Autosalon Genf:Zwei Jahre Krise - und jetzt Krieg

Lesezeit: 2 min

Die Genfer Automesse könnte Balsam für die Fahrzeugbranche sein, die sich nach der guten alten Zeit sehnt. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Thomas Fromm

Manager sind von Natur aus Meister des Euphemismus. Selbst wenn die Dinge noch so schlecht liegen - es findet sich in der Regel immer eine Wendung, um die Katastrophe elegant zu umschreiben. Das verbale Draufhauen überlassen Wirtschaftsbosse meist lieber den Politikern.

Umso überraschender ist daher der Auftritt des sonst eher zurückhaltenden Porsche-Chefs Michael Macht vom Mittwochabend, als er die strengen Umweltauflagen für Autos in den USA als einen Angriff auf die deutschen Premiumhersteller deutete und von einem "Wirtschaftskrieg" sprach.

Grund: Porsche fühlt sich in den USA benachteiligt; man überschreitet die neuen US-Grenzwerte beim Verbrauch, die im kommenden Jahr in Kraft treten, weil dort Kriterien wie Radstand und Spurbreite in die Berechnungen mit einbezogen werden. Ausgerechnet der kleine Radstand, das A und O der Sportwagen. In der Branche kommen die US-Auflagen daher wie maßgeschneidert an: Was für die kleinen Porsche-Flitzer zum Verhängnis wird, sei für die US-Konkurrenz von Vorteil, heißt es dort. Ihre Modelle sind breiter, haben in der Sprache der Autobranche einen größeren "Fußabdruck". Porsche drohen nun hohe Strafen in den USA - oder der Rückzug vom Markt.

Machts Wortwahl zeigt, wie blank die Nerven liegen. Zwei Jahre Krise, zwei Jahre schlechte Nachrichten, seit zwei Jahren geht es bei den Automessen dieser Welt vor allem um Krisenbewältigung, nicht um Autos. Die Genfer Automesse, die am Montag beginnt, könnte nun der Aufbruch sein. Frühlingsgefühle am Genfer See, Balsam für eine Szene, die sich nach der guten alten Zeit sehnt, nach Normalität und Routine. Doch die gibt es nicht, im Gegenteil. Nach zwei Jahren Krise wird nun von Krieg geredet. Zu Recht: Der Kampf wird härter, und gewonnen hat der, der in diesen Zeiten noch Marktanteile erobert.

Was es heißt, offene Flanken zu zeigen, hat der Weltmarktführer zu spüren bekommen. Toyota muss weltweit über acht Millionen Autos wegen klemmender Gaspedale und defekter Bremsen zurückrufen. Unfälle gab es, Tote auch.

In den USA, jenem Land, in dem der größte Autobauer General Motors mit 50 Milliarden Dollar von der Regierung gerettet wurde und de facto staatlich ist, ließ man sich diese Chance nicht entgehen: Toyota-Manager wurden vor einen Kongressausschuss gezerrt, der Autobauer, der in den USA rund ein Fünftel des Marktes beherrscht, wurde öffentlich hingerichtet. Es herrscht Krieg in der Branche - und Angst.

Denn gerne würde die Konkurrenz alles als japanisches Problem abtun, als logische Folge des maßlosen Wachstums der Rivalen. Dabei könnte die japanische Krankheit jeden erfassen. Alle Hersteller sparen, indem sie wie Toyota möglichst viele gleiche Teile in möglichst vielen Baureihen einsetzen. Eine intelligente Produktionsmethode, wenn es funktioniert. Ein Desaster, wenn das eine Bauteil defekt ist und innerhalb weniger Tage einen ganzen Konzern verseucht. Die Toyota-Epidemie - sie könnte sich bei General Motors ebenso ausbreiten wie bei VW.

Was alle wissen, aber kaum einer sagt: Es werden zu viele Autos auf der Welt gebaut. Wer 2009 eine Abwrackprämie mitgenommen hat, kauft in diesem Jahr keinen Wagen mehr. Weltweit können die Autobauer zurzeit über 90 Millionen Autos auf den Markt werfen. Geschätzt wird, dass nur die Hälfte davon verkauft wird. Gleichzeitig drängen Billiganbieter aus China und Indien auf den Markt Zu viele Autos, zu viele Hersteller - zu wenige Kunden. Gleichzeitig muss sich die ganze Branche neu erfinden.

Der klassische, PS-starke Verbrennungsmotor, jahrzehntelang Fetisch des Systems, wird irgendwann ausrangiert. Neue Technologien wie der Elektromotor werden der Branche zwar kräftigen Schwung geben. Allerdings erst in ein paar Jahren. Jeder Punkt würde die Branche schon vor große Probleme stellen. Dass jetzt alles zusammenkommt, erwischt sie kalt; die Umgangsformen werden brutaler. Der Porsche-Chef mag von einem "Wirtschaftskrieg" sprechen. Ein knallharter Verdrängungswettbewerb ist das, was sich abspielt, allemal.

© SZ vom 26.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: