um Datenmissbrauch beim Schuldbewusstsein nachgeholfen werden. Und auch in Sachen Bahn finden sich einige Selbstgerechte, die sich nun die Unbeliebtheit des Managers für ein ebenso flottes wie billiges Anti-Mehdorn-Statement im Fernsehen zunutze machen.

Werner Müller, von den Enthüllungen aus dem Konzern und dem neuerlichen Streit um Mehdorn im Urlaub heimgesucht, steht nun in der Verantwortung, Mehdorn bei der Aufklärung nicht mehr entwischen zu lassen. Die Auskünfte, die der Bahnchef nächste Woche dem Verkehrsausschuss des Bundestages präsentieren will, lässt sich der Aufsichtsratschef vorab aushändigen. Die Spekulation, er selbst könne Mehdorns Nachfolger werden, ließ Müller als "nicht einmal schlau, sondern doof" zurückweisen.

Typisch Müller eben

Manch einer vermutet nun, dass bei der weiteren Klärung eine alte SPD-Seilschaft zusammenhält: Gerhard Schröder machte Mehdorn 1999 zum Bahnchef und Müller 2005 zum Aufsichtsratsvorsitzenden.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier, ehemals Schröders Kanzleramtschef, und Finanzminister Peer Steinbrück waren vehemente Kämpfer für den einstweilen gescheiterten Börsengang der Bahn. Fraktionschef Peter Struck wiederum ist ein Nachbar Mehdorns und trifft Müller gelegentlich im Beirat von Borussia Dortmund. Das Problem an dieser Theorie ist nicht nur, dass Müller bis heute parteilos geblieben ist, sondern auch, dass selbst seine Freunde in der SPD mit einer nüchternen und pragmatischen Behandlung des Falles Mehdorn rechnen - typisch Müller eben.

Der 62-Jährige, der seinen Chefposten bei Evonik 2008 freiwillig räumte ("Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören"), braucht keinen unnötigen Ärger mehr. Mit dem Kompromiss zum Ausstieg aus der Steinkohle und dem Umbau des RAG -Konzerns hat Müller eine parteiübergreifend anerkannte Leistung geschafft, die ihm den Titel Manager des Jahres einbrachte. Selbst mit der Kanzlerin, die ihm einige Zeit lang nicht gut gesonnen war, hat er sich mittlerweile ausgesprochen. Böse Zungen behaupten, Müllers besondere Feindschaft zum nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers mache ihn Angela Merkel sogar sympathisch.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: