Babyphon-Affäre:Tiefer Argwohn

Der Machtkampf um Volkswagen entwickelt sich zu einem Kriminalfall. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking ist möglicherweise abgehört worden, ausgerechnet in einer der bis zu 200 Quadratmeter geräumigen Suiten eines Hotels, das VW gehört.

Michael Kuntz

Darauf deutet jedenfalls ein Babyphon hin, das im Ritz Carlton in Wolfsburg gefunden worden ist. Just als der VW-Aufsichtsrat Wiedeking unterwegs in dieses Gremium gewesen ist. Der harte Kostenrechner ist berühmt für unangenehme Fragen an den Vorstand von VW, dem Konzern, an dem Porsche 31 Prozent und wohl bald die Mehrheit hält.

Merkwürdig nur: Der Vorfall ereignete sich bereits im November, die sonst so schwäbisch pingelige Sportwagenfirma erstattete ihre Strafanzeige gegen unbekannt aber erst am vergangenen Mittwoch, also nach fünf Monaten. Warum wohl? Das zeigt die zunehmende Nervosität des nach außen hin stets kühl und gelassen auftretenden Wiedeking. Er, der Superstar unter den deutschen Managern, hatte die Anfang der neunziger Jahre konkursreife Firma Porsche zum profitabelsten Autohersteller der Welt gedreht. Dann schrieb er beim Kauf von VW-Aktien durch Porsche Börsengeschichte und machte die Familien Porsche und Piëch von Millionären zu Milliardären.

Nun aber gerät die Wiedeking-Story ins Stocken. Mit einem überflüssigen Interview wiegelte er die VW-Werker gegen sich auf. Eine reife Leistung, denn deren Vertreter waren zunächst begeistert gewesen vom neuen Großaktionär. Völlig unterschätzt hat Wiedeking die politische Dimension seiner kapitalistisch korrekten Kaufnummer. Eine Koalition aus Bundesjustizministerin (SPD), Ministerpräsident (CDU) und IG Metall unternimmt alles, damit Porsche nicht allein Herr im Hause VW wird, sondern das Land Niedersachsen seine traditionellen Sonderrechte behält. Und nun: das Babyphon im Bett.

So gänzlich überraschend waren Abhörversuche für Deutschlands bestbezahlten Manager wohl nicht, sonst hätte er wohl kaum sein Hotelzimmer durchsuchen lassen, vermutlich routinemäßig. Es ist auch nicht klar, was Wiedeking damit bezweckt, seine Strafanzeige erst nach fünf Monaten zu stellen. Will er nun Druck machen in einer Zeit, in der er selbst unter Druck steht? Eines steht aber schon fest: Das Thema Volkswagen ist jetzt beinahe wieder dort, wo es nach der Affäre um Lustreisen und Tarnfirmen war: in der Schmuddelecke. Das schadet VW - trotz aller Skandale geht es schließlich um Europas erfolgreichsten Autokonzern.

Ausgerechnet der VW als Aufsichtsrat verbundene Wiedeking öffnet nach fünf Monaten Bedenkzeit nun ein neues Fass. Jedenfalls ist Wiedeking die Souveränität, die ihn bislang ausgezeichnet hat, offenbar ein Stück weit abhanden gekommen. Und der Vorfall zeigt, wie groß der Argwohn zwischen den beiden Konzernen VW und Porsche bereits ist.

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