Autozulieferer:Partner im Machtkampf

Mit chinesischer Hilfe will Grammer die bosnische Familie Hastor abwehren.

Von Uwe Ritzer

Nürnberg - Unlängst war Kati Wilhelm bei Grammer zu Besuch. Eine Stunde lang trainierte die mehrfache Weltmeisterin und Olympiasiegerin im Biathlon mit Mitarbeitern des Sitzherstellers in dessen Zentrale in Amberg in der Oberpfalz. Obendrein erzählte die ehemalige Spitzensportlerin mit den feuerroten Haaren als Markenzeichen aus ihrer erfolgreichen Karriere. "Ich habe viel investiert und einiges riskiert", sagte Kati Wilhelm, "aber das gehört einfach dazu."

An die Botschaft scheinen sich auch das Management, weite Teile der Aktionäre und die Gewerkschaft IG Metall zu halten. Denn gemeinsam investieren sie viel und riskieren auch einiges, um die bosnische Investorenfamilie Hastor bei Grammer klein zu halten. Jene Hastors, die sich vergangenen Sommer über ihre Unternehmensgruppe Prevent mit Volkswagen über Geld stritten und dem Autokonzern deshalb zeitweise keine Getriebeteile und Sitzbezüge mehr lieferten. Nun greifen die Hastors nach Grammer, doch das Unternehmen wehrt sich - neuerdings mit chinesischer Hilfe.

Die chinesische Ningbo Jifeng-Gruppe steigt über eine Pflichtwandelanleihe im Umfang von 60 Millionen Euro mit 9,2 Prozent bei Grammer ein. Offiziell heißt es, der Einstieg solle dem Hersteller von Innenausstattung für Fahrzeuge, sowie Fahrer- und Passagiersitzen für Lastwagen, Busse und Bahnen helfen, besser am prosperierenden chinesischen Markt agieren zu können. Tatsächlich geht es mindestens genauso um Verbündete gegen Hastor.

Der bosnische Unternehmerclan hat zuletzt über Investmentfirmen etwa 20 Prozent der Grammer-Aktien erworben und fordert nun Macht. Konkret reklamieren die Hastors über ihre Cascade International Investment fünf von sechs Sitzen auf der Kapitalbank im Aufsichtsrat für sich. Zudem soll Grammer-Vorstandschef Hartmut Müller abgelöst werden.

Die Bosnier haben bereits eine Hauptversammlung beantragt

Letzterer konterte den Angriff jedoch mit guten Zahlen. Vor wenigen Tagen meldete Grammer (gut 12 000 Beschäftigte) für 2016 einen Umsatzsprung um 19 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) kletterte gar um 70 Prozent auf 72 Millionen Euro, den höchsten Stand in der Firmengeschichte. Dennoch sorgt sich Müller, es könnten nicht genug Hastor-Gegner unter den Aktionären zur Hauptversammlung kommen, um den Angriff der Investoren abzuwehren. Cascade hat bereits eine außerordentliche Hauptversammlung beantragt.

Im Abwehrkampf mobilisiert Grammer alle Kräfte. Der Einstieg von Jifeng geschehe mit dem ausdrücklichen Segen führender Automobilhersteller und anderer wichtiger Kunden, ließ das Unternehmen verlauten. Fest an der Seite des Managements steht auch die IG Metall. "Wir begrüßen jeden Investor, der zivilisiert und vernünftig daher kommt und sich zur Eigenständigkeit von Grammer sowie zu Tarifbindung, Mitbestimmung, Standort- und Beschäftigungssicherung bekennt", sagte ihr bayerischer Landeschef Jürgen Wechsler. Hastor versuche jedoch "eine feindliche Übernahme". Ob Jifeng tatsächlich ein starker Partner sein wird, muss sich erst noch zeigen. Die Firma erwirtschaftete zuletzt lediglich 200 Millionen Euro Umsatz. Ihre Mittel sind also begrenzt.

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