Bahn:Auf der Strecke

Verbraucherschützer kritisieren eine mögliche Aufweichung von Fahrgastrechten. Millionen von Bahnkunden wären betroffen.

Von Markus Balser, Berlin

Die geplante Neuregelung der Fahrgastrechte für Bahnkunden in Europa löst bei führenden Verbraucherschützern Protest aus. "Bahnunternehmen dürfen nicht aus der Pflicht genommen werden, wenn es darum geht, Verbraucherinnen und Verbraucher bei Zugverspätungen und -ausfällen zu entschädigen", sagt Klaus Müller, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), der Süddeutschen Zeitung. "An der aktuellen Rechtslage darf nicht gerüttelt werden." Die geplante Novelle mache "das Verkehrsmittel Bahn unattraktiv".

Seit Monaten arbeitet die Europäische Kommission an einer Novelle der Fahrgastrechte. Am 20. Juni wird der Verkehrsausschuss im Europäischen Parlament über das Vorhaben abstimmen. "Die Mitglieder des Europäischen Parlaments haben es nun in der Hand: Sie müssen sich dafür einsetzen, dass Bahnreisende auch künftig darauf vertrauen können, bei allen Zugverspätungen entschädigt zu werden. Alles andere wäre Bürgerinnen und Bürgern ein Jahr vor der Europawahl nicht zu vermitteln", fordert Müller weiter.

Den aktuellen Vorschlägen zufolge sollen Bahnunternehmen von ihren Entschädigungsverpflichtungen ausgenommen werden, wenn es sich um Verspätungen handelt, die durch das Verschulden Dritter, des Reisenden selbst oder höhere Gewalt verursacht wurden. Damit würden die Pflichten der Bahnunternehmen Fluggesellschaften gleich gestellt. Entsprechende Bestimmungen gibt es bereits für Fluglinien und Busunternehmen. Verbraucherschützer verweisen jedoch darauf, dass für Bahnkunden andere Regeln gelten müssten, weil sie in der Regel bei schlechtem Service nicht auf Konkurrenten ausweichen könnten.

Was eine solche Neuregelung für Bahnkunden bedeuten würde, zeigt das Beispiel des Orkans Xavier im Oktober des vergangenen Jahres. Verbraucherschützer gehen davon aus, dass in diesem Fall 2,5 Millionen Bahnkunden trotz gewaltiger Verspätungen und vieler Zugausfälle bei Entschädigungen leer ausgegangen wären. Denn während ein Sturm noch keine höhere Gewalt ist, würde ein Orkan unter die Neureglung fallen.

Bislang ist die Bahn verpflichtet - unabhängig vom Grund - Kunden ab einer bestimmten Verspätung einen Teil des Fahrpreises zurückzuerstatten. Wenn der Zug 60 Minuten und mehr Verspätung am Zielbahnhof hat, muss sie eine Entschädigung von 25 Prozent des Fahrpreises für die einfache Fahrt zahlen. Ab 120 Minuten Verspätung werden 50 Prozent des Preises fällig.

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