AWD-Gründer Carsten Maschmeyer:"Ihre Vision ist die Provision"

Wütende Sparer erinnern AWD-Gründer Carsten Maschmeyer an seine Vergangenheit als aggressiver Finanzberater. Der Millionär kneift und verliert damit selbst beim AWD an Ansehen. Denn dort gilt es als Pflicht, sich dem Kunden zu stellen.

Markus Zydra, Frankfurt

Eigentlich könnte Carsten Maschmeyer, 51, überglücklich sein. Er hat Geld, etwa eine halbe Milliarde Euro. Er ist mit der berühmten Schauspielerin Veronica Ferres zusammen, und, ja, prominente Freunde hat er auch: Altkanzler Gerhard Schröder, Bundespräsident Christian Wulff und Klaus Meine von der Rockgruppe Scorpions.

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AWD-Gründer Carsten Maschmeyer verliert Ansehen bei seiner einstigen Truppe. Mancher Berater meint, dass der frühere Chef kneift. "Er hat ja immer erwartet, dass wir uns den Kunden stellen", sagt einer, der anonym bleiben will. "Und jetzt will sich Maschmeyer nicht seiner eigenen Vergangenheit stellen."

(Foto: ddp)

Maschmeyer fehlt aber etwas Wichtiges: Die Ruhe vor den alten Geschichten.

Freundlich schaut er bei der Begrüßung, der Händedruck ist angenehm. Dafür, dass dem Doktor honoris causa der Universität Hildesheim sein früheres Leben um die Ohren zu fliegen droht, wirkt er entspannt und freundlich.

Als Finanzberater braucht man Fingerspitzengefühl und Coolness. So holt man die Kunden ab. Man braucht aber auch Kraft und Kaltschnäuzigkeit, um die Zielpersonen dann zur Unterschrift anzutreiben. Maschmeyer beherrschte dieses Doppelspiel schon zu Anfang seiner Karriere. Deshalb gab er das Medizinstudium auf und startete 1988 mit dem Allgemeinen Wirtschaftsdienst (AWD). Später brachte er den Konzern an die Börse und verkaufte das Unternehmen 2008 an den Schweizer Versicherer Swiss Life.

Maschmeyer hat mit dem AWD nichts mehr zu tun - aber die Vergangenheit holt den Gründer ein.

Hinter jedem großen Vermögen steht irgendwann die Frage, wie es entstand. Die Wahrheit: Tausende Sparer haben viel Geld verloren mit riskanten Finanzprodukten - und der AWD kassierte hohe Provisionen für deren Verkauf.

Wurde nur einer reich?

Die Zeitschriften Stern und Finanztest sowie die NDR-Fernsehredaktion Panorama berichteten am Mittwoch von einer Liste mit 34000 AWD-Kunden, die mit geschlossenen Immobilienfonds der Capital Konsult aus Stuttgart Verluste machten. Viele dieser Kunden seien heute finanziell ruiniert, weil 80 Prozent von ihnen auch noch eine Kreditfinanzierung aufgedrückt worden sei. Es steht der Vorwurf im Raum, dass nur einer reich wurde: Carsten Maschmeyer.

Tanja Quast und ihre Eltern waren Kunden beim AWD. Ihnen wurden 1996 geschlossene Fonds verkauft, 175.000 Mark haben sie investiert. Das ist lange her. Der Fall der Familie Quast ist exemplarisch für die damalige AWD-Praxis. Auch vielen älteren Menschen, die eine Lebensversicherung ausbezahlt bekommen haben, wurde ein riskanter geschlossener Fonds verkauft. Der AWD-Berater habe die Risiken verschwiegen, klagt Tanja Quast. Maschmeyer behauptete jüngst im Interview mit der Süddeutschen Zeitung das Gegenteil. "Natürlich haben wir diese Produkte nur Anlegern vermittelt, die danach gefragt und in einem Protokoll bestätigt haben, dass sie über Risiken aufgeklärt wurden." Wie war es wirklich?

Das von Maschmeyer ins Feld geführte Gesprächsprotokoll könnte die Sache aufklären. Doch in den Archiven des AWD findet sich auf Anfrage kein Gesprächsprotokoll zum Geschäft mit der Familie Quast.

Von Verlustrisiken liest man nichts

Der SZ liegt das Protokoll eines anderen Kunden aus dem Jahr 1999 vor. Darin steht eben nicht, wie Maschmeyer erklärt, dass der Kunde selbst den Wunsch nach einem riskanten Fonds geäußert habe. Auch von Verlustrisiken liest man nichts.

