Autonomes Fahren:Obama verabschiedet 15-Punkte-Plan zum autonomen Fahren

Checkliste statt Gesetze. Nach dem Willen der US-Regierung sollen die Hersteller für die Sicherheit ihrer selbstfahrenden Autos garantieren und über den Umgang mit sensiblen Daten informieren.

Von Thomas Fromm und Claus Hulverscheidt, München/New York

Technisch, sagen die Manager in den Autokonzernen, gehe im Grunde alles. Und weil diese Menschen gewohnt sind, alles, was sie technisch können, früher oder später auch auf die Straße zu bringen, planen sie schon mal ganz groß: BMW will in fünf Jahren mit einem selbstfahrenden Auto in Serie gehen, Ford peilt für 2021 Modelle ohne Lenkrad und Gaspedal an, die dann vor allem an Geschäftskunden und Fahrdienste wie die Taxi-Apps Uber und Lyft gehen sollen.

2021 könnte also ein historisches Jahr werden, an das man sich noch lange erinnern wird. Weil es das Jahr war, in dem der Autofahrer überflüssig gemacht wurde.

Es kann aber auch sein, dass die Dinge anders kommen, denn nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch gesetzlich erlaubt. Weil es vom assistierten Fahren mit Einpark- und Stauhilfen hin zum autonomen und vollautomatischen Fahren noch ein weiter Weg ist, setzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine Ethik-Kommission ein, die definieren muss, wie Fahrzeugcomputer in gefährlichen Situationen künftig entscheiden sollen. Es geht um wichtige moralische und juristische Fragen - zum Beispiel die nach der Haftung in Schadensfällen. Sollen automatisierte Computersysteme rechtlich genauso wie menschliche Fahrer eingestuft werden? Die Zeit drängt, denn die Technik soll auf die Straße.

Wenn der Autopilot versagt, soll ein Notfallsystem den Wagen sicher steuern

In den USA, wo der IT-Konzern Google schon seit Längerem seine kleinen, kugelförmigen Vehikel auf der Straße testet, will die Regierung nun rasch für Klarheit sorgen. Statt strikter Regeln plant sie einen Hersteller-Fragebogen mit 15 Punkten, mit dem die Sicherheit selbstfahrender Autos garantiert werden soll. Unter anderem sollen Notfall-Ersatz-Systeme bei einem Versagen der Autopilot-Technik einspringen; Daten sollen von den Herstellern verfügbar gemacht werden. "Wenn ein selbstfahrendes Auto nicht sicher ist, haben wir die Mittel, es von der Straße zu holen", schrieb Präsident Barack Obama in der Pittsburgh Post-Gazette - und man werde nicht zögern, das auch zu tun. Die Regierung verlangt von den Herstellern Auskünfte über die Art und Weise, wie ihre Autos getestet wurden und wie sie mit gefährlichen Situationen umgehen. Die Antworten sollen dann für "jeden interessierten Amerikaner" einsehbar sein, so Obama.

Der Präsident hatte sich bereits Anfang des Jahres grundsätzlich hinter die Technologie gestellt und angekündigt, die Entwicklung selbstfahrender Autos und die Schaffung eines klaren Rechtsrahmens in den nächsten zehn Jahren mit knapp vier Milliarden Dollar zu unterstützen. Autonomes Fahren könne dabei helfen, "die Zeit besser zu nutzen, Leben zu retten und Kraftstoff zu sparen", so auch Verkehrsminister Anthony Foxx seinerzeit. Es könnte zudem dazu beitragen, die Folgen des weltweiten Bevölkerungswachstums für den Straßenverkehr besser in den Griff zu bekommen.

Der Mensch als das größte Sicherheitsrisiko im Straßenverkehr - löst man ihn nun durch Algorithmen, Kameras und Sensoren ab, sei dies die Lösung, prophezeien die Befürworter des autonomen Fahrens. Immerhin sind die Zahlen alarmierend: Allein auf den Straßen der USA kamen 2015 mehr als 35 000 Menschen ums Leben, so viele wie seit Jahren nicht mehr.

Dass auch die angeblich so sicherere Technologie des automatisierten Fahrens keine absolute Sicherheit bietet, wurde im Mai deutlich - da war in den USA ein Tesla-Fahrer getötet worden, als er den Wagen vom Fahrassistenz-System navigieren ließ. Der Mann raste unter den Auflieger eines abbiegenden Sattelschleppers, weil die Radargeräte des Autos die weiße Lkw-Außenwand offenbar mit dem bewölkten Himmel verwechselten. Für den kalifornischen Elektroautobauer ein Fiasko. Für die Regierung ein Grund, schnell zu handeln.

Was bleibt, ist die Frage, wer zuverlässiger ist: der Mensch oder der Computer? Tesla-Chef Elon Musk erklärte später, dass der Unfall mit einer Aktualisierung der Software des "Autopiloten" so wohl nicht passiert wäre. Leben und Tod - im Zeitalter des voll automatisierten Fahrens ist das auch eine Frage der richtigen Software. Karl Brauer vom Auto-Branchendienst Kelley Blue Book sagte der New York Times, die jetzt vorgestellten Richtlinien trügen einerseits den Risiken des automatisierten Fahrens Rechnung und räumten andererseits überflüssige Hindernisse für eine potenziell lebensrettende Technologie aus dem Weg. Auch der Autobauer Ford begrüßte Obamas Ankündigung. Die Richtlinien seien ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einem einheitlichen nationalen Regelwerk, hieß es in einer Erklärung des Konzerns. Ähnlich äußerten sich der Technologiekonzern Google sowie die Fahrdienste Uber und Lyft, die allesamt an der Entwicklung selbstfahrender Autos arbeiten und daher darauf drängen, dass rechtliche Hürden schnell beseitigt werden.

Washington hatte sich wohl nicht zufällig Zeit gelassen mit der Reglementierung der neuen Technologie - jede Vorschrift, so die Sorge, könnte kurze Zeit später wieder vom nächsten technologischen Entwicklungssprung überholt werden. Denn das ist das Problem: Die Technik ist schneller als die Gesetzgebung.

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