Axel Weber:"Ein Flächenbrand"

Bundesbankpräsident Weber über schwache Großbanken, den Heilsbringer Soffin - und warum die Finanzkrise längst noch nicht ausgestanden ist.

H. Einecke

Die Krise hält Axel Weber, 52, auf Trab. Der Bundesbankpräsident fürchtet, Banken und Sparkassen könnten wegen Firmenpleiten und Kreditausfällen erneut in Schwierigkeiten kommen. Er plädiert für ein Insolvenzrecht und schärfere Überwachungen. Den Bürgern verspricht er stabile Preise über die Krise hinaus.

Bundesbankpräsident Axel Weber, dpa

Bundesbankpräsident Axel Weber warnt vor verfrühter Euphorie: "Die Arbeitslosigkeit wird steigen."

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SZ: Herr Weber, ist die deutsche Wirtschaft schon über den Berg?

Weber: Sie hat die Talsohle erreicht.

SZ: Woher kommt die Wende?

Weber: Die Rettungspakete für Finanzmarkt und Konjunktur wirken. Die weltweite Verpflichtung, systemrelevante Banken nicht in die Insolvenz gehen zu lassen, beruhigt. Die erheblich gelockerte Geldpolitik entlastet. Die Kapazitätsauslastung hat sich stabilisiert.

SZ: Ist Ihre Prognose überholt, nach der die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um sechs Prozent schrumpft?

Weber: Im zweiten Quartal ist das BIP um 0,3 Prozent gegenüber dem ersten Quartal gestiegen. Das dritte Quartal dürfte ebenfalls günstiger ausfallen als gedacht. Beides sichert unsere Prognose nach unten ab, vermutlich dürfte es sogar etwas günstiger laufen.

SZ: Der Konsum läuft, die Exporte springen an, aber wie steht es um den Arbeitsmarkt?

Weber: Die Arbeitslosigkeit wird steigen, wenn die Kurzarbeit ausläuft. Das könnte den Konsum belasten, dürfte aber die Erholung insgesamt nicht gefährden, höchstens deren Dynamik schwächen.

SZ: Unternehmen klagen, sie bekämen zu wenig Kredit von den Banken. Das könnte den Aufschwung doch auch gefährden.

Weber: Wegen der schwachen Konjunktur wurden deutlich weniger Kredite nachgefagt. Zwar verschärfen die Banken die Konditionen und fordern mehr Sicherheiten, aber das ist in einem Konjunkturabschwung üblich. Eine allgemeine Kreditklemme ist nicht festzustellen.

SZ: Warum haben denn die Notenbanken die Banken aufgefordert, mehr Kredite zu vergeben?

Weber: Wir wollten darauf hinweisen, dass Unternehmen mit guter Bonität weiter Zugang zu Krediten haben müssen. Wenn Banken über zu wenig Eigenkapital verfügen, sollen sie die Rettungspakete der Regierung nutzen und nicht einfach die Kreditvergabe einschränken. Wir beobachten die Lage sehr genau und gehen davon aus, dass unsere Appelle ernst genommen werden.

SZ: Bundesbank oder Europäische Zentralbank könnten doch Unternehmensanleihen kaufen.

Weber: Das würde nur größeren Unternehmen nutzen, die Vielzahl der kleinen und mittelständischen Unternehmen finanziert sich primär über Bankkredite. Deshalb sind unsere geldpolitischen Maßnahmen auch auf günstige Refinanzierungsbedingungen für die Banken ausgerichtet. Dazu zählen die Leitzinssenkungen und der Ankauf von Pfandbriefen. Das hat die Lage am Interbankenmarkt verbessert.

SZ: Er funktioniert sogar so gut, dass einige Banken wieder hohe Gewinne und hohe Gehälter ausweisen. Haben die Banken nichts gelernt?

Weber: Das muss man differenziert sehen. Zu der zuletzt besseren Ertragslage dieser Banken hat vor allem das schwankungsanfällige Handelsergebnis beigetragen. Das ist möglicherweise nicht nachhaltig. Abgesehen davon dürfte die Vorsorge für Kreditrisiken erheblich steigen, der Zinsüberschuss zurückgehen. Ich warne davor, das Ende der Finanzkrise zu früh auszurufen.