Frühere Beratungspraxis teilweise unrechtmäßig

Maschmeyer, so scheint es, verklärt die Vergangenheit. Vielleicht will er damit nichts mehr zu tun haben. Viele, die in den achtziger und neunziger Jahren in der Finanzbranche gearbeitet haben, wissen um die damaligen Wildwest-Methoden: Kunden wurden, man muss es rückblickend so sagen, häufig über den Tisch gezogen. Nicht nur vom AWD, auch von Banken. Niemand hat damals über Risiken gesprochen. Warum auch? Das hätte die Sparer nur abgeschreckt. Natürlich haben einige Kunden gerne unterschrieben, um Steuern zu sparen. Aber der Bundesgerichtshof hat ab 2006 mehrfach geurteilt, dass die frühere Beratungspraxis in einigen Fällen unrechtmäßig war.

Der AWD trieb es dabei nach Ansicht von Verbraucherschützern besonders schlimm: "Maschmeyer hat seine Berater vor allem auf Verkauf getrimmt, in Verkaufsschulungen etwa für die risikobehafteten Dreiländerfonds wurden Risiken massiv verharmlost, es wurde sogar von einer sicheren Altersvorsorge gesprochen", sagt Ariane Lauenburg, Expertin bei der Stiftung Warentest.

Spenden-Galas statt Klinkenputzen

Diese Geschichten liegen lange zurück, doch sie kommen nun hoch, weil die Finanzkrise vielen Bürgern die Augen geöffnet hat. Weil sie ihren Finanzberatern damals wirklich vertraut haben, wie sie einem Arzt vertrauen. Und dass dieses Vertrauen ausgenutzt wurde.

Mittlerweile geht es um die Reputation von Maschmeyer, der schon lange keine Klinken mehr putzt. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos parliert er mit dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton, mit dem früheren Regierungsberater Bert Rürup führt er ein Beratungsunternehmen. Er tritt bei Spenden-Galas auf und ist mit seiner Lebensgefährtin Veronica Ferres bei Filmpremieren zu sehen. Das Salmiak-Aroma der alten Drückergeschichten stören ihn - und den AWD, den neuen AWD.

Den soll es geben, das räumen selbst die Kritiker ein. "Der AWD hat sich nach Maschmeyers Abgang verändert, er ist jetzt nicht schlechter oder besser als andere Finanzvertriebe auch", sagt Expertin Lauenburg, die den Konzern seit 20 Jahren beobachtet. "Aufgrund des Provisionsmodells werden aber in der Finanzbranche insgesamt immer noch zu viele und auch falsche Produkte verkauft, die Anleger gar nicht brauchen", führt Lauenburg an.

AWD-Sprecher Bela Anda sagt: "Geschlossene Immobilienfonds machten 2000 etwa 7,3 Prozent des angelegten Kundenvermögens aus, jetzt sind es noch 0,2 Prozent." Das legt nahe: Der AWD ist normal geworden.

Der Ventilator bläst Geldscheine in die Luft

Maschmeyer verliert unterdessen Ansehen bei seiner einstigen Truppe. Mancher AWD-Berater meint, dass der Gründer kneift. "Er hat ja immer erwartet, dass wir uns den Kunden stellen", sagt einer, der anonym bleiben will. "Und jetzt will sich Maschmeyer nicht seiner eigenen Vergangenheit stellen."

Der Ärger über das frühere Idol ist verständlich, denn die AWD-Truppe weiß genau, wie früher gearbeitet wurde. Maschmeyer selbst hat es ihnen beigebracht. Es ging ums Geldverdienen. "Ihre Vision ist die Provision", verkündete der Chef.

Ein Foto aus dieser Zeit, entstanden bei einer AWD-Veranstaltung, zeigt einen AWD-Berater in einer Art Telefonzelle. Der Ventilator bläst Geldscheine in die Luft, der Mann greift danach, die Zeit läuft. Maschmeyer soll auch einmal Briefumschläge mit Geldscheinen darin in die Luft geworfen haben - AWD-Berater hätten sich darum geschlagen. Damit sie merken, worauf es ankommt. Maschmeyer will davon nichts mehr wissen: "Mein Image bei über zwei Millionen zufriedenen Kunden ist gut." Er weiß: Diese Aussage lässt sich kaum überprüfen.

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