Autozulieferer Grammer:Plötzlich sind die Chinesen willkommen

Lesezeit: 3 min

Ein Mitarbeiter arbeitet in der Produktion beim Autozulieferer Grammer an Teilen von Fahrersitzen. (Foto: dpa)
  • Der Autozulieferer Grammer wird von einem chinesischen Unternehmen übernommen.
  • Die Euphorie ist auf allen Seiten groß - dabei fürchten sowohl Bundesregierung als auch EU-Kommission eigentlich den Ausverkauf westlicher Technologien.
  • Die Hastor-Familie, die über eine Beteiligung 20 Prozent an Grammer hält wurde vom Deal kalt erwischt - und droht mit einem Übernahmekampf gegen die Chinesen.

Von Uwe Ritzer

Diesmal ist alles anders. Keine Mitarbeiter-Demo, kein Kunde, der mit Auftragsentzug droht, kein Hilfegesuch bei der Regierung, nicht einmal Nervosität bei Managern und Gewerkschaftern. Im Gegenteil. Die Pläne des überschaubaren chinesischen Unternehmens Ningbo Jifeng, den um ein Vielfaches größeren bayerischen Autozulieferer Grammer samt seinen 13 000 Beschäftigten zu schlucken, stoßen auf allgemeines Wohlwollen. Ganz anders als beim Angriff der bosnischen Unternehmerfamilie Hastor mit ihrer Prevent-Gruppe, die den Autozulieferer im vergangenen Jahr mehr kapern als übernehmen wollte. Nun herrscht beinahe so etwas wie Euphorie am Grammer-Sitz in Amberg in der Oberpfalz.

Management und Aufsichtsrat sind vom Angebot der Chinesen scheinbar begeistert und unterzeichneten bereits die entsprechende Investorenvereinbarung. Man kenne Ningbo Jifeng schon lange, arbeite seit 2012 zusammen und pflege eine intensive und vertrauensvolle Partnerschaft, heißt es. Auch als größter Aktionär mit einem Anteil von derzeit etwa 25 Prozent verhielten sich die Chinesen tadellos. Und selbst die IG Metall freut sich, weil die Chinesen mit ihrem Übernahmeangebot das Versprechen verbinden, die Arbeitsplätze für mehrere Jahre zu garantieren - was immer das auch konkret heißt.

Übernahme
:Autozulieferer Grammer steht vor Verkauf an Chinesen

Die Firma Jifeng will den Konzern aus der Oberpfalz übernehmen - obwohl der viel größer ist. Moralisch gäbe es bei dem Deal einen großen Verlierer.

Von Christoph Giesen, Peking, und Uwe Ritzer, Amberg

Ningbo Jifeng ist also willkommen, ganz im Gegensatz zu anderen chinesischen Investoren, die bei deutschen Unternehmen einsteigen. Bei Daimler oder der Deutschen Bank begegnete man ihnen stets mit Skepsis, ebenso beim Maschinenbauer Krauss-Maffei oder der Osram-Tochter Ledvance. Gar offene Abneigung, sogar seitens der Bundesregierung, schlug chinesischen Investoren entgegen, als sie vor zwei Jahren den Augsburger Roboterbauer Kuka übernahmen.

Sowohl die Bundesregierung als auch die EU-Kommission in Brüssel fürchten den Ausverkauf westlicher Technologie. Sie haben Sorge, ein solcher Transfer könne die industriepolitischen Machtverhältnisse fundamental verschieben - schließlich verfolgt Peking einen langfristigen Plan. "Made in China 2025" heißt die Strategie, mit der das Land mithilfe von Zukäufen zur führenden Nation in Schlüsselindustrien wie Robotik oder E-Mobilität aufsteigen will.