SZ: Könnten Banken wieder in Schwierigkeiten kommen?

Weber: Die erste Runde von Verwerfungen in den Bankbilanzen durch strukturierte Finanzprodukte liegt hinter uns. Jetzt drohen Belastungen vom inländischen Kreditgeschäft, etwa durch eine Zunahme der Insolvenzen von Firmen und Privatleuten. Die tiefe Rezession stellt die Banken vor harte Herausforderungen.

SZ: Sollte die Krise nicht auch die überfällige Konsolidierung der Landesbanken vorantreiben?

Weber: Der Konsolidierungsdruck hat zugenommen. Dabei werden Vorgaben der EU-Kommission eine zentrale Rolle spielen. Bei der anstehenden Konsolidierung geht es neben Fusionen insbesondere um eine deutliche Verkleinerung der Institute.

Relevanter europäischer Bankenmarkt

SZ: Sollte es in Deutschland neben der Deutschen Bank nicht noch eine Bank von internationaler Bedeutung geben?

Kanzlerin Merkel, Bundesbankpräsident Weber, AP

Dicht an der Macht: Bundesbankpräsident Axel Weber und Kanzlerin Angela Merkel.

(Foto: Foto: AP)

Weber: Für mich als europäischen Geldpolitiker ist nicht der deutsche, sondern der europäische Bankenmarkt relevant. Es gab bislang nur wenig grenzüberschreitende Fusionen im Euroraum, von Ausnahmen wie Unicredit und HVB abgesehen. Mir macht Sorge, dass sich seit der Krise viele Institute, bedingt durch Auflagen und Verkleinerung, wieder auf ihren Heimatmarkt zurückziehen.

SZ: Wie groß dürfen Kreditinstitute eigentlich sein, damit man sie beherrschen kann?

Weber: In angelsächsischen Ländern diskutieren Bankenaufseher, ob man Einlagengeschäft und Investmentbanking trennen soll. In Deutschland werden mit Hinweis auf eine bessere Risikostreuung Universalbanken bevorzugt. Allein die Größe sollte nicht im Mittelpunkt stehen.

SZ: Was dann?

Weber: Alle Banken, gerade auch die großen, müssen widerstandsfähiger werden. Sie brauchen höhere Eigenkapitalpuffer, größere Liquiditätspolster und ein besseres Risikomanagement. Die großen Banken und die Märkte, in denen sie handeln, müssen besser und lückenloser überwacht werden. Ferner brauchen wir ein spezielles Insolvenzrecht für Banken, wie es auch in Deutschland zur Zeit diskutiert wird. Zwingend ist, diese Initiativen international abzustimmen, damit die Aufsicht über Grenzen hinweg rechtssicher handeln kann.

SZ: Haben die deutschen Banken die bisherigen Rettungsangebote der Regierung überhaupt schon richtig genutzt?

Weber: Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Abschwung schlägt sich bei Banken erst zeitlich verzögert nieder. Für mich ist es beruhigend zu wissen, dass wir einen Sicherheitspuffer in Deutschland haben, der noch Spielraum bietet.

SZ: Sie meinen den Soffin?

Weber: Ich halte die Schaffung des Bankenrettungsfonds Soffin für die zentrale systemstabilisierende Maßnahme zur Beruhigung der Finanzmärkte. Bis dahin mussten wir die Maßnahmen zur Rettung einer Bank jeweils einzeln verhandeln, wie im Fall der HRE. Solche unter Zeitdruck verhandelten Lösungen bergen immer das Risiko des Scheiterns in letzter Minute. Diese Gefahr ist durch den Soffin gebannt. Über ihn können Probleme früh angegangen und gelöst werden, so dass es erst gar nicht zu einer krisenhaften Zuspitzung der Entwicklung kommt. Das ist eine deutliche Verbesserung.

SZ: Sind Sie nicht Erfinder des Soffin und haben der Regierung zu dieser Institution geraten?

Weber: Die Beratung der Bundesregierung gehört zu den Aufgaben der Bundesbank. Nach der Verschärfung der Finanzmarktkrise durch die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers wurden weltweit Bankenrettungsprogramme auf den Weg gebracht. Die Bundesbank hat für Deutschland auch zu einer solchen dauerhaften Lösung geraten. Dann haben wir den Soffin in Frankfurt mit aufgebaut. Inzwischen wurde daraus eine eigenständige Anstalt.

Bloß nicht den Reformeifer verlieren

SZ: Sie fordern für die Bundesbank das Mandat der Finanzmarktstabilität. Was wollen sie konkret stabilisieren?

Weber: Es ging mir seinerzeit um Folgendes: Bei der laufenden Aufsicht über die Kreditinstitute vor Ort prüfen unsere Teams, ob die Banken die regulatorische Eigenkapitalquote einhalten und ob ihr Risikomanagement angemessen ist. Seit der Finanzkrise ist klar, dass diese Einzelbetrachtung nicht ausreicht. Hinzukommen muss der Blick auf die Risiken im Finanzsystem als Ganzes. Diese Gesamtsicht haben insbesondre Notenbanken. Mittlerweile gibt es für diese Aufgaben ein europäisches Mandat für die Notenbanken.

SZ: Wenn die Notenbanken so gute Einblicke in das System haben, hätten sie die Krise doch vorhersehen müssen?

Weber: Die Notenbanken haben schon vor dem Ausbruch der Krise im Juli 2007 vor Risiken für die Finanzstabilität gewarnt. Im September 2008 kam aber die für niemanden absehbare Verschärfung durch die Insolvenz von Lehman hinzu. Aus einem Schwelbrand wurde ein Flächenbrand, dieser erforderte eine systemische Antwort.

SZ: Lassen sich die Reformvorhaben für das weltweite Finanzsystem angesichts der aktuellen Lichtblicke noch durchsetzen?

Weber: Es wäre jetzt völlig falsch, den Reformeifer zu verlieren, nur weil sich eine leichte Besserungen abzeichnet. Das Forum für Finanzmarktstabilität, dem die Bundesbank angehört, wird dem nächsten G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 24. September klare Handlungsempfehlungen unterbreiten. Kein Mensch hätte Verständnis dafür, wenn es noch einmal zu einer ähnlichen Krise käme, nur weil notwendige Reformen unterlassen wurden.

SZ: Ist die Furcht vieler Menschen berechtigt, dass die Folgen der Krise entweder Geldentwertung oder höhere Steuern oder beides sein werden?

Weber: Die Zentralbanken nehmen die Sorgen der Bevölkerung zur Preisentwicklung sehr ernst. Wir werden die Preisstabilität sichern, das ist unser Mandat. Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen. Die Inflationsraten sind seit einiger Zeit stark rückläufig und momentan sogar negativ. Mittelfristig gehen wir von Preisstabilität aus. Dass die derzeit hohe Überschussliquidität an den Finanzmärkten langfristig zu Inflation führt, fürchte ich nicht. Die Notenbanken haben die Zeit und sind entschlossen, diese Liquidität wieder einzusammeln.

SZ: Und die hohen Steuern...?

Weber: ...wären unvermeidbar, wenn es nicht gelingt, die öffentlichen Haushalte über die Ausgabenseite zu konsolidieren. Ein Teil der Mehrausgaben durch das Konjunkturprogramm ist zwar vorübergehend. Trotzdem besteht erheblicher struktureller Konsolidierungsbedarf. Die deutschen Schulden werden von 66 Prozent im Jahr 2008 auf rund 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2010 steigen. Die nächste Bundesregierung muss die Rückführung der Defizite zügig in die Wege leiten. Das muss ein zentrales Element des Koalitionsvertrags sein. Auch der europäische Stabilitätspakt und die nationale Schuldenbremse gebieten eine entschlossene Haushaltskonsolidierung.

SZ: Noch eine persönliche Frage. Sie gelten als Kandidat für die Nachfolge von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Trauen Sie sich das zu?

Weber: An solchen Spekulationen beteilige ich mich nicht. Als Bundesbankpräsident habe ich eine sehr interessante Aufgabe, darauf konzentriere ich mich.

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