Vor diesem Hintergrund will die französische Regierung schon länger chinesische Investitionen in der EU erschweren, zumindest aber besser kontrollieren. In diese Richtung weist auch ein Beschluss des Haushaltsausschusses im Europaparlament, den die Abgeordneten sogar noch verschärften. Die Regierungen der betroffenen Mitgliedsstaaten sollen demnach das letzte Wort haben und den Einstieg oder die Übernahme eines Unternehmens aus nationalem Interesse heraus auch ablehnen können. Das Thema erfordert jedoch politisches Fingerspitzengefühl, denn europäische und speziell deutsche Unternehmen drängen ebenfalls auf Investitionserleichterungen in China. Es ist also ein Geschäft des Gebens und des Nehmens. Gleichzeitig treibt US-Präsident Donald Trump mit seiner Embargopolitik die Europäer geradezu in die Arme der Chinesen, was die Vertiefung wirtschaftlicher Beziehungen angeht.

Es ist anzunehmen, dass die Regierung in Peking die Übernahme unterstützt

In diese Gemengelage fällt nun die Grammer-Übernahme. Sie passt voll in das Expansionskonzept Pekings, auch wenn viele meinen, es gehe doch "nur" um einen vergleichsweise profanen Sitz- und Kopfstützenhersteller. Doch Grammer ist auf dem europäischen Automarkt bestens verankert und eröffnet Ningbo Jifeng auf einen Schlag Zugänge, die den Chinesen bislang verwehrt waren. China rüstet auch in der Zulieferindustrie gewaltig auf und es ist nicht anzunehmen, dass Ningbo Jifeng, ein Familienunternehmen mit gerade mal 250 Millionen Euro Umsatz, Grammer mit seinen 1,8 Milliarden Euro Umsatz ohne den Wunsch und die Unterstützung der Regierung in Peking übernimmt. Auf die Frage, wie seine Firma den Deal denn eigentlich finanziere, antwortete Juniorchef Jimin Wang im Handelsblatt ausweichend und sprach von einer "sicheren Finanzierung", garantiert von Banken.

Die Hastors übrigens, die über Beteiligungsgesellschaften etwa 20 Prozent an Grammer halten, wurden vom Deal mit Ningbo Jifeng kalt erwischt. Nach Lage der Dinge haben sie nun kaum noch eine Chance auf die Macht bei Grammer. Zumindest aber könnten sie ordentlich an dem Geschäft verdienen, wenn auch sie ihre Aktien an die Chinesen verkaufen. Man spricht von 150 Millionen Euro. Am Mittwochnachmittag jedoch ging die an Grammer beteiligte Hastor-Gesellschaft Cascade klar auf Distanz zu der eingefädelten Übernahme.

Das Ningbo Jifeng-Angebot von 61,25 Euro pro Aktie sei zu niedrig. Wenn, dann wären angesichts der Potenziale von Grammer eher 100 Euro angemessen, heißt es in einer Stellungnahme. "Wir betrachten das Angebot wirtschaftlich als unzureichend. Aktuelle Umsatzzuwächse in den Geschäftsjahren 2017 und 2018 sind ebenso wenig berücksichtigt wie noch nicht realisierte Ergebnispotenziale in erheblichem Umfang", heißt es dort. Zudem seien viele wichtige Fragen offen, etwa wer genau denn auf chinesischer Seite Zugang zu Schlüsseltechnologien bei Grammer erhalte.

Obendrein sei es "nicht nachvollziehbar, wie ein relativ kleines Unternehmen mit einem Umsatz von 250 Millionen Euro in der Lage ist, ein Übernahmevolumen von mehr als einer Milliarde Euro zu finanzieren", sagte ein Cascade-Sprecher. "Sind hier staatliche Stellen als Geldgeber oder Investoren involviert? Wer steht wirklich am Ende der Kette?" Indirekt droht Cascade mit einem Übernahmekampf gegen die Chinesen: "Wir werden nun alle vorhandenen Optionen prüfen, auch den nochmaligen Ausbau unserer Beteiligung."

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Krauss Maffei
:Hurra, die Chinesen kommen

Ein Staatskonzern aus China übernimmt den Maschinenbauer Krauss Maffei - und alle freuen sich.

Analyse von Elisabeth Dostert und Christoph Giesen

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